In Deutschland gibt es freie Berufe.
Dazu gehören unter anderem Rechts
anwälte, Steuerberater, Architekten,
aber auch die Ärzte. Viele wissen
nicht, dass Freiberuflichkeit nichts da
mit zu tun hat, ob man selbstständig
oder angestellt arbeitet, – letztere Ein
schränkung gilt nämlich nur fürs Steu
errecht. Auch der angestellte Arzt im
Krankenhaus ist freiberuflich tätig, mit
allen Rechten und Pflichten, die damit
verbunden sind.
Ziel der Freiberuflichkeit ist es
nicht, die Angehörigen dieser Berufe
im gesellschaftlichen Umfeld zu schüt
zen. Es geht vielmehr um die Patien
ten, Klienten und Kunden. Die Bezie
hung zu ihnen darf nicht von Außen
beeinflusst werden. Dies gilt insbeson
dere für wirtschaftliche Interessen, die
die Entscheidung z.B. in der ArztPati
entenBeziehung oder in der Anwalt
KlientenVerbindung beeinflussen
könnten. Kostenträger mit ihren rein
wirtschaftlichen Interessen haben ge
rade deshalb außen vor zu bleiben.
GOÄ geht weit über die PKV hinaus
Um Patientenrechte zu schützen, be
nötigt man eine Berufsordnung, deren
zentraler Bestandteil die Gebühren
ordnung ist. Für die Rechte und
Pflichten der freien Berufe ist nicht die
Bewertung der Leistungen entschei
dend, sondern der ordnungspolitische
Rahmen, in dem diese erbracht wer
den. Wichtig ist zudem die Tatsache,
dass es nicht nur um Regelungen geht,
die die privat versicherten Patienten
betreffen. Eine Gebührenordnung re
gelt alle Leistungsbeziehungen, auch
z.B. gegenüber einem Krankenhaus
oder beim Erstellen von Gutachten.
Sie gehen somit über eine PKV und
über die Beihilfe weit hinaus.
Für den ärztlichen Beruf ist dies bei
der GOÄ im Paragrafenteil geregelt.
Dabei wird der Charakter der seitheri
gen Gebührenordnung für Ärzte durch
bestimmte Essentials geprägt. Der Be
handlungsvertrag wird zwischen Arzt
und Patient geschlossen. Die Rechtsbe
ziehung des Patienten zu seiner Versi
cherung, sei es die Beihilfe oder eine
private Krankenversicherung, hat da
rauf keinen direkten Einfluss. Auch die
Vergütung ist allein Sache des Arztes
und des Patienten, die sich an der GOÄ
verbindlich zu orientieren hat. Gemein
same Kommissionen von Ärztekam
mern mit privaten Versicherern, die
Abrechnungsvorschläge erarbeiten, ha
ben bestenfalls einen Empfehlungscha
rakter. Sie sind nicht rechtsverbindlich.
Dies bedeutet, dass die GOÄ der
entscheidende Baustein für die Kon
struktion des freien ärztlichen Berufes
ist. Dies gilt für angestellte Ärzte ge
nauso wie für Selbstständige und Nie
dergelassene. Deshalb muss bei einer
Novellierung des ordnungspolitischen
Teils des Paragrafenwerks hinterfragt
werden, ob die Freiberuflichkeit des
Arztes eingeschränkt wird.
Mehr Mitsprache für Kostenträger
Im Gegensatz zur Gebührenordnung
der Ärzte wird die gesetzliche Kran
kenversicherung (GKV) durch Selbst
verwaltungsorgane geregelt. Zentrale
Bedeutung haben hier die Kranken
kassen und besonders die Kassenärzt
lichen Vereinigungen. Sie regulieren
die Versorgung. Dabei hat der behan
delnde Arzt eine Rechtsbeziehung
über seine Kassenärztliche Vereini
gung zur Krankenkasse, bei der der
Patient versichert ist. Zentrale Bedeu
tung bekommt in diesem System der
Kostenträger. Jede Novellierung des
Paragrafenteils der GOÄ, die den
Kostenträger in die Systematik mit
einbezieht, muss deshalb die Freibe
ruflichkeit einschränken: Weil direkt
oder indirekt wirtschaftliche Interes
sen der Versicherungen berücksichtigt
werden oder wie bei der GKV sogar
gänzlich im Vordergrund stehen.
