Er scheiterte mit seiner Klage gegen eine Honorarrückforderung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) vor dem Sozialgericht (SG) München (Urteil vom 16.03.2022, Az. S 38 KA 300/19, Urteil ist noch nicht rechtskräftig).
SG München erkennt Verstoß gegen das Vertragsarztrecht
Die KVB hatte im Jahr 2016 ein Plausibilitätsprüfungsverfahren eingeleitet. Auch die den Chefarzt beschäftigende Klinik hatte Hinweise auf mögliche Verstöße gegen das Vertragsarztrecht gegeben. Da die Plausibilitätsprüfung diese Hinweise bestätigte, forderte die KVB im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung 85.586,73 Euro Honorar zurück. Das SG München wies die gegen den Bescheid gerichtete Klage des Chefarztes ab. Das Gericht war überzeugt, dass der Kläger gegen den Grundsatz der Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verstoßen habe. Insofern sei die Honorarrückforderung nicht zu beanstanden.
Argumente für einen Verstoß gegen das Gebot der persönlichen Leistungserbringung:
- Der persönlich ermächtigte Chefarzt war bei vielen Patientenbehandlungen nicht oder nur unterstützend anwesend; betroffen war insbesondere die Behandlung bereits bekannter Patienten mit normalem Krankheitsverlauf, bei denen eine routinemäßige Kontrolle erforderlich war.
- Die Oberärzte sagten aus, dass der Kläger nur bei Erstuntersuchungen grundsätzlich ‒ aber nicht immer persönlich ‒ anwesend war. Die Folgeuntersuchungen seien routinemäßig durch andere Klinikärzte erfolgt.
- Die ausgestellten Rezepte waren nicht vom ermächtigten Arzt unterzeichnet.
Die Durchsicht der Patientenunterlagen in einzelnen Behandlungsfällen ergab eine Vielzahl von Arzt-Patienten-Kontakten, ohne dass Leistungen dem ermächtigten Arzt hätten zugeordnet werden können.
Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung
Das SG München lässt keinen Zweifel daran, dass die vertragsärztliche Tätigkeit persönlich auszuüben ist. Dies folgt zum einen aus der gesetzlichen Regelung der Zulassungsordnung für Ärzte (§ 32a Ärzte-ZV) und aus dem Bundesmantelvertrag-Ärzte (§ 15 BMV-Ä), zum anderen aus den Ermächtigungsbescheiden der Zulassungsgremien. Die Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung im Vertragsarztrecht sind bei ermächtigten Ärzten sogar noch strenger als bei in eigener Praxis niedergelassenen Vertragsärzten.
Im Urteil heißt es:
„Während bei einem Vertragsarzt auch als persönliche Leistungen solche Leistungen gelten, die auch genehmigte Assistenten und Angestellte Ärzte gemäß § 32b Ärzte-ZV erbringen (§ 15 Abs. 1 BMV-Ä), besteht diese Möglichkeit für ermächtigte Krankenhausärzte nicht. Für den ermächtigten Krankenhausarzt ist es gesetzlich nicht vorgesehen, weitere Ärzte, auf die er qua seiner stationären Funktion und Stellung eventuell Zugriff hat, zur Erbringung ambulanter Leistungen, die zu seinem Ermächtigungsumfang gehören, hinzuzuziehen. Deren Tätigkeit ist ihm als ermächtigten Krankenhausarzt nicht zuzurechnen. Die mögliche Leistungserbringung im Rahmen des Ermächtigungsumfangs reduziert sich bei einem ermächtigten Arzt auf seine persönliche und eigene Leistungserbringung.“
Die Möglichkeit der Delegation ist nicht nur nicht vorgesehen, auch die Vertretung ist gesetzlich auf Fälle der Abwesenheit bei Urlaub, Fortbildung, Krankheit und Wehrübung gemäß § 32a Ärzte-ZV und einen Umfang von 3 Monaten innerhalb von 12 Monaten (nicht Kalenderjahr) beschränkt.
Verstöße gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung gelten regelmäßig auch als vom Arzt schuldhaft, also mit Wissen und Wollen, begangen. Denn er werde im Rahmen des Ermächtigungsbeschlusses auf den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung hingewiesen und garantiere mit den von ihm quartalsweise abgegebenen Sammelerklärungen die sachlich-rechnerische Richtigkeit seiner Abrechnungen, so das SG München.
Der Umfang der Rückforderung erstreckte sich zunächst auf sämtliche Honorare der geprüften Quartale 1/2010 bis 2/2013. Aufgrund des Systems der Abrechnung, das in weitem Maße auf dem Vertrauen beruht, der Arzt habe die abgerechneten Leistungen korrekt erbracht, ist die Abrechnungssammelerklärung bereits dann unrichtig, wenn auch nur eine der abgerechneten Leistungen nicht korrekt erbracht worden ist, weil sie ihre Garantiewirkung nicht mehr erfüllt ist.
Entfällt die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung und fehlt damit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruchs des Arztes, ist der auf der Honorarabrechnung des Vertragsarztes beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Aufgrund der Beweislastverteilung ist es nunmehr am Arzt, darzulegen und zu beweisen, dass er die einzelnen zur Abrechnung gebrachten Leistungen ordnungsgemäß, also insbesondere persönlich, erbracht hat.