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BDI aktuell
Juni 2014
er 26. April 2014 ist ein denkwürdiges
Datum in der Geschichte des Berufsver-
bands Deutscher Internisten (BDI). Die
an diesem Tag in Wiesbaden traditionell stattfin-
dende Mitgliederversammlung war die letzte
Mitgliederversammlung des BDI auf Bundesebe-
ne. Mit deutlicher Mehrheit – 48 von 63 abgege-
benen Stimmen – hat sie einer Satzungsänderung
zugestimmt und sich selbst aufgelöst. Sämtliche
wichtigen Rechte und Pflichten der Mitglieder-
versammlung wurden auf die Delegiertenver-
sammlung übertragen, die künftig als das maß-
gebliche Basis-Organ der Mitglieder des BDI
fungiert.
Das bedeutet keine Entmachtung der Mitglie-
der, wie von manchem argwöhnisch unterstellt
wurde, sondern ist ein Schritt hin zu mehr De-
mokratie innerhalb des Berufsverbands. Die Mit-
D
gliederversammlung war mehr oder weniger zu-
fällig zusammengesetzt. Wer und wie viele Mit-
glieder kamen, war unbestimmt und dem Zufall
überlassen. Dementsprechend waren auch die
Abstimmungen und Beschlüsse zufällig. Von ei-
ner breiten oder gar repräsentativen Legitimation
durch die Mitgliederschaft konnte keine Rede
sein.
Die Abschaffung der jährlich
stattfindenden großen Mitglie-
derversammlung geht einher mit
einer Einführung ebenfalls jähr-
lich stattfindender Mitgliederver-
sammlungen in den Landesver-
bänden. Statt einer Mitglieder-
versammlung haben wir jetzt 17
regionale Mitgliederversammlungen. Was dort
an Anregungen, Impulsen und Anstößen formu-
liert wird, geht über die jeweiligen Delegierten
des Landesverbandes in die große BDI-Delegier-
tenversammlung ein, die zweimal jährlich statt-
findet, dabei immer auch wie gewohnt im Rah-
men des Kongresses der Deutschen Gesellschaft
für Innere Medizin im April. In den regionalen
Mitgliederversammlungen kann jedes BDI-Mit-
glied nach wie vor seine Rechte wahrnehmen.
Mit dieser Satzungsänderung haben wir ein
Stück mehr Demokratie im Berufsverband ge-
schaffen. Der Delegiertenversammlung gehören
die Mitglieder des Vorstandes, die Vorsitzenden
der Landesverbände, die Vorsitzenden der Sekti-
onen sowie die Vorsitzenden der Arbeitsgemein-
schaften qua Amt an. Zudem entsendet jeder
Landesverband je angefangene 500 Mitglieder
einen weiteren Delegierten. Damit ist dafür ge-
sorgt, dass jeder Landesverband in der Delegier-
tenversammlung vertreten ist und auch seiner
Größe entsprechend mitwirken kann. Außerdem
können alle BDI-Mitglieder an der Delegierten-
versammlung teilnehmen, allerdings ohne
Stimmrecht.
Wichtige Aufgabe der Delegiertenversamm-
lung ist die Wahl von zehn Mitgliedern des aus
bis zu 14 Personen bestehenden Vorstands. Der
von der Delegiertenversammlung gewählte Vor-
stand wählt aus seinen Mitgliedern jeweils für
vier Jahre das Präsidium des Berufsverbandes.
Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten und
dem Ersten und Zweiten Vizepräsidenten. Die
Einzelheiten der Vorstandswahl sind in der neu-
en Wahlordnung geregelt.
Jeder Landesverband wählt alle vier Jahre in
seiner Mitgliederversammlung die Delegierten
zur Delegiertenversammlung. Dabei sollte unter
den Delegierten möglichst ein ausgewogenes
Verhältnis von Delegierten aus dem stationären
wie dem ambulanten Versorgungsbereich beste-
hen.