Genau das ist bei der jetzigen Vor
lage zur Novellierung der GOÄ pas
siert, in dem man eine Kommission
zur Weiterentwicklung der GOÄ (Ge
Ko) eingeführt hat. Sie besteht aus
der Bundesärztekammer, der Beihilfe
und Vertretern der privaten Kranken
versicherungen. Zünglein an der Waa
ge wird in dieser Kommission das
Bundesgesundheitsministerium sein,
dem die Beihilfe sicher näher steht als
die Bundesärztekammer. Die Be
schlüsse sind für die Rechnungsstel
lung der Ärzte verbindlich. Dies ist der
entscheidende Unterschied zu den be
reits jetzt existierenden Gebührenord
nungskommissionen von Kammer und
PKV, deren Vorgaben nur Empfeh
lungscharakter haben. Rechtlich ver
bindlich ist nämlich nur die Vereinba
rung zwischen Arzt und Patient, die im
Streitfall als Einzelfall gerichtlich ge
klärt werden muss. Arzt und Patient
können sich jederzeit einvernehmlich
über die Empfehlungen hinwegsetzen.
Dies wäre künftig nicht mehr möglich.
Die Analogziffern haben in der
GOÄ eine ganz zentrale Bedeutung, sie
sorgen dafür, dass die GOÄ flexibel
bleibt und nicht zu einem unbewegli
chen Leistungskatalog wie der EBM
degeneriert. Bislang sind sie allein Sa
che der ArztPatientenBeziehung, in
Zukunft werden sie aber durch die Ge
Ko überprüft und auf Dauer geregelt.
Es wird z.B. festgelegt, ob die Analog
bewertungen in eine neue Ziffer über
führt werden sollen.
Befürchtet wird, dass es auch zum
prinzipiellen Ausschluss von Leistun
gen kommen kann, wenn sie nicht in
die GOÄ übernommen werden. Die
Angst ist wohl begründet, hat man
doch die Erstfassung der neuen GOÄ
zu einem abschließenden Leistungska
talog gemacht, weil in Zukunft nur
noch Analogziffern für Leistungen ak
zeptiert werden, die nach Inkrafttreten
der neuen GOÄ auf dem Markt er
scheinen werden.
Die Rechnungsstellung kann in der
noch gültigen GOÄ dem Schweregrad
angepasst werden, auch wenn die feh
lende Korrektur der Legenden und
Bewertungen in den letzten Jahren
dies fast nicht mehr zugelassen haben.
Bei der Novellierung wird ein nach
Arzt und technischer Leistung kalku
lierter robuster Einfachsatz abgerech
net. Dieser kann verdoppelt werden
bei Leistungen, die in einer Art Posi
tivliste von genau dieser Kommission
definiert werden müssen. Die indivi
duelle Rechnungsstellung wird damit
faktisch Vergangenheit.
Keine Ausgabenbegrenzung?
Typisches Merkmal der Selbstverwal
tung in der GKV ist die Ausgabenbe
grenzung, um die Beitragsstabilität zu
sichern. Das war in der PKV bislang
undenkbar, gab es doch eine Vielzahl
von Versicherungsvarianten zwischen
den Versicherten und den privaten Ver
sicherern, die schon die Erhebung der
Ausgaben unmöglich machte. Von der
Wie die GOÄNovelle die Freiberuf
Bei der GOÄReform geht es um weit mehr, als eine Anpas
sung veralteter Gebührenziffern. Mit einer neuen Kommis
sion aus BÄK, PKV und Beihilfe wird die Selbstverwaltung
in der privatärztlichen Versorgung verankert. Und damit die
Axt an der Freiberuflichkeit des Arztes angesetzt. Das wird
Auswirkungen auf das ArztPatientenVerhältnis haben.
