Ein Zurück gibt es nicht: Der Gesetz
geber hat im Krankenhausstrukturge
setz festgeschrieben, dass Kliniken an
hand von Qualitätskriterien und zielen
Zuoder Abschläge für gute bzw.
schlechte Qualität erhalten sollen. Und
dass sie gegebenenfalls auch aus der
Krankenhausplanung herausfallen kön
nen. Die passenden Qualitätsindikato
ren dafür soll das neu ins Leben geru
fene Institut für Qualität und Transpa
renz im Gesundheitswesen (IQTiG)
liefern die Vorgaben hierfür kommen
wiederum vom Gemeinsamen Bundes
ausschuss (GBA). Das IQTiG scharrt
auch bereits mit den Hufen: Bis Ende
April 2016 wolle er erste für die Kran
kenhausplanung relevante Qualitätsin
dikatoren vorlegen, kündigte IQTiG
Leiter Dr. Christof Veit auf dem 9. Na
tionalen Qualitätskongress Anfang De
zember in Berlin an. Nach der Bera
tung und einem Beschluss des GBA se
he der Zeitplan vor, den Einsatz dieser
Indikatoren bereits 2017 „in die Routi
ne gehen zu lassen“.
Dabei zeigte nur wenige Tage zuvor
ein BDISymposium während des 38.
Deutschen Krankenhaustages in Düs
seldorf, wie weit unser Gesundheits
system noch von validen Indikatoren
für die Messung medizinischer Quali
tät entfernt ist (wir berichteten kurz in
Ausgabe 12/2015). Denn wenn ge
messen wird, lässt sich derzeit nur die
Struktur oder Ergebnisqualität abbil
den. Die Indikationsqualität kommt
hingegen kaum vor.
Versorgungsziele fallen unter den Tisch
So machte PrivatDozent Dr. Michael
A. Weber von der Arbeitsgemeinschaft
Leitende Kardiologische Kranken
hausärzte (ALKK) deutlich, dass
Qualitätsindikatoren nicht allein auf
Zahlen und Bewertungen beruhen.
dürften. Er vermisse Systeme wie Peer
Review oder Zertifizierungen, die ge
nauso begleitend notwendig seien, wie
eine Risikoadjustierung. Es müsse ver
mieden werden, dass aus Kostengrün
den wegen einer niedrigen Komplika
tionsrate als Maßstab im Qualitätsin
dikator nur noch leichter Kranke im
Krankenhaus behandelt werden, sagte
er. Auch dürfe die persönliche und in
dividuelle Entscheidung des Arztes
nicht unter die Räder kommen.
BDIVizepräsident Dr. HansFried
rich Spies wies ebenfalls darauf hin,
dass neben einer validen Datenerhe
bung definierte Versorgungsziele nötig
seien.
Ein in der öffentlichen Diskussion
oft vernachlässigtes Problemfeld ist
zudem die Vergleichbarkeit von ambu
lanten und stationären Daten.
Schließlich gibt es immer mehr
Grenzbereiche der Versorgung. Für
den ambulanten Bereich hat die KBV
hier eine eigene Qualitätssystematik
entwickelt. Aber auch diese bilde
meist die Struktur oder Ergebnisqua
lität ab, berichtete Dr. Susanne
Kleudgen von der KBV. Dabei ließen
sich die Daten aufgrund der unter
schiedlichen Rechts und Versor
gungssystematik nicht ohne Weiteres
mit den stationären Daten abgleichen.
Je nach Versorgungsbereich seien da
her unterschiedliche Indikatoren not
wendig. Gleiche Voraussetzungen
kann es laut Kleudgen allerdings bei
den ambulanten Operationen und in
der ambulanten spezialfachärztlichen
Versorgung (ASV) geben.
Trotz aller Probleme kommt Druck
von der Kassenseite: Jürgen Malzahn,
zuständig für die stationäre Versorgung
beim Bundesverband der AOK, forder
te eine konsequente Umsetzung der
Qualitätsindikatoren. Diese müssten
schnell definiert und eingeführt wer
den. Die bekannten Versorgungsdaten
reichten dazu schon jetzt aus, sagte er.
Malzahn sieht Qualitätsindikatoren da
bei nicht nur im Rahmen der Kranken
haushonorierung, sondern tatsächlich
als ordnungspolitisches Instrument der
Krankenhausplanung.
