BDI aktuell 01_2016 - page 12

Für die nächtliche Atemtherapie
mittels CPAP ist belegt, dass sie au­
ßer den Symptomen der obstrukti­
vem Schlafapnoe­Syndrom (OSAS)
– wie Tageschläfrigkeit – auch den
Blutdruck reduziert. Weniger gut
untersucht ist die Blutdruckwir­
kung von Unterkieferprotrusions­
schienen, die alternativ zur CPAP­
Maskenbeatmung verwendet wer­
den, um das Kollabieren der oberen
Atemwege zu verhindern. Ärzte der
Universität Zürich haben die bei­
den Verfahren daher mit Schein­
oder Nichtbehandlung verglichen
(JAMA 2015; 314 2280­2293). In
ihrer Netzwerk­Metaanalyse erwie­
sen sich die beiden Therapien in
Bezug auf die blutdrucksenkende
Wirkung als vergleichbar.
Das Besondere an dieser Form
der Metaanalyse ist, dass zwei The­
rapien A und B auch dann vergli­
chen werden können, wenn sie nie
direkt gegeneinander getestet wur­
den. Stattdessen stützt sich der Ver­
gleich auf Studien, in denen jeweils
A oder B gegen dieselbe Strategie C
geprüft wurde.
Für die Netzwerk­Metaanalyse
von CPAP und Protrusionsschiene
konnten die Ärzte 51 Studien mit
4888 Patienten heranziehen. Nur in
vier Studien waren Maskenbeat­
mung und Schiene gegeneinander
angetreten. In 44 war eine Über­
druckbeatmung und in drei eine
Schiene jeweils mit einer inaktiven
Therapie verglichen worden. So­
wohl mit einer CPAP­Therapie als
auch mit einer Protrusionsschiene
ging der systolische Blutdruck sig­
nifikant zurück, und zwar um 2,5
und um 2,1 mmHg. Der diastoli­
sche Druck sank um 2,0 vs. 1,9
mmHg. Die Differenzen zwischen
den beiden OSAS­Therapien waren
nicht signifikant.
Die Blutdrucksenkung unter der
Atemtherapie war umso ausgepräg­
ter, je länger die Patienten nachts
die CPAP­Geräte anwendeten. Pro
zusätzliche Stunde gingen der sys­
tolische und der diastolische Druck
um 1,5 und 0,9 mmHg zurück. Ein
höherer Ausgangsblutdruck war
ebenfalls mit einer stärkeren
CPAP­abhängigen Reduktion ver­
bunden. Dagegen hatten weder
Apnoe­Hypopnoe­Index noch die
Art der inaktiven Vergleichstherapie
einen Einfluss auf die Blutdruck­
wirkung unter CPAP.
(bs)
OSAS: Schiene
so wirksam
wie CPAP
Ob eine OSAS mit CPAP­
Beatmung oder Protrusi­
onsschiene behandelt
wird, ist hinsichtlich des
Blutdrucks unerheblich.
BLUTDRUCKSENKUNG
Die europäische Leitlinie zur pulmo­
nalen Hypertonie (PH) ist ein Ge­
meinschaftsprojekt der Europäischen
Gesellschaft für Kardiologie (ESC)
und der Europäischen Gesellschaft für
respiratorische Erkrankung (ERS).
Unterschieden werden wie bisher die
pulmonalarterielle Hypertonie (PAH),
die PH infolge von Herz­ beziehungs­
weise Lungenerkrankungen, die chro­
nisch thromboembolische PH
(CTEPH) sowie sonstige Formen der
PH mit unterschiedlichen Patho­
mechanismen (Eur Heart J. 2015;
online 29. August).
Die meisten Neuerungen betreffen
Patienten mit der relativ seltenen
PAH. Hier sei der bisherige Therapie­
algorithmus nach vielen neuen Stu­
dien zu komplex geworden, sagte Pro­
fessor Marius Hoeper, Medizinische
Hochschule Hannover, der die Neu­
fassung bei der ESC­Tagung in Lon­
don vorstellte. An den allgemeinen
Empfehlungen hat sich wenig geän­
dert. So sollten alle Patienten gegen
Influenza und Pneumokokken geimpft
werden und ein moderates Trainings­
programm absolvieren.
