BDI aktuell 01_2016 - page 10

Das Nicht­kleinzellige Bronchial­
karzinom (NSCLC), macht sich
vermutlich einen Schutzmechanis­
mus aus der Schwangerschaft zu­
nutze. Zu Beginn der Schwanger­
schaft schützt das Protein Glyco­
delin den Embryo vor Abstoßung.
Das NSCLC sowie seine Metasta­
sen schütten ebenfalls Glycodelin
aus und unterdrücken so wohl in
unmittelbarer Umgebung Abwehr­
reaktionen des Immunsystems, teilt
die Uniklinik Heidelberg mit (Clin
Cancer Res. 2015 Aug 1;21(15):
3529­40). „Die Konzentration von
Glycodelin im Blut korrelierte sehr
gut mit dem Therapieansprechen
oder dem Fortschreiten der Erkran­
kung“, wird Erstautor Dr. Marc
Schneider zitiert.
(eb)
Glycodelin
schützt Embryo
und Tumor
NSCLC
Die Chemoimmuntherapie mit Flu­
darabin, Cyclophosphamid plus Ritu­
ximab gilt als Standardtherapie bei
neudiagnostizierten CLL­Patienten.
Langzeitergebnisse mit dieser Drei­
fachkombination im Vergleich zur
Chemotherapie standen noch aus.
Diese wurden jetzt anhand einer aktu­
ellen Auswertung der CLL­8­Studie
nach einem Protokoll der deutschen
CLL­Studiengruppe veröffentlicht
(Blood 2015, online 20. Oktober).
An der prospektiven randomisierten
Phase­III­Studie hatten 817 CLL­Pa­
tienten in körperlich guter Verfassung
teilgenommen, die noch keine Thera­
pie erhalten hatten. Primärer End­
punkt war das progressionsfreie Über­
leben (PFS). Die Patienten erhielten
in der Chemotherapie­Gruppe Fludar­
abin plus Cyclophosphamid. In der
Chemoimmuntherapie­Gruppe wurde
zusätzlich zur Chemotherapie noch
Rituximab verabreicht. Eine antivirale
Prophylaxe oder die prophylaktische
Gabe von G­CSF wurde nicht emp­
fohlen. Bei längerer schwerer Neutrop­
enie ( 7 Tage) wurde die Prophylaxe
einer Pneumocystis­Pneumonie emp­
fohlen.
Nach medianem Follow­up von 5,9
Jahren wurde in der Gruppe mit Che­
moimmuntherapie ein PFS von 56,8
Monaten, in der Gruppe ohne Rituxi­
mab von 32,9 Monaten erreicht. In
der Chemoimmuntherapie­Gruppe
wurde der Wert für das Gesamtüberle­
ben (OS) noch nicht erreicht, in der
Vergleichsgruppe lag er bei 86,0 Mo­
naten. In beiden Gruppen erwiesen
sich Mutationen der IGHV­Gene als
prognostisch günstig für PFS und Ge­
samtüberleben. Der Patientenanteil
mit verlängerter Neutropeniedauer im
ersten Jahr nach Behandlungsende war
unter Chemoimmuntherapie signifi­
kant größer (16,6 vs. 8,8 Prozent) als
unter alleiniger Chemotherapie.
(ple)
Fitte, unbehandelte Patien­
ten mit CLL profitieren
mehr von der Chemo­
immuntherapie als von
einer Chemotherapie allein.
CLL: Erfolg mit Chemoimmuntherapie
Es ist noch nicht lange her, da kannte
man Hochrisikogene nur bei fünf Pro­
zent der Krebserkrankungen. Das hat
sich verändert! Es wird von einer Erb­
lichkeit bei etwa 20 bis 30 Prozent der
Krebsfälle ausgegangen. Diese Zusam­
menhänge näher zu definieren, um
dann risikoadaptierte Präventionskon­
zepte umzusetzen, ist die Aufgabe der
nächsten Jahre.