Rechtssicherheit angemahnt
Gegenwind erhielt er allerdings nicht
nur von Ärzteseite. Professor Susanne
Schwalen von der Landesärztekammer
Nordrhein mahnte, dass das Verhältnis
von Machbarkeit, Sinnhaftigkeit und
Angemessenheit bei der Einführung
von Qualitätsindikatoren zu beachten
ist. Sie warnte vor voreiligen Lösungen,
die nicht abgesichert sind. Dies gelte
vor allem, wenn Auswirkungen auf die
Krankenhausplanung und Finanzie
rung umgesetzt werden sollen.
Für das unparteiische Mitglied im
GBA, Dr. Regina KlakowFranck, ist
vor allem zu klären, wie rechtssicher
solche Indikatoren sein können. Ihrer
Meinung nach müssen dafür fünf Kri
terien erfüllt sein: Validität, Verlässlich
keit, Verhältnismäßigkeit, Verbindlich
keit und Zuschreibbarkeit. Es sei
schwierig, mit den derzeit verfügbaren
Daten diese Ziele zu erreichen, sagte
sie. Schwierig sei zudem die Zuord
nung zu einzelnen Leistungserbringern.
Sie wies auf einen weiteren Knackpunkt
hin: Der GBA erstellt nur die Vorgaben
für die Qualitätsmessung, die Umset
zung ist Ländersache. KlakowFranck
sieht beim Thema Rechtssicherheit
aber nicht nur den GBA in der Pflicht.
Dies sei ebenso Sache des Gesetzge
bers, der eventuell wie bei der Mindest
mengenregelung gesetzliche Vorgaben
nachjustieren müsse.
(HFS/reh)
Getrieben von einer Ver
knappung der Ressourcen,
will der Gesetzgeber über
Qualitätsindikatoren die
Vergütung im stationären
Bereich – aber auch die
Klinikplanung – regulieren.
Möglichst ohne Qualitäts
verluste in der Versorgung
hervorzurufen. Kann diese
Rechnung aufgehen?
Klinikqualität: Das Messwerkzeug
macht noch Probleme
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
Um so entschei
dender ist es aus
politischer Sicht,
dass wir jetzt in den
Prozess hin zu
dieser qualitäts
orientierten Kran
kenhausplanung
auch mit ersten
Festlegungen
einsteigen.
Annette WidmannMauz (CDU)
Gesundheitsstaatssekretärin bei
der Eröffnung des 9. Nationalen
Qualitätskongresses in Berlin
Der perfekt gefüllte Werkzeugkasten:
Bei der Qualitätsmessung in Kliniken ist
es noch ein weiter Weg dorthin.
© THOMAS SÖLLNER / FOTOLIA.COM
Die Krankenkassen fordern im neuen
EBM bei technischen Leistungen eine
Fixkostenregelung. Sie wollen den
technischen Anteil der Leistungen nur
bis zu der Fallzahl bezahlen, nach der
die Fixkosten nach der Kalkulation
insgesamt kostendeckend vergütet
sind. In diesen Kosten sind nicht nur
die Investition, sondern auch die Pra
xiskosten (z.B. das Personal) enthal
ten. Offensichtlich beabsichtigen die
Kassen, letztlich nur noch die ärztliche
Leistung zu vergüten. Gewinne aus
dem „Unternehmen Praxis“, die darü
ber hinaus gehen, sind unerwünscht.
Man hat den Eindruck, dass die
Kassen diesen Vorschlag nicht bis zum
Ende durchdacht haben. Der EBM ist
keine Gebührenordnung, sondern ein
Leistungsverzeichnis mit Bewertun
gen, die sich über Punktwerte definie
ren. Wichtigste Voraussetzung für eine
Fixkostenregelung wäre damit eine
Vergütung in Euro und Cent. Von
Punktwerten kann man weder das Per
sonal noch die Investitionen bezahlen.
Offen scheint auch die Frage zu
sein, an welcher Struktur die Fixkos
tenregelung festgemacht wird. Orien
tiert man sich an der Praxis oder an
dem angeschafften Gerät? Wenn man
die Fixkostenregelung auf die Praxis
bezieht, kann man die Folge einer sol
chen leistungsfeindlichen Regelung
schon absehen: Gemeinsame ärztliche
Strukturen sind bei einer solchen Re
gelung Gift für die Wirtschaftlichkeit,
Gemeinschaftspraxen dürften sich des
halb in Einzelpraxen umwandeln. Ist
dies die Absicht der Kassen?