Bei der supportiven Therapie wur­
de die Empfehlung zur Antikoagulati­
on abgeschwächt. Eine Antikoagulati­
on könne bei sporadischen und erbli­
chen Formen der PAH zwar erwogen
werden. Echte Evidenz gebe es aber
nicht, der Evidenzgrad wurde von IIa
auf IIb heruntergestuft. Komplett aus
dem Rennen ist die Antikoagulation
bei der PAH infolge kongenitaler
Herzerkrankungen, Bindegewebs­ oder
Lebererkrankungen. Dafür findet erst­
mals der Ausgleich von Anämie/Eisen­
defizit Eingang in die Leitlinie (Evi­
denzgrad IIb).
Kombitherapien werden die Regel
Bei der Behandlung jener Mehrheit
der PAH­Patienten, bei denen der
Vasoreaktivitätstest negativ ausfällt
und daher keine Kalziumantagonisten
zum Einsatz kommen, wird jetzt nach
individuellem Risiko stratifiziert. Neu
ist, dass bereits bei niedrigem und
mittlerem Risiko (WHO­Klassen II
und III) als Option die initiale orale
Kombinationstherapie genannt wird.
Bislang ist das typischerweise ein En­
dothelinrezeptorantagonist (ERA) und
ein PDE5­Hemmer. Bei hohem Risiko
(WHO­Klasse IV) sollte sofort kombi­
niert werden, und zwar unter Einbe­
ziehung von intravenösen Prostacycli­
nanaloga.
„In der Praxis machen wir und die
meisten Kollegen das schon länger so.
Aber jetzt ist es auch schriftlich festge­
halten“, betonte Professor Georg
Hansmann, Medizinische Hochschule
Hannover, gegenüber dem Internet­
portal Kardiologie.org. Hansmann ist
einer der deutschen Leitlinienautoren
mit Hintergrund Kinderkardiolo­
gie/angeborene Herzfehler. Besonders
wichtig ist die frühe Kombinations­
therapie nach seiner Einschätzung bei
jüngeren Patienten unter 40 Jahren:
„Hier verläuft die PAH oft besonders
aggressiv.“
Ein „deutsches“ Problem
Ein „deutsches“ Problem sei, dass die
i.v. Prostanoid­Therapie von jüngeren
Patienten mit geringer Symptomatik,
aber hoher Aktivität anfangs oft abge­
lehnt werde: „In diesem Fall und auch
dann, wenn Patienten mit niedrigem
oder mittlerem Risiko auf die Zwei­
fachtherapie nicht adäquat anspre­
chen, ist eine oral­inhalative Triple­
Therapie indiziert“, so Hansmann.
„Ziel dabei ist, die Patienten durch die
Therapie zu Patienten mit niedrigem
Risiko zu machen. Denn das ist prog­
nostisch günstig.“ Zur Risikostratifi­
zierung bietet die ESC­Richtlinie eine
Tabelle an.
Im Gegensatz zur PAH ist eine PH
auf Basis einer Linksherz­oder Lun­
generkrankung häufig. Diese Formen
der PH verliefen oft milder, so Profes­
sor Jean­Luc Vachiery von Erasme
Hospital Brüssel auf der ESC­Tagung
in London. Entscheidend dabei sei die
optimale Behandlung der kardialen
Grunderkrankung. Auch Komorbidi­
täten wie COPD oder Schlafapnoe­
syndrom sollten erkannt und thera­
piert werden, bevor die belastende in­
vasive Differenzialdiagnostik der PH
gestartet wird.
Nicht empfohlen werden bei diesen
Patienten Vachiery zufolge all jene
Medikamente, die bei der PAH zuge­
lassen sind. Hansmann ist da weniger
kategorisch. Dieser Punkt sei ziemlich
umstritten, betonte er.
CTEPH: Op kommt vor Medikament
An eine CTEPH muss unter anderem
bei Patienten gedacht werden, die eine
Lungenembolie überlebt haben und
die danach an Belastungsdyspnoe lei­
den. Der entscheidende Schritt im dia­
gnostischen Algorithmus ist hier noch
immer die Ventilations­Perfusions­
Szintigrafie. Erst wenn diese patholo­
gisch ausfällt, sieht die Leitlinie die
(CT­)Pulmonalis­Angiografie bezie­
hungsweise den Rechtsherzkatheter
vor.