Zugleich muss dringlich der Ausbil­
dungsstand der Ärzteschaft in Bezug
auf genetische Zusammenhänge und
deren Bedeutung für die Prävention
angehoben werden. Das jedenfalls for­
dert Professor Rita Schmutzler vom
Zentrum für familiären Brust­und
Eierstockkrebs an der Uniklinik Köln.
Schmutzler konstatierte bei einem
Workshop am Deutschen Krebsfor­
schungszentrum in Heidelberg eine
„Vielzahl von Unzulänglichkeiten und
Erkenntnisrückständen“, wenn es um
die klinische Implementierung der
Entwicklungen auf dem Gebiet der
Hochdurchsatz­Genomanalytik gehe.
Familienanamnese zu selten erhoben
Dr. Christa Maar vom Vorstand der
Felix Burda Stiftung und Präsidentin
des Vereins „Netzwerk gegen Darm­
krebs“ wies darauf hin, dass Familien­
anamnesen von Darmkrebs­Patienten
regelhaft nicht erhoben würden. Und
dass, obwohl 25 bis 30 Prozent aller
Darmkrebserkrankungen auf ein fami­
liäres Risiko zurückzuführen seien.
Darmkrebs ist ein gutes Beispiel,
weil für betroffene Familien bereits
vieles bekannt ist. So gibt es im US­
Bundesstaat Utah eine populationsba­
sierte Datenbank, in die per Gesetz
verpflichtend jede Krebserkrankung
eingepflegt werden muss. Aus diesem
riesigen Datenschatz lässt sich ablei­
ten, dass etwa fünf Prozent der Darm­
krebspatienten ein monogenetisches
Syndrom wie die familiäre adenomatö­
se Polypose (FAP) oder ein Lynch­
Syndrom haben, was mit einem 70­
bis 100­prozentigen Darmkrebsrisiko
einhergeht. Etwa 25 Prozent der Er­
krankungen sind auf ein familiär er­
höhtes Risiko zurückzuführen. Erst­
gradige Verwandte von Darmkrebspa­
tienten haben demnach ein etwa dop­
pelt so hohes Darmkrebsrisiko als im
Bevölkerungsdurchschnitt, auch für
zweitgradige Verwandte ist das Risiko
noch um das 1,3­fache erhöht, erklärte
in Heidelberg Professor Jewel Samad­
der vom Huntsman Cancer Institute
der Universität Utah. Besonders ge­
fährdet seien Verwandte von Patienten,
die im Alter von unter 40 Jahren er­
krankt sind, so aktuelle Daten (Clin
Gastro Hepatol 2015; 13: 2305).
Verwandte von Darmkrebs­Patien­
ten benötigen also ein früheres Darm­
krebs­Screening als bislang empfohlen.
Liegt gar eine monogenetische Erkran­
kung wie ein FAP oder ein Lynch­
Syndrom vor, werden in Utah bereits
ab dem 12. Lebensjahr alle ein bis
zwei Jahre Koloskopien vorgenommen
sowie chemopräventive oder chirurgi­
sche Maßnahmen ergriffen. Allerdings
ist selbst in Familien mit monogene­
tisch bedingtem Risiko die Complian­
ce hinsichtlich der Koloskopien
schlecht, so die Erfahrungen in Utah.
Womöglich wird man künftig auf ele­
gantere Methoden – zumindest ergän­
zend – zurückgreifen können. Denn:
„Molekulare und pathologische Merk­
male von Patienten mit kolorektalen
Karzinomen können genutzt werden,
um Risiken von Verwandten zu identi­
fizieren“, sagte Dr. Polly Newcomb
vom Fred Hutchinson Cancer Re­
search Center in Seattle im US­Staat
Washington.
Neue Klasse von Risikogenen
Sie und ihre Mitarbeiter haben bei
4800 Index­Patienten knapp 33500
Verwandte ersten Grades identifiziert,
von denen 1400 tatsächlich ein kolo­
rektales Karzinom hatten (Gut 2015;
64:101). Diese Studie bestätigt die
Daten aus Utah in Bezug auf das Risi­
ko von Verwandten. Und es wurde ei­
ne Gen­Klasse identifiziert, die für die
Reparatur von DNA­Schäden eine
Rolle spielt, und die künftig ein Faktor
bei der Identifizierung von Menschen
mit erhöhten Krebsrisiko sein könnte,
so genannte Mismatch Repair Gene.