Von Dr. HansFriedrich Spies
Die Beschlüsse der GeKo sollen verbindlich sein, damit erschwert die GOÄ frei(beruflich)es Handeln.
© [M] ALSWART / FOTOLIA.COM / TIL
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Rechtlich verbind
lich ist bislang nur
die Vereinbarung
zwischen Arzt und
Patient, die im
Streitfall als Einzel
fall gerichtlich ge
klärt werden muss.
Dr. HansFriedrich Spies
2. BDIVizepräsident
Schon bei der Novellierung der Ge
bührenordnung für Zahnärzte (GOZ)
ab dem Jahr 2010 wurde eine Öff
nungsklausel seitens der privaten
Krankenversicherung (PKV) in die
Verhandlungen eingebracht. Hiermit
sollte es möglich sein, eine Spartenver
einbarung zwischen PKVUnterneh
men und Zahnarzt zu treffen. Und so
mit direkte Verträge über zahnärztliche
Leistungen künftig pauschaliert und
außerhalb der GOZ anbieten und ab
rechnen zu können. Das eindeutige
Ziel der PKV war es, hiermit Kosten
ersparnisse zu generieren. Verkauft
wurde dieses Argument jedoch mit ei
nem angeblichen größeren Wettbe
werb unter den Leistungserbringern.
Seinerzeit wehrten sich Bundes
zahnärztekammer und Bundesärzte
kammer gemeinsam gegen eine solche,
auch von der Politik favorisierte, Öff
nungsklausel – mit Erfolg. Nach zä
hem Ringen und langen Verhandlun
gen war es der Bundeszahnärztekam
mer gelungen, die Öffnungsklausel
nicht in die neue GOZ aufzunehmen.
Paragraf 11 bereitet Sorgen
Auch die Bundesärztekammer sah sich
in ihren Verhandlungen mit der PKV
immer wieder der Forderung nach ei
ner Öffnungsklausel, hier für die
GOÄ, ausgesetzt. Nach eigenen Anga
ben sei es gelungen, diese Forderung
der PKV „wegzuverhandeln“.
Der derzeit vorliegende Entwurf des
Paragrafenteils der neuen GOÄ und
die damit verbundenen Änderungen
der Bundesärzteordnung könnten je
doch auch andere Schlussfolgerungen
zulassen. Die Bundesärzteordnung soll
in den Paragrafen 11, 11a und 11b ge
ändert werden. Bereits im Paragraf 11,
in dem unter Satz 2 „…nicht unter
schreitbare Gebührensätze für die
ärztliche Leistung…“ thematisiert wer
den, findet sich nach dem Satz 3 der
Hinweis „abweichende Honorarver
einbarungen sind zulässig“. Nun be
zieht sich der Satz 3 auf Steigerungs
möglichkeiten bei besonderer, objekti
ver Schwere des Behandlungsumstan
des, dieser Satz könnte jedoch gegen
teilig interpretiert werden.
Die vorgenannten Ausführungen
sind wichtig, weil sie in engem Zusam
menhang mit dem Pargrafen 11b zu se
hen sind. „In diesem neuen Paragraf
11b können Bundesärztekammer und
der Verband der PKV im Einverneh
men Lösungen zur modellhaften Er
probung und Evaluation von Elemen
ten zur Verbesserung der Versorgungs
struktur und Versorgungsqualität ent
wickeln.“ Somit sind also zukünftig
Modelle analog des Paragrafen140
SGB V, die sich mit integrierten, haus
Kommt die Öffnungsklausel durch die Hintertür?
Offiziell ist die Öffnungs
klausel bei der GOÄ vom
Tisch. Dank der guten Vor
arbeit der Zahnärzte. Aber
ausgerechnet die Möglich
keit, in der PKV Selektivver
tragsmodelle umzusetzen,
könnte zur Falle werden.
8
Januar 2016
BDI aktuell
Berufspolitik