BDI aktuell 01_2016 - page 8

In Deutschland gibt es freie Berufe.
Dazu gehören unter anderem Rechts­
anwälte, Steuerberater, Architekten,
aber auch die Ärzte. Viele wissen
nicht, dass Freiberuflichkeit nichts da­
mit zu tun hat, ob man selbstständig
oder angestellt arbeitet, – letztere Ein­
schränkung gilt nämlich nur fürs Steu­
errecht. Auch der angestellte Arzt im
Krankenhaus ist freiberuflich tätig, mit
allen Rechten und Pflichten, die damit
verbunden sind.
Ziel der Freiberuflichkeit ist es
nicht, die Angehörigen dieser Berufe
im gesellschaftlichen Umfeld zu schüt­
zen. Es geht vielmehr um die Patien­
ten, Klienten und Kunden. Die Bezie­
hung zu ihnen darf nicht von Außen
beeinflusst werden. Dies gilt insbeson­
dere für wirtschaftliche Interessen, die
die Entscheidung z.B. in der Arzt­Pati­
enten­Beziehung oder in der Anwalt­
Klienten­Verbindung beeinflussen
könnten. Kostenträger mit ihren rein
wirtschaftlichen Interessen haben ge­
rade deshalb außen vor zu bleiben.
GOÄ geht weit über die PKV hinaus
Um Patientenrechte zu schützen, be­
nötigt man eine Berufsordnung, deren
zentraler Bestandteil die Gebühren­
ordnung ist. Für die Rechte und
Pflichten der freien Berufe ist nicht die
Bewertung der Leistungen entschei­
dend, sondern der ordnungspolitische
Rahmen, in dem diese erbracht wer­
den. Wichtig ist zudem die Tatsache,
dass es nicht nur um Regelungen geht,
die die privat versicherten Patienten
betreffen. Eine Gebührenordnung re­
gelt alle Leistungsbeziehungen, auch
z.B. gegenüber einem Krankenhaus
oder beim Erstellen von Gutachten.
Sie gehen somit über eine PKV und
über die Beihilfe weit hinaus.
Für den ärztlichen Beruf ist dies bei
der GOÄ im Paragrafenteil geregelt.
Dabei wird der Charakter der seitheri­
gen Gebührenordnung für Ärzte durch
bestimmte Essentials geprägt. Der Be­
handlungsvertrag wird zwischen Arzt
und Patient geschlossen. Die Rechtsbe­
ziehung des Patienten zu seiner Versi­
cherung, sei es die Beihilfe oder eine
private Krankenversicherung, hat da­
rauf keinen direkten Einfluss. Auch die
Vergütung ist allein Sache des Arztes
und des Patienten, die sich an der GOÄ
verbindlich zu orientieren hat. Gemein­
same Kommissionen von Ärztekam­
mern mit privaten Versicherern, die
Abrechnungsvorschläge erarbeiten, ha­
ben bestenfalls einen Empfehlungscha­
rakter. Sie sind nicht rechtsverbindlich.
Dies bedeutet, dass die GOÄ der
entscheidende Baustein für die Kon­
struktion des freien ärztlichen Berufes
ist. Dies gilt für angestellte Ärzte ge­
nauso wie für Selbstständige und Nie­
dergelassene. Deshalb muss bei einer
Novellierung des ordnungspolitischen
Teils des Paragrafenwerks hinterfragt
werden, ob die Freiberuflichkeit des
Arztes eingeschränkt wird.
Mehr Mitsprache für Kostenträger
Im Gegensatz zur Gebührenordnung
der Ärzte wird die gesetzliche Kran­
kenversicherung (GKV) durch Selbst­
verwaltungsorgane geregelt. Zentrale
Bedeutung haben hier die Kranken­
kassen und besonders die Kassenärzt­
lichen Vereinigungen. Sie regulieren
die Versorgung. Dabei hat der behan­
delnde Arzt eine Rechtsbeziehung
über seine Kassenärztliche Vereini­
gung zur Krankenkasse, bei der der
Patient versichert ist. Zentrale Bedeu­
tung bekommt in diesem System der
Kostenträger. Jede Novellierung des
Paragrafenteils der GOÄ, die den
Kostenträger in die Systematik mit
einbezieht, muss deshalb die Freibe­
ruflichkeit einschränken: Weil direkt
oder indirekt wirtschaftliche Interes­
sen der Versicherungen berücksichtigt
werden oder wie bei der GKV sogar
gänzlich im Vordergrund stehen.
