BDI aktuell 01_2016 - page 11

Die Ergebnisse der SPRINT­Studie
sind ohne Zweifel richtungsweisend
für das künftige Management bei Pati­
enten mit Bluthochdruck. Dafür, dass
eine striktere Blutdrucksenkung mehr
kardiovaskuläre Ereignisse inklusive
Todesfälle verhindert als eine modera­
tere Behandlungsweise, liefert die
Studie einen Beleg. Patienten mit Hy­
pertonie und weiteren kardiovaskulä­
ren Risikofaktoren, bei denen im
Schnitt ein systolischer Wert von
121,4 mmHg erreicht wurde, profitier­
ten von einer signifikanten Reduktion
der Gesamtmortalität um 27 Prozent
und einer Abnahme des Herzinsuffizi­
enz­Risikos um 38 Prozent – jeweils
im Vergleich zu Patienten, bei denen
mit einer antihypertensiven Standard­
therapie eine Senkung auf 136,2
mmHg erzielt worden war.
Das wird unweigerlich zu Modifi­
zierungen der Leitlinien führen. Doch
wie am Ende die SPRINT­Ergebnisse
in konkrete Handlungsempfehlungen
für die antihypertensive Therapie
transformiert werden, ist derzeit un­
klar. Sicher ist, dass es keinen allen
Hypertonikern übergestülpten Univer­
sal­Blutdruckzielwert von 120 mmHg
systolisch geben wird. In SPRINT war
dieser Wert im Übrigen ein anzustre­
bendes Ziel, aber kein Qualitätskriteri­
um für die Therapie: Selbst im
Studienarm mit intensiver Blutdruck­
senkung wurden Werte unter 120
mmHg bei mehr als der Hälfte aller
Patienten nicht erreicht.
Bedeutung für die tägliche Praxis
Um die Bedeutung der Studie für die
tägliche Praxis ermessen zu können,
müssen vor allem zwei Fragen beant­
wortet werden:
In welchem Maß sind die Ergebnis­
se auf die große und sehr heterogene
Population der Menschen mit Blut­
hochdruck übertragbar?
Wie sicher ist eine intensivere Blut­
drucksenkung im normalen Praxisall­
tag umsetzbar, ohne dass ihr unter
streng kontrollierten Studienbedin­
gungen erzielter Nutzen durch eine
gleichzeitige Zunahme von klinischen
Komplikationen geschmälert oder
gar zunichtegemacht wird?
Den SPRINT­Einschlusskriterien
ist unschwer zu entnehmen, dass die
Studie auf Hypertoniker mit hohem
kardiovaskulärem Risiko fokussiert
war. Damit scheint die Zielgruppe für
eine intensivere Blutdrucksenkung klar
umrissen zu sein. Dennoch dürften
künftige Leitlinien­Komitees schon an
dieser Stelle ins Grübeln kommen.
Diabetiker, die einem beim Stichwort
Hochrisikopatient sofort einfallen, wa­
ren von der Studie ausgeschlossen.
Klar, die ACCORD­Studie, die bezüg­
lich der Blutdrucksenkung ähnlich an­
gelegt war wie SPRINT, hatte zuvor
bei hypertonen Diabetikern keinen
Vorteil einer intensiveren Blutdruck­
senkung nachweisen können. Doch
schon wird diskutiert, wie stichhaltig
die Daten dieser deutlich kleineren
Studie angesichts statistischer Limitie­
rungen für sich genommen eigentlich
sind und ob im Licht der SPRINT­
Daten nicht doch über eine Extrapola­
tion ihrer Ergebnisse auch auf Diabeti­
ker nachgedacht werden müsse.
Preis intensiverer Blutdrucksenkung
Die stärkere Senkung des Blutdrucks
hatte auch ihren Preis. Zum einen war
in SPRINT nicht überraschend eine
Zunahme unerwünschter Effekte wie
Hypotonien, Synkopen und Elektrolyt­
störungen zu verzeichnen – und das
bei einer im Vergleich zum normalen
Praxisalltag engmaschigeren Kontrolle
und Überwachung der Patienten. Ob
etwa die beobachtete Zunahme renaler
Komplikation wie akute Nierenschädi­
gung oder Nierenversagen langfristig
ungünstige Folgen hat oder nicht, lässt
sich aufgrund der relativ kurzen Dauer
der vorzeitig beendeten Studie nicht
beurteilen. Insgesamt überwog jedoch
der Nutzen der Behandlung.