Für den BDI bedeutet diese Satzungsände-
rung einen historischen Schritt hin zu einer de-
mokratisch legitimierten Vertretung der Internis-
ten in Klinik und Praxis. Sie bietet den Mitglie-
dern größtmögliche Mitsprache und dem Vor-
stand eine effektive Arbeit mit Unterstützung ei-
ner repräsentativen Delegiertenversammlung.
Das muss nun auch aktiv gelebt werden.
Beteiligen Sie sich, arbeiten Sie mit! Nur ge-
meinsam sind wir stark!
Dr. med. Wolfgang Wesiack
Präsident BDI e.V.
EDITORIAL
Ein Stück mehr Demokratie
Von Dr. Wolfgang Wesiack
Präsident des BDI
Die Satzungsänderung bietet
den Mitgliedern größtmögliche
Mitsprache.
Derzeit existieren in Deutschland 132
Krankenkassen. Das sind für die große
Koalition von CDU/CSU und SPD
anscheinend immer noch zu viele.
Denn anders ist ihr Referentenentwurf
zu einer Reform der gesetzlichen
Krankenkassen nicht zu verstehen.
Mit dem Gesetz soll der alte Zusatz-
beitrag neu geregelt werden.
Unter dem Titel „Gesetz zur Wei-
terentwicklung der Finanzstruktur und
der Qualität in der gesetzlichen Kran-
kenversicherung“, kurz GKV-FQWG,
liegt im zweiten Omnibusgesetz von
Bundesgesundheitsminister Hermann
Gröhe (CDU) weit mehr Brisantes als
der Titel erwarten lässt. Auch die Aus-
sagen im Koalitionsvertrag machen
zunächst nicht misstrauisch. Die neu-
en Formulierungen in Paragraf 242
SGB V, welche den ungeliebten ein-
kommensunabhängigen Zusatzbeitrag
ablösen sollen, verblüffen aber.
Beitragssatz soll sinken
Im Koalitionsvertrag haben die Koali-
tionäre vereinbart, den allgemeinen
paritätisch finanzierten Beitragssatz
auf 14,6 Prozent festzusetzen und den
Arbeitgeberanteil mit 7,3 Prozent ge-
setzlich festzuschreiben. Darüber hin-
aus dürfen die gesetzlichen Kranken-
kassen im Wettbewerb zukünftig einen
kassenindividuellen Zusatzbeitrag als
prozentualen Satz vom beitragspflich-
tigen Einkommen erheben.
Damit die unterschiedliche Ein-
kommensstruktur der Mitglieder einer
Krankenkasse nicht zu einer Wettbe-
werbsverzerrung führt, wird ein neuer
Zahlungsausgleich
zwischen
den
Krankenkassen eingeführt. Das Sys-
tem soll dazu beitragen, den steuerfi-
nanzierten Sozialausgleich bei der
Kassenfinanzierung zu reduzieren.
Beitragszahler werden mehr belastet
Hier sind im Jahr 2014 rund 3,5 Milli-
arden Euro und ab 2015 etwa 2,5 Mil-
liarden Euro weniger vorgesehen, die
der Bund als Zuschuss an den Ge-
sundheitsfonds überweist. Der Bun-
desgesundheitsminister hat damit sei-
nen Beitrag für einen ausgeglichenen
Haushalt seines Kollegen, Finanzmi-
nister Wolfgang Schäuble (CDU), ge-
leistet.
Primär können die Krankenkassen
jetzt nur noch mit einem Beitragssatz
von 14,6 Prozent kalkulieren. Der ge-
setzlich definierte Zusatzbeitrag, der
auf 0,9 Prozent begrenzt war, entfällt.