Genau das ist bei der jetzigen Vor­
lage zur Novellierung der GOÄ pas­
siert, in dem man eine Kommission
zur Weiterentwicklung der GOÄ (Ge­
Ko) eingeführt hat. Sie besteht aus
der Bundesärztekammer, der Beihilfe
und Vertretern der privaten Kranken­
versicherungen. Zünglein an der Waa­
ge wird in dieser Kommission das
Bundesgesundheitsministerium sein,
dem die Beihilfe sicher näher steht als
die Bundesärztekammer. Die Be­
schlüsse sind für die Rechnungsstel­
lung der Ärzte verbindlich. Dies ist der
entscheidende Unterschied zu den be­
reits jetzt existierenden Gebührenord­
nungskommissionen von Kammer und
PKV, deren Vorgaben nur Empfeh­
lungscharakter haben. Rechtlich ver­
bindlich ist nämlich nur die Vereinba­
rung zwischen Arzt und Patient, die im
Streitfall als Einzelfall gerichtlich ge­
klärt werden muss. Arzt und Patient
können sich jederzeit einvernehmlich
über die Empfehlungen hinwegsetzen.
Dies wäre künftig nicht mehr möglich.
Die Analogziffern haben in der
GOÄ eine ganz zentrale Bedeutung, sie
sorgen dafür, dass die GOÄ flexibel
bleibt und nicht zu einem unbewegli­
chen Leistungskatalog wie der EBM
degeneriert. Bislang sind sie allein Sa­
che der Arzt­Patienten­Beziehung, in
Zukunft werden sie aber durch die Ge­
Ko überprüft und auf Dauer geregelt.
Es wird z.B. festgelegt, ob die Analog­
bewertungen in eine neue Ziffer über­
führt werden sollen.
Befürchtet wird, dass es auch zum
prinzipiellen Ausschluss von Leistun­
gen kommen kann, wenn sie nicht in
die GOÄ übernommen werden. Die
Angst ist wohl begründet, hat man
doch die Erstfassung der neuen GOÄ
zu einem abschließenden Leistungska­
talog gemacht, weil in Zukunft nur
noch Analogziffern für Leistungen ak­
zeptiert werden, die nach Inkrafttreten
der neuen GOÄ auf dem Markt er­
scheinen werden.
Die Rechnungsstellung kann in der
noch gültigen GOÄ dem Schweregrad
angepasst werden, auch wenn die feh­
lende Korrektur der Legenden und
Bewertungen in den letzten Jahren
dies fast nicht mehr zugelassen haben.
Bei der Novellierung wird ein nach
Arzt und technischer Leistung kalku­
lierter robuster Einfachsatz abgerech­
net. Dieser kann verdoppelt werden
bei Leistungen, die in einer Art Posi­
tivliste von genau dieser Kommission
definiert werden müssen. Die indivi­
duelle Rechnungsstellung wird damit
faktisch Vergangenheit.
Keine Ausgabenbegrenzung?
Typisches Merkmal der Selbstverwal­
tung in der GKV ist die Ausgabenbe­
grenzung, um die Beitragsstabilität zu
sichern. Das war in der PKV bislang
undenkbar, gab es doch eine Vielzahl
von Versicherungsvarianten zwischen
den Versicherten und den privaten Ver­
sicherern, die schon die Erhebung der
Ausgaben unmöglich machte. Von der
Wie die GOÄ­Novelle die Freiberuf
Bei der GOÄ­Reform geht es um weit mehr, als eine Anpas­
sung veralteter Gebührenziffern. Mit einer neuen Kommis­
sion aus BÄK, PKV und Beihilfe wird die Selbstverwaltung
in der privatärztlichen Versorgung verankert. Und damit die
Axt an der Freiberuflichkeit des Arztes angesetzt. Das wird
Auswirkungen auf das Arzt­Patienten­Verhältnis haben.