(HFS)
Die EBMReform könnte
noch spannend werden:
Die Kassen wollen nämlich
ihre Fixkostenregelung ins
Gebührenwerk drücken.
EBM: Kassen wollen Obergrenze für Kosten
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
2017
soll die Weiterentwicklung
des
EBM beendet sein, genauer sollen
Ärzte ab Juli nach dem reformierten
Werk abrechnen können. Darauf
haben sich KBV und GKVSpitzen
verband erst im Oktober geeinigt.
Die Deutsche Krankenhausgesell
schaft (DKG) hat es gemerkt, wenn
auch mit einiger Verzögerung. Die
geplante Reform der Gebührenord
nung der Ärzte (GOÄ) betrifft – zu
mindest indirekt – ebenso die Kran
kenhäuser. Angeblich sind von ei
ner solchen Novellierung drei Milli
arden Euro der Krankenhausfinan
zierung betroffen, die nicht mehr
zur Verfügung stehen. Da muss
man schon mitreden, auch wenn
die ärztliche Rechnungstellung
nicht Sache des Krankenhauses,
sondern der Klinikärzte selbst ist.
Diese haben zwar meist großzü
gig auf eine eigene Liquidation im
stationären Bereich zugunsten des
Krankenhauses verzichtet. Der Ver
gütungsanspruch entsteht aber den
noch durch eine ArztPatienten
Vereinbarung, die der ärztlichen
Berufsordnung unterliegt. Diese gilt
eben nicht für Krankenhäuser oder
für Verwaltungsdirektoren.
Steilvorlage für die DKG
Die von der Bundesärztekammer
mit der privaten Krankenversiche
rung und der Beihilfe vereinbarte
gemeinsame Kommission zur Wei
terentwicklung der Gebührenord
nung (GeKo) ist für die Argumen
tation der Deutschen Krankenhaus
gesellschaft eine Steilvorlage. Weil
sie finanziell betroffen ist, will sie an
dieser Kommission beteiligt wer
den. Sie hat erkannt, was von der
Bundesärztekammer vehement be
stritten wird. Es handelt sich bei
der neuen Lösung um eine typische
Selbstverwaltungsregelung, die in
Deutschland klassisch zwischen
Leistungserbringern, Kostenträgern
und eben auch Krankenhäusern
eingerichtet wird.
Damit würden nicht nur die pri
vate Krankenversicherung und die
Beihilfe in das freiberuflich orien
tierte Verhältnis von Arzt und Pati
ent hineinregieren, sondern auch
noch die Krankenhäuser. Die Frei
beruflichkeit der Ärzte würde da
durch noch mehr eingeschränkt.
Wenn ein deutscher Ärztetag noch
Sinn für die Freiberuflichkeit hat,
müssen spätestens nach der Forde
rung der Deutschen Krankenhaus
gesellschaft die Alarmglocken läu
ten.
Wie entscheidet die Politik?
Ab jetzt wird es auch für die Politik
nicht leichter. Merkte sie vor der
Unterzeichnung der Novellierung
der GOÄ schon erheblichen Ge
genwind gegen den Paragrafenteil
vonseiten der Ärzte, so kommt jetzt
auch noch ein ordnungspolitisches
Problem hinzu. Stimmt sie dem
Ansinnen der Deutschen Kranken
hausgesellschaft zu, so wird es dem
Vorstand der Bundesärztekammer
noch schwerer, eine Zustimmung
zur Novellierung des Paragrafen
teils auf dem Ärztetag zu erhalten.
Man gewinnt den Eindruck:
Hier haben sich einige Akteure völ
lig verheddert. Sinnvoll ist deshalb
der Rückzug. Den Paragrafenteil
darf man nicht verändern. Er muss
so bleiben, wie er ist. Eine Reform
der GOÄ hat sich auf die Legenden
und die Bewertungen zu beschrän
ken. Diese müssen dem heutigen
Stand der Medizin angepasst wer
den. Eine solche GOÄReform wä
re ausreichend.
SIEHE SEITEN 8, 9
Trittbrettfahrer
Krankenhaus
DER CHEFREDAKTEUR MEINT
Schreiben Sie dem Autor unter:
berufspolitik@bdiaktuell.de
Von Dr. HansFriedrich
Spies
4
Januar 2016
BDI aktuell
Berufspolitik