BDI aktuell 01_2016 - page 2

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BDI aktuell
Januar 2016
Berufspolitik
Bundesgesundheitsminister Hermann
Gröhe ging es vor allem um eines: Er
wollte „Tempo machen“ in dem seit
rund 14 Jahren vor sich hin dümpeln­
den Projekt elektronische Gesundheits­
karte (eGK). In einem Fall ist ihm dies
bereits gelungen: Das Gesetz für sichere
digitale Kommunikation und Anwen­
dungen im Gesundheitswesen – kurz
E­Health­Gesetz – ist beschlossene Sa­
che. Am 2. Dezember hat der Bundes­
tag den Gesetzentwurf verabschiedet.
Allerdings mit umfangreichen Ände­
rungen aus der Feder der Koalitions­
parteien. Am 18. Dezember hat es auch
den Bundesrat passiert. Damit wird das
Gesetz wie geplant im Januar in Kraft
treten.
Koalition hat auf Kritik reagiert
Dabei hatte Gröhe erst im Januar die­
ses Jahres den ersten Entwurf vorge­
legt, der im Sommer das Bundeskabi­
nett passierte (wir berichteten in Aus­
gabe 7, Seite 8). Damals gab es laute
Kritik. Nicht nur wegen der Sanktio­
nen, die Gröhe Kassen, KBV und
auch niedergelassenen Ärzten aufdrü­
cken wollte, falls sie bestimmte Fris­
ten nicht einhalten. Auch, weil die Te­
lemedizin und die sektorübergreifende
Patientenakte, die eigentlichen Kern­
elemente einer digitalen Autobahn im
Gesundheitswesen, unzureichend bzw.
im Falle der Patientenakte gar nicht
im Gesetzestext vorkamen.
Diesen Fehler haben CDU/CSU
und SPD mit ihren Änderungsanträ­
gen tatsächlich behoben. Die Patien­
ten sollen nun stärker in die Telema­
tikinfrastruktur – so heißt die sichere
Datenautobahn fürs Gesundheitswe­
sen – eingebunden werden. Und auch
der modernen Technik in Form von
mobilen Geräten und Videosprech­
stunden soll ganz offiziell die Auffahrt
gewährt werden. Dabei wurden die
Fristen und Sanktionen für Kassen
und Ärzteschaft sogar ausgeweitet.
Die Kernelemente des Turbo­Geset­
zes:
Online­Anbindung:
Bis zum 30. Juni
2016 muss die Technik für den On­
line­Abgleich der Versichertenstamm­
daten durch die Arztpraxen und Klini­
ken stehen. Obwohl sich Hinweise er­
härten, dass die Industrie Schwierig­
keiten hat, einzelne technische Kom­
ponenten, wie Kartenlesegeräte und
Konnektoren, rechtzeitig auszuliefern.
Zumindest in der Form, wie es das
Bundesamt für Sicherheit in der Infor­
mationstechnologie (BSI) vorgibt. Der
Konnektor aber stellt die Zugangs­
pforte zur Telematikinfrastruktur (TI)
dar und hat die Aufgabe, die Daten,
die über die TI verschickt und abgeru­
fen werden, zu ver­ und entschlüsseln.
Dennoch, so das Bundesgesundheits­
ministerium, könne der bundesweite
Rollout der Telematikinfrastruktur da­
mit ab Juli 2016 schrittweise starten.
Problematisch ist allerdings, dass
Kassen und KBV Haushaltskürzungen
um ein Prozent drohen, wenn die Frist
nicht eingehalten wird. Ab Juli 2018
gilt dann für Vertragsärzte die Pflicht
zum Online­Abgleich der Versicher­
tenstammdaten. Verweigern sie sich,
wird ihnen ebenfalls ihr Honorar pau­
schal um ein Prozent gekürzt – solan­
ge, bis sie sich einsichtig zeigen.
Medikationsplan:
Ab Oktober 2016
haben Patienten, die mindestens drei
Arzneimittel verordnet bekommen,
Anspruch auf einen Medikationsplan.