Der komplett neue Therapiealgo­
rithmus für CTEPH­Patienten stützt
sich auf drei Säulen. Eine lebenslange
Antikoagulation wird empfohlen. Da­
nach sollte abgeklärt werden, ob den
Patienten mit einer pulmonalen En­
darteriektomie chirurgisch geholfen
werden kann. Ist das nicht der Fall
oder hat die Chirurgie nicht den ge­
wünschten Erfolg, kommt die spezifi­
sche medikamentöse Therapie, etwa
mit Riociguat, zu ihrem Recht.
Nach sechs Jahren wurden
die europäischen Leitlinien
zur pulmonalen Hypertonie
von Grund auf überarbeitet.
Neu sind unter anderem die
Therapiealgorithmen für
die pulmonalarterielle Hyper­
tonie und die chronisch
thromboembolische pulmo­
nale Hypertonie.
PAH: Kombinationstherapien
rücken nach vorn
Von Philipp Grätzel von Grätz
Häufig beeinträchtigt Atemnot die Lebensqualität von Patienten mit pulmonalarterieller
Hypertonie (PAH).
© CGC
Besonders wichtig
ist die frühe Kombi­
nationstherapie bei
jüngeren Patienten
unter 40 Jahren.
Professor Georg Hansmann
Medizinische Hochschule Hannover
Da zwischen COPD­Exazerbationen
und bakterieller Besiedelung der
Atemwege in den stabilen Phasen ein
Zusammenhang vermutet wird, gibt es
die Hoffnung, durch längerfristige An­
tibiotikatherapie die Häufigkeit von
Exazerbationen einzudämmen. Zu­
mindest für Azithromycin und Eryth­
romycin wird diese Annahme durch
Studien gestützt.
Eine Untersuchung des Imperial
College London, die den Nutzen von
Antibiotika in dieser Situation rando­
misiert und placebokontrolliert über­
prüft hat, weckt jedoch Zweifel an der
Theorie: Keines der getesteten Anti­
biotika senkte die Bakterienkonzentra­
tion im Sputum (Thorax 2015; 70:
930­938). Einziger Effekt der Lang­
zeittherapie war eine Zunahme der
entsprechenden Antibiotikaresisten­
zen. Letzteres ist auch der Grund, wa­
rum in der Leitlinie der GOLD Anti­
biotika ausdrücklich nicht bei stabiler
COPD empfohlen werden, sondern
nur im Fall einer infektiösen Exazerba­
tion oder eines anderen bakteriellen
Infektes.
An der britischen Studie waren 86
mittelschwer bis schwer erkrankte Pa­
tienten mit stabiler COPD beteiligt.
Sie hatten 13 Wochen lang Moxifloxa­
cin (400 mg/d für 5 Tage alle 4 Wo­
chen), Doxycyclin (100 mg/d), Azi­
thromycin (3 x wöchentlich 250 mg)
oder Placebo erhalten. Primärer Studi­
enendpunkt war die Veränderung der
Bakterienzahlen in Sputumkulturen.
Der größte Effekt im Vergleich zu
Placebo wurde mit Moxifloxacin er­
zielt: ein Rückgang um 0,32 log10
cfu/ml, entsprechend einer 62­prozen­
tigen Reduktion. Der Unterschied zu
Placebo war allerdings ebenso wenig
signifikant wie bei den zwei anderen
Antibiotika. Auch mit Hilfe einer
quantitativen PCR auf Basis der bak­
teriellen 16SrRNA ließ sich kein signi­
fikanter Vorteil irgendeiner Antibioti­
katherapie feststellen. Entzündungs­
parameter, Lungenfunktion und
Gesundheitszustand wurden durch die
antibiotische Therapie ebenfalls nicht
signifikant verbessert.
Mit allen drei Antibiotika kam es zu
einer messbaren Zunahme von resis­
tenten Bakterienisolaten. Die mittleren
Hemmkonzentrationen erhöhten sich
gegenüber der Placebotherapie min­
destens um das Dreifache. Die meis­
ten Nebenwirkungen, überwiegend
leichter Natur, wurden unter Moxiflo­
xacin registriert.
(bs)
Eine Antibiotika­Therapie
bei COPD erhöht die Resis­
tenzrate, ohne die Keimlast
signifikant zu mindern.
COPD: Dauer­Antibiose senkt nicht die Keimlast
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