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| Recht

Stell dich nicht so an!

Das Bundesozialgericht BSG hat mit dem vorliegenden Urteil vom 26.01.2022 (Az.: B 6 KA 2/21 R) ausgeschlossen, dass Vertragsärzte sich in ihrem MVZ anstellen lassen können, wenn sie über ihre Gesellschafterposition eine derart beherrschende Stellung besitzen, dass sie arbeitsrechtlich nicht mehr als weisungsgebunden und somit als „abhängig beschäftigt“ angesehen werden können. Eine Anstellungsgenehmigung durch den Zulassungsausschuss kann auch unter der Voraussetzung, dass ein Vertragsarzt in einem gesperrten Planungsbereich auf seine Zulassung verzichtet, um in "seinem" MVZ tätig zu werden, nur erteilt werden, wenn der betreffende Arzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in dem MVZ anstrebt.

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Sachverhalt: Ein MVZ, das in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts geführt wurde, beantragte beim Zulassungsausschuss (ZA) der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung die Genehmigung, ihre beiden als Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Gesellschafter in dem MVZ als Ärzte anzustellen. 2017 hatte der zuständige Zulassungsausschuss (ZA) das MVZ der Klägerin mit den beiden darin tätigen Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und die Anstellung einer weiteren Fachärztin für Innere Medizin genehmigt. Der nunmehr gestellten Antrag, dem MVZ auch für die beiden Gesellschafter, die insofern aufschiebend bedingt auf ihre Zulassung verzichtet hatten, Anstellungsgenehmigungen zu erteilen, lehnte der ZA dagegen mit der Begründung ab, dass eine Anstellung im MVZ nicht mit der Funktion eines Gesellschafters vereinbar sei. 

Die Gesellschafter sind als Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Nephrologie jeweils mit einem vollen Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Versorgung in einem Planungsbereich zugelassen, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind. Beide sind jeweils zur Hälfte am Vermögen und am Ergebnis (Gewinn bzw Verlust) des MVZ beteiligt. Die Geschäftsführung und rechtsgeschäftliche Vertretung der Gesellschaft nach außen erfolgt gemeinsam, zur Erledigung laufender Geschäfte ist jeder alleine geschäftsführungs- und vertretungsbefugt. Der Gesellschaftsvertrag sieht weiterhin vor, dass Beschlüsse der Gesellschaft für ihre Wirksamkeit der Einstimmigkeit bedürfen. Einer der beiden Gesellschafter ist zugleich ärztlicher Leiter des MVZ.

Jeder der beiden Gesellschafter hat zudem mit dem MVZ einen Anstellungsvertrag über eine Beschäftigung als Facharzt für Innere Medizin/Nephrologie im Umfang von 40 Wochenstunden bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von Montag bis Samstag und einer festen monatlichen Vergütung geschlossen. Vereinbart ist eine Entgeltfortzahlung für die Dauer von zwölf Wochen pro Jahr sowie ein Jahresurlaub von sechs Wochen. Eine Kündigung der Anstellung kann nur unter den Voraussetzungen, die auch einen Ausschluss als Gesellschafter rechtfertigen, erfolgen. Das Anstellungsverhältnis endet, wenn der Arzt als Gesellschafter aus dem MVZ ausscheidet.

Entscheidung: Das BSG hat mit seiner Entscheidung vom 26.01.2022 (Az.: B 6 KA 2/21 R) klargestellt, dass ein geschäftsführender Gesellschafter nicht als angestellter Arzt in seinem MVZ tätig sein kann. Anstellung in diesem Sinne meint die Eingehung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, welches identisch sei mit einem Arbeitsverhältnis. Ein abhängig beschäftigter Arzt könne nicht gleichzeitig die in diesem Rahmen geleistete Tätigkeit als Vertragsarzt erbringen.

Laut dem Gesellschaftsvertrag erfolgen in dem vorliegenden Fall Geschäftsführung und rechtsgeschäftliche Vertretung der Klägerin nach außen gemeinsam durch die beiden Gesellschafter, die lediglich zur Erledigung laufender Geschäfte allein geschäftsführungs- und vertretungsbefugt sind. Jeder der beiden Gesellschafter konnte unliebsame Beschlüsse der Gesellschaft ihm gegenüber verhindern.

Dass einer von beiden zum ärztlichen Leiter bestellt worden ist, ändert hieran nach Auffassung des BSG nichts. Eine Weisungsgebundenheit der beiden Nephrologen, außerhalb rein medizinisch fachlicher Fragestellungen, wie sie für eine Anstellung aber erforderlich ist, bestehe nicht. Beide Gesellschafter sind zu gleichen Teilen an Gewinn und Verlust der Klägerin beteiligt.

Nach Auffassung des BSG stellt sich die Tätigkeit nicht als eigenständige arbeitsvertraglich vereinbarte Verpflichtung dar. Das Anstellungsverhältnis endet, wenn der Arzt als Gesellschafter aus dem MVZ ausscheidet. Derartige Regelungen sind für Arbeitsverträge unüblich und spiegeln letztlich die gesellschaftsvertragliche Position der beiden Gesellschafter wider. Damit – so das BSG -  bestehen keine Zweifel, dass die beiden geschäftsführenden Gesellschafter- sowohl über ihre Bestellung als Geschäftsführer als auch aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafter des MVZ einen bestimmenden Einfluss auf den Betrieb des MVZ haben und damit "in freier Praxis" tätig sind.

Fazit: Die Entscheidung des BSG stellt klar, dass ein MVZ keinen Anspruch auf eine Genehmigung der Anstellung von Ärzten hat, die zugleich Geschäftsführer und jeweils zur Hälfte am Vermögen und am Gewinn des MVZ  beteiligt sind. Der Ablehnung einer Anstellungsgenehmigung könnte möglicherweise mit einem Vertrag, der die Geschäftsführung nicht angestellten Ärzten überträgt, entgegengewirkt werden. So könnte das MVZ beispielsweise einen ärztlichen Direktor mit einer solchen Aufgabe betrauen oder die Geschäftsführungsbefugnis von Gesellschafter-Ärzten in bestimmten Bereichen vertraglich beschränken. Damit wäre ein bestimmender Einfluss auf den Betrieb eines MVZ, wie ihn das BSG moniert hat, durch Ärzte als Gesellschafter nicht mehr möglich.

Es bleibt abzuwarten, wie die Zulassungsausschüsse im Einzelfall mit dem Urteil umgehen.