Zum anderen hatten die Patienten
eine vermehrte „Last“ zu tragen: im
Schnitt drei Tabletten pro Tag allein
zur Blutdrucksenkung statt zwei wie
bei antihypertensiver Standardthera­
pie. Auch hier dürften die Studienbe­
dingungen für einen besonderen Grad
an Motivation zur Therapiebefolgung
gesorgt haben. Die Studienautoren be­
tonen zwar, dass es nur eines zusätzli­
chen Blutdrucksenkers bedurfte, um
die Mortalität deutlich zu verringern.
Doch am Ende ist es immer der Pati­
ent, der ihn auch täglich schlucken
muss. Da wird es in der Praxis künftig
noch stärker darauf ankommen, im
Gespräch mit dem Patienten heraus­
zufinden, ob Einsicht und Wille vor­
handen sind, ein noch komplexeres
Therapieregime zu schultern.
Auch ist zu bedenken, welche Sorg­
falt in SPRINT auf die Blutdruckmes­
sung verwendet wurde. Gemessen
wurde erst, nachdem die Patienten
fünf Minuten ruhig und entspannt ge­
sessen hatten, dann erfolgten drei
Messungen, aus denen der Durch­
schnittsblutdruckwert errechnet wurde
– und das alles automatisiert. In der
Hektik des normalen Praxisalltags
dürften die Messungen gewöhnlich
anders aussehen. Dann besteht jedoch
die Gefahr, dass die Höhe des Blut­
drucks überschätzt und therapeutisch
mehr als nötig unternommen wird.
Schließlich ist daran zu erinnern,
dass noch längst nicht alle SPRINT­
Ergebnisse – so etwa jene zum Einfluss
auf die kognitive Funktion im Allge­
meinen und bei älteren Patienten im
Besonderen – bekannt sind.
Es gibt also gute Gründe, nicht
gleich morgen den SPRINT­Ergebnis­
sen therapeutische Taten folgen zu las­
sen. Für den SPRINT in eine neue
Ära der Bluthochdrucktherapie sollte
man sich besser Zeit nehmen.
Die jüngst vorgestellte
SPRINT­Studie belegt eine
deutlich stärkere Reduktion
der Mortalität durch inten­
sivere Blutdrucksenkung
mit 120 mmHg systolisch
als Zielwert. Ist es an der
Zeit, die antihypertensive
Therapie umzukrempeln?
SPRINT in eine neue Ära der
antihypertensiven Therapie?
Von Peter Overbeck
Hypertonie: Die SPRINT­Studie setzt neue Maßstäbe.
© GETTY IMAGES /ISTOCKPHOTO
27%
um so viel sank
in der SPRINT­
Studie die Gesamtmortalität von
Patienten mit Hypertonie und
weiteren kardiovaskulären Risiko­
faktoren, bei denen ein systolischer
Wert von 121,4 mmHg erreicht
wurde.
Immer weniger Menschen weltweit er­
kranken und sterben an Malaria. Ein
Großteil der betroffenen Länder habe
die Zahl der Neuerkrankungen zwi­
schen 2000 und 2015 um mindestens
die Hälfte senken können, teilte die
Weltgesundheitsorganisation (WHO)
mit. 18 von 106 betroffenen Ländern
haben demnach die Zahl der Neu­
infektionen um mindestens 50 Prozent
gesenkt, in 57 Ländern waren es sogar
mindestens 75 Prozent. Für dieses
Jahr rechnet die WHO mit etwa 214
Millionen Neuinfektionen und unge­
fähr 438000 Todesfällen weltweit.
„Seit Beginn dieses Jahrhunderts
haben Investitionen in Malariavorsor­
ge und ­behandlung über sechs Millio­
nen Todesfälle verhindert“, erklärte
WHO­Generaldirektorin Margaret
Chan zur Vorstellung des neuen Welt­
Malaria­Reports. Demnach wurde das
Millenniumsziel erreicht, die Ausbrei­
tung von Malaria bis 2015 weltweit zu
stoppen und den Trend umzukehren.
Dabei waren vor allem effektive und
günstige Mittel erfolgreich: So seien in
den letzten 15 Jahren fast eine Milliar­
de mit Insektiziden behandelte Moski­
tonetze in Afrika südlich der Sahara
verteilt worden, hieß es.