Dieser ist vom betreuenden Arzt zu er­
stellen, Apotheker wirken jedoch auf
Wunsch des Patienten bei der Aktuali­
sierung mit. Ab 2019 muss der Medi­
kationsplan dann mithilfe der elektro­
nischen Gesundheitskarte (eGK) tat­
sächlich digital gespeichert werden.
Die Technik dafür soll allerdings
schon Ende 2017 stehen. Gelingt dies
nicht, drohen Kassen und KBV erneut
Haushaltskürzungen.
E­Patientenakte:
Bis Ende 2018
muss die gematik, die Betreibergesell­
schaft der Datenautobahn, die erfor­
derlichen Voraussetzungen geschaffen
haben, damit die Daten des Patienten
in einer sektorübergreifend funktions­
fähigen elektronischen Patientenakte
(E­Patientenakte) bereitgestellt wer­
den können. Ab 2019 soll die E­Pati­
entenakte dann funktionieren. Auch
hier sind die Fristen an mögliche
Haushaltskürzungen gekoppelt.
Der Patient kann zudem bei Ärzten
und anderen Leistungserbringern ein­
fordern, dass diese ihm seine Daten
zur Verfügung stellen.
Außerdem hat die gematik bis 31.
Dezember 2018 Maßnahmen durch­
zuführen, damit auch der Patient
selbst ermittelte Gesundheitsdaten in
die Telematikinfrastruktur einspielen
kann. Damit läuft es auf ein gesonder­
tes Patientenfach hinaus, das im Ge­
setzestext jedoch nicht explizit genannt
wird.
Förderung der Telemedizin:
Neben
der telemedizinischen Befundbeurtei­
lung von Röntgenbildern, soll es nach
Einfließen der Änderungsanträge in
den Gesetzestext nun auch eine
EBM­Ziffer für Videosprechstunden
geben. Für erstere ab April 2017, für
die Videosprechstunde ab Juli 2017.
E­Arztbrief:
Der elektronische Arzt­
brief soll zum Standard werden, damit
Daten schneller bei den einzelnen Be­
handlern sind. Bis 2017 muss es daher
möglich sein, die Briefe mit einer soge­
nannten qualifizierten elektronischen
Signatur (QES) rechtssicher digital zu
signieren. Im Jahr 2017 wird der elek­
tronische Versand zudem mit 55 Cent
je Brief gefördert.
Mobile Health:
Bis Ende 2016 muss
die gematik prüfen, inwieweit mobile
und stationäre Endgeräte der Versi­
cherten in die Kommunikation auf der
Gesundheitsdaten­Autobahn einge­
bunden werden können. Spätestens im
März 2017 will das BMG einen ent­
sprechenden Bericht vorliegen haben.
Die sektorübergreifende
elektronische Patientenakte
wird künftig eine Pflichtan­
wendung für Praxen und
Kliniken. Dafür sorgt das
E­Health­Gesetz, das im
Januar in Kraft tritt. Das
Gesetz hat aber noch weitere
Überraschungen parat.
Gesetzgeber verordnet Ärzten die E­Akte
SCHWERPUNKT
Von Rebekka Höhl
Der Gesetzgeber will, dass sich die Telematikinfrastruktur auch den Patienten stärker öffnet.
© VEGE / FOTOLIA.COM
1%
um diesen Satz
werden GKV­
Spitzenverband und KBV die Haus­
halte in 2017 gekürzt, wenn die
ersten Online­Anwendungen der
elektronischen Gesundheitskarte
nicht rechtzeitig an den Start ge­
hen. Genauer wird der Haushalt auf
Basis der Ausgaben des Jahres
2014 abzüglich einem Prozent ein­
gefroren. Gleiches gilt für das Jahr
2018, wenn es zu Verzögerungen
bei der elektronischen Patientenak­
te kommt.
ie Dauerbaustelle GOÄ wird uns im neu­
en Jahr weiterhin beschäftigen. Jeden Tag
gibt es neue Nachrichten, die Entwicklung
verläuft desaströs. Eines ist gewiss: Die Bundes­
ärztekammer hat die Verhandlungen mit der pri­
vaten Krankenversicherung und der Beihilfe
nicht sehr professionell betrieben. Es geht dabei
nicht um Bewertungen, sondern nur um den Pa­
ragrafenteil. Die Diskussion darüber schlägt al­
lerhöchste Wellen, denn damit wird ein Paradig­
menwechsel eingeführt, wie wir ihn noch nie zu­
vor hatten.