Bei deren Inaktivierung kann es zu po­
tenziell kanzerogenen genetischen Al­
terationen kommen. Unabhängig da­
von hat bereits im Jahre 2014 ein in­
ternationales Konsortium vier moleku­
lare Subtypen kolorektaler Karzinome
definiert, die zudem eine bessere klini­
sche Stratifikation für Therapieent­
scheidungen ermöglichen soll.
Für die breite Implementierung
neuer Erkenntnisse in die klinische
Praxis bedarf es unter anderem struk­
turierter Fortbildungen in der Ärzte­
schaft, Gentests müssen außerhalb
kommerzieller Interessen evidenzba­
siert angeboten und in ein Beratungs­
konzept eingebettet werden.
Die Prävention von Krebs­
erkrankungen muss auf
eine neue Qualitätsebene
gehoben werden. Denn rund
ein Drittel der Krebsfälle
insgesamt, so jüngste
Annahmen von Experten,
haben erbliche Ursachen.
Erbliches Krebsrisiko mehr in
den Fokus rücken
Von Thomas Meißner
Darmpolypen als Krebsvorstufe: Jede vierte Erkrankung ist erblich bedingt.
© PSDESIGN1 / FOTOLIA.COM
Molekulare und
pathologische
Merkmale von
Patienten mit
kolorektalen
Karzinomen
können genutzt
werden, um Risiken
von Verwandten zu
identifizieren.
Dr. Polly Newcomb
Fred Hutchinson Cancer Research
Center, Seattle
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BDI aktuell
Januar 2016
Medizin
Lebermetastasen von Patienten mit
Kolon­Ca streuen intakte Tumor­
zellen in die Blutbahn. Das könnte
zu weiteren Metastasen führen. Zu
diesen Erkenntnissen kommt ein
Team von Forschern am Dresdener
Uniklinikum (Ann Surg 2015; on­
line 22. Oktober). Die Größe der
durch ein Kolon­Ca gebildeten Le­
bermetastase sei dabei entschei­
dend für das Risiko, ob von dieser
Metastase Tumorzellen in die Blut­
bahn gestreut werden. Das spreche
für eine engmaschige postoperative
Überwachung und gegebenenfalls
eine postoperative Chemotherapie
bei Patienten, denen große Metas­
tasen chirurgisch entfernt wurden.
Die Studie, für die bei über 100
Patienten zirkulierende Tumorzel­
len in unterschiedlichen Blutkom­
partimenten intraoperativ unter­
sucht wurden, fand in Kooperation
mit Heidelberger Kollegen der Kli­
nischen Forschergruppe KFO 227
statt, teilt die Uniklinik Dresden
mit.
Durch Blutentnahmen während
der Operation konnten die Ärzte in
ihrer Studie die Anzahl von frei zir­
kulierenden Tumorzellen vor und
nach dem Durchfluss der Leber in
Pfortader und Lebervene ermitteln.
So konnten sie aufzeigen, dass die
Lebermetastasen selbst intakte Tu­
morzellen freisetzen, die ihrerseits
auch Fähigkeiten einer metastasie­
renden Tumorzelle besitzen, und
somit möglicherweise zur weiteren
Metastasierung des ursprünglichen
Tumors beitragen können. Dabei
sollen die Forscher auch einen Zu­
sammenhang zwischen der Größe
der Metastasen und dem Nachweis
freigesetzter Tumorzellen entdeckt
haben.
(eb)
KOLONKARZINOM
Metastasen in
der Leber setzen
Krebszellen frei
Die Größe der von einem
Kolon­Ca gebildeten
Lebermetastase bestimmt
wohl das Risiko, ob von
dieser Metastase Tumor­
zellen gestreut werden.
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