In der Region Afrika registrierte die
WHO in diesem Jahr 88 Prozent aller
Neuinfektionen und 90 Prozent der
Todesfälle. In vielen stark betroffenen
Ländern erschweren schlechte Ge­
sundheitssysteme Fortschritte bei der
Malaria­Kontrolle.
Zudem gibt es neue Herausforde­
rungen bei der Bekämpfung von Mala­
ria. „In vielen Ländern wird der Fort­
schritt durch die schnelle Entwicklung
und Ausbreitung von Resistenzen bei
Moskitos gegen Insektizide gefährdet“,
erklärte Pedro Alonso, Direktor des
WHO­Weltmalariaprogramms. Auch
Resistenzen gegen Medikamente
könnten demnach die jüngsten Erfolge
gefährden.
(dpa)
Ein Großteil der von Malaria
betroffenen Länder konnte
die Zahl der Neuinfektionen
stark senken.
WHO: Kampf gegen Malaria erfolgreich
Lesetipp
Der „Lung clearance index“ (LCI)
ist die am häufigsten berichtete
Messgröße des Mehratemzug­Gas­
auswaschtests (MBW) und erfasst
als globaler Marker Verteilungsstö­
rungen der Ventilation. In den letz­
ten Jahren wurde gezeigt, dass sich
die LCI­Messung bei Kindern mit
zystischer Fibrose (CF) zur Frühdia­
gnostik und zum Monitoring einer
milden Lungenbeteiligung besser
eignet als die Spirometrie. Der LCI
wird bei CF­Patienten mit normalem
FEV1 als Outcomeparameter für kli­
nische Studien empfohlen. Der
Stellenwert der LCI­Messung bei
anderen Erkrankungen ist nicht ge­
sichert.
Es gibt Anhaltspunkte, dass der
LCI grundsätzlich zur Früherken­
nung und/oder zum Monitoring von
Erkrankungen der kleinen Atemwe­
ge geeignet ist. Dazu ist eine Kom­
bination des LCI mit zusätzlichen,
für die peripheren Atemwege spezi­
fischeren MBW­Indizes sinnvoll. Bei
fortgeschrittenen obstruktiven
Atemwegserkrankungen ist die LCI­
Messung in der klassischen Form
wenig praktikabel und hilfreich.
Husemann K et al. Lung clearance
index ­Messung und Anwendung.
Pneumologe 2015; 12: 490­499
Infektionen mit humanen Papillom­
viren (HPV) spielen in der Pathoge­
nese von Plattenepithelkarzinomen
des oberen Aerodigestivtrakts eine
wichtige Rolle. Dagegen sind das
Auftreten und die Bedeutung einer
HPV­Infektion für gutartige Papillo­
me weit umstrittener und unklarer.
Die vorliegende Studie belegt,
dass eine HPV­Infektion eine wichti­
ge Rolle für die Entstehung von Pa­
pillomen des oberen Aerodigestiv­
trakts spielt. Dabei besteht eine As­
soziation zwischen HPV­Infektion
und Rezidiven. Eine molekularmor­
phologische HPV­Analyse von Papil­
lomen kann somit wichtige prognos­
tische Hinweise geben.
Andratschke M et al. HPV­Infektion
in oralen, pharyngealen und
laryngealen Papillomen. HNO 2015;
63: 768­772
Eine frühe zielgerichtete hämodyna­
mische Stabilisierung kann im sep­
tischen Schock zu einer reduzierten
Letalität beitragen. Nach der viel zi­
tierten Studie von Rivers aus dem
Jahr 2001 wurden nun 2014 und
2015 drei große randomisierte Stu­
dien publiziert (ProCESS, ARISE,
ProMISe), welche die von Rivers et
al. postulierte „early goal­directed
therapy“ in der Notaufnahme infra­
ge stellen.
In der vorliegenden Übersichtsar­
beit werden diese drei Studien zur
Therapie der Sepsis in der Notauf­
nahme vorgestellt. Es wird disku­
tiert, welche Konsequenzen für die
klinische Praxis daraus abgeleitet
werden können.
Bernhard M et al. Frühe innerklini­
sche Sepsistherapie ­ Ist nach
ProMISe, ARISE und ProCess alles
anders? Notfall Rettungsmed 2015;
18: 595–605
HPV­Infektion in oralen,
pharyngealen und
laryngealen Papillomen
Lung cleareance index
Frühe innerklinische
Sepsistherapie
Medizin
BDI aktuell
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