Dies wird vorsichtig geschätzt zu Min-
dereinnahmen von zehn bis elf Milliar-
den Euro führen. Über den neuen Zu-
satzbeitrag ist mit einer Mehrbelastung
des Beitragszahlers von einem Pro-
zentpunkt zu rechnen. Damit hat der
Bundesfinanzminister zum Ausgleich
seines Haushaltes die Beitragszahler
zusätzlich belastet. Man könnte dies
auch als heimliche Steuererhöhung für
Lohnabhängige bezeichnen.
Aber auch die Finanzierung der
Krankenkassen untereinander wird
neu geordnet. Hier wird der im Koali-
tionsvertrag von Union und SPD vor-
gesehene vollständige „Einkommens-
ausgleich“ umgesetzt. Die Kranken-
kassen werden ihre Einnahmen täglich
an
das
Bundesversicherungsamt
(BVA) abführen. Unter Berücksichti-
gung der Finanzkraft der einzelnen
Mitglieder und deren Beitragshöhe
wird dort ein Ausgleich durchgeführt.
Im Klartext: Verfügt eine Krankenkas-
se über eine Mitgliederstruktur, die
vom
Durchschnitt
abweichende
Grundlohnsumme aller Kassen auf-
weist, erhält sie mehr oder weniger
Geld. Es wird damit im System durch
diese Neuerung Gewinner und Verlie-
rer geben.
Damit hat die Bundesregierung ei-
nen zweiten Finanzausgleich bei den
gesetzlichen Krankenkassen einge-
führt. Neben dem Risikostrukturaus-
gleich mit Anpassung über Morbidi-
tätsdaten wird jetzt auch die Einkom-
mensstruktur der Mitglieder gleichge-
schaltet. Dies ist Sozialismus pur.
TK wird künftig draufzahlen
Schon heute lässt sich sagen, wer bei
dieser Vorgehensweise profitiert und
wer drauf zahlen muss. Die Techniker
Krankenkasse verfügt über ein Versi-
chertenklientel, das einen deutlich hö-
heren Grundlohnsummenbeitrag leis-
tet als der Durchschnitt der Kranken-
kassen. Die Techniker Krankenkasse
wird somit zu einem Hauptzahler des
Systems. Die erfolgreiche Unterneh-
menspolitik dieser gesetzlichen Kran-
kenkasse wird somit wegrationalisiert.
Betrachtet man die Neuordnung
der Finanzierung der gesetzlichen
Krankenkassen insgesamt, so fällt auf,
dass Elemente der Bürgerversicherung
durch die Hintertür eingeführt wer-
den. Die Krankenkassen werden nicht
nur über die Morbidität, sondern in
Zukunft auch noch in der Mitglieder-
struktur gleichgeschaltet.
Man darf gespannt sein, welche
Folgen dies für die Unternehmenspoli-
tik der einzelnen gesetzlichen Kran-
kenkassen haben wird.
Derzeit befindet sich das GKV-
FQWG in der parlamentarischen Ab-
stimmung: Anfang Mai hat die erste
Lesung im Bundestag stattgefunden,
am 21. Mai folgte die Anhörung im
Gesundheitsausschuss. Voraussichtlich
Anfang Juli wird es zur finalen zweiten
und dritten Lesung vorgelegt.
Auf dem Weg zur Einheitskasse
Die große Koalition will einen
einkommensabhängigen Zu-
satzbeitrag einführen. Wie
viele Gut- und Geringverdie-
ner eine Kasse versichert,
wird dann für sie entschei-
dend. Denn die Einnahmen
werden erheblich umverteilt.
SCHWERPUNKT
Von Tilo Radau
Wie viel Geld eine Kasse erhält, hängt von Morbiditäts- und Einkommensstruktur ihrer Mitglieder ab.
© ARNO BURGI DPA/LSN
Die Kassen werden
auf jeden Cent
schauen und
sie werden die
Leistungen für die
Versicherten bis
an die Grenze des
Erlaubten herunter-
schrauben.
Maria Klein-Schmeink
(Grüne) bei
der ersten Lesung der GKV-Reform
im Bundestag.
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