Der Berufsverband Deutscher Internisten hat
einen außerordentlichen Deutschen Ärztetag mit
dem einzigen Thema GOÄ verlangt, um Klarheit
zu bekommen. Die Bundesärztekammer hat auf
D
die Forderung mit einer Informationsveranstal­
tung für die Berufsverbände reagiert, die aller­
dings nicht zur Beruhigung beigetragen hat. Wir
sind deshalb beharrlich bei unserer Forderung
nach einem außerordentlichen Ärztetag geblie­
ben, weil wir der Meinung sind, dass die Bundes­
ärztekammer kein Mandat hat,
diesen neuen Paragrafenteil so
zu beschließen. Nachdem auch
drei Landesärztekammern einen
außerordentlichen Ärztetag ge­
fordert haben, hat die BÄK nun
für den 23. Januar tatsächlich ei­
nen Sonderärztetag angesetzt.
Mich persönlich ärgert, wie
man in dieser Diskussion für dumm verkauft
wird. Die GOÄ war immer nur für die Abrech­
nung zwischen Arzt und Patient zuständig, die
Krankenversicherung hatte dabei nichts mitzure­
den. Nach den Plänen von Bundesgesundheits­
minister Hermann Gröhe aber sitzt sie nicht nur
mit im Boot, sondern PKV und Beihilfe gestalten
die GOÄ auch in Zukunft mit.
Wir haben vor eineinhalb Jahren schon mah­
nend den Finger erhoben, als uns der „Letter of
intent“ der BÄK zur GOÄ­Novellierung bekannt
wurde. Wir warnten vor dem Paradigmenwech­
sel, der sich darin abzeichnete. Es hat nichts ge­
fruchtet. Jetzt ist der Paragrafenteil beschlossen
worden und wird im Bundesgesundheitsministe­
rium bearbeitet. Er entspricht genau dem „Letter
of intent“.
Die GOÄ ist die Gebührenordnung eines frei­
en Berufs, ähnlich wie bei Anwälten, Architekten
oder Steuerberatern. Sie gilt nicht nur für die
privatärztliche Behandlung, sondern auch für an­
dere Abrechnungen, etwa für Gutachten etc. Sie
muss unbedingt flexibel gehalten werden. Sie ist
kein Leistungskatalog wie der EBM. Zweifellos
gehören die Bewertungen schon seit langem
überarbeitet und auch die Anzahl der Analogzif­
fern ist bei weitem zu groß. Das müsste geändert
werden, nicht aber der Paragrafenteil.
Die PKV will den Paragrafenteil ändern, um
so zu einer Begrenzung ihrer Kosten zu kom­
men. Deshalb wird ein Institut gegründet, das
die Kosten berechnet und den Anstieg überprüft.
Wenn es nach drei Jahren feststellt, dass der An­
stieg zu hoch war, sollen die Bewertungen ge­
senkt werden. Analogziffern sind zwar weiterhin
erlaubt, aber nur für Leistungen, die nach dem
Inkrafttreten der GOÄ auf den Markt kommen.
Wir haben also einen abgeschlossenen Leistungs­
katalog. In dem Konstrukt der GeKo, die das
Ganze kontrollieren soll, finden wir die Regulie­
rungsregelungen der gesetzlichen Krankenversi­
cherung wieder. Die Politik ist zweifellos auf dem
Weg in Richtung Bürgerversicherung.
Ich befürchte, wir werden daran wenig ändern
können. In dieser verfahrenen Situation kann ich
nur sagen: Die derzeitige GOÄ ist immer besser
als jede, die jetzt geplant ist oder vom BMG dik­
tiert wird.
Ihr
Wolfgang Wesiack
GOÄ bleibt auch 2016 eine Dauerbaustelle
EDITORIAL
Von Dr. Wolfgang Wesiack
Präsident des BDI
Die PKV will den Paragrafenteil
ändern, um so zu einer Begren­
zung ihrer Kosten zu kommen.
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