Von Dr. Hans­Friedrich Spies
Die Beschlüsse der GeKo sollen verbindlich sein, damit erschwert die GOÄ frei(beruflich)es Handeln.
© [M] ALSWART / FOTOLIA.COM / TIL
Rechtlich verbind­
lich ist bislang nur
die Vereinbarung
zwischen Arzt und
Patient, die im
Streitfall als Einzel­
fall gerichtlich ge­
klärt werden muss.
Dr. Hans­Friedrich Spies
2. BDI­Vizepräsident
Schon bei der Novellierung der Ge­
bührenordnung für Zahnärzte (GOZ)
ab dem Jahr 2010 wurde eine Öff­
nungsklausel seitens der privaten
Krankenversicherung (PKV) in die
Verhandlungen eingebracht. Hiermit
sollte es möglich sein, eine Spartenver­
einbarung zwischen PKV­Unterneh­
men und Zahnarzt zu treffen. Und so­
mit direkte Verträge über zahnärztliche
Leistungen künftig pauschaliert und
außerhalb der GOZ anbieten und ab­
rechnen zu können. Das eindeutige
Ziel der PKV war es, hiermit Kosten­
ersparnisse zu generieren. Verkauft
wurde dieses Argument jedoch mit ei­
nem angeblichen größeren Wettbe­
werb unter den Leistungserbringern.
Seinerzeit wehrten sich Bundes­
zahnärztekammer und Bundesärzte­
kammer gemeinsam gegen eine solche,
auch von der Politik favorisierte, Öff­
nungsklausel – mit Erfolg. Nach zä­
hem Ringen und langen Verhandlun­
gen war es der Bundeszahnärztekam­
mer gelungen, die Öffnungsklausel
nicht in die neue GOZ aufzunehmen.
Paragraf 11 bereitet Sorgen
Auch die Bundesärztekammer sah sich
in ihren Verhandlungen mit der PKV
immer wieder der Forderung nach ei­
ner Öffnungsklausel, hier für die
GOÄ, ausgesetzt. Nach eigenen Anga­
ben sei es gelungen, diese Forderung
der PKV „wegzuverhandeln“.
Der derzeit vorliegende Entwurf des
Paragrafenteils der neuen GOÄ und
die damit verbundenen Änderungen
der Bundesärzteordnung könnten je­
doch auch andere Schlussfolgerungen
zulassen. Die Bundesärzteordnung soll
in den Paragrafen 11, 11a und 11b ge­
ändert werden. Bereits im Paragraf 11,
in dem unter Satz 2 „…nicht unter­
schreitbare Gebührensätze für die
ärztliche Leistung…“ thematisiert wer­
den, findet sich nach dem Satz 3 der
Hinweis „abweichende Honorarver­
einbarungen sind zulässig“. Nun be­
zieht sich der Satz 3 auf Steigerungs­
möglichkeiten bei besonderer, objekti­
ver Schwere des Behandlungsumstan­
des, dieser Satz könnte jedoch gegen­
teilig interpretiert werden.
Die vorgenannten Ausführungen
sind wichtig, weil sie in engem Zusam­
menhang mit dem Pargrafen 11b zu se­
hen sind. „In diesem neuen Paragraf
11b können Bundesärztekammer und
der Verband der PKV im Einverneh­
men Lösungen zur modellhaften Er­
probung und Evaluation von Elemen­
ten zur Verbesserung der Versorgungs­
struktur und Versorgungsqualität ent­
wickeln.“ Somit sind also zukünftig
Modelle analog des Paragrafen140
SGB V, die sich mit integrierten, haus­
Kommt die Öffnungsklausel durch die Hintertür?
Offiziell ist die Öffnungs­
klausel bei der GOÄ vom
Tisch. Dank der guten Vor­
arbeit der Zahnärzte. Aber
ausgerechnet die Möglich­
keit, in der PKV Selektivver­
tragsmodelle umzusetzen,
könnte zur Falle werden.
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