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| Meinung

Gesundheitspolitik als gesellschaftliche Herausforderung

Es ist wie mit dem Tod: jeder weiß, dass er kommt, aber die Unberechenbarkeit macht den Umgang mit diesem Gesellen schwierig. So ging es auch der Ampel-Koalition Ende letzten Jahres. Die Sollbruchstelle wurde zusehends größer, jeder ahnte die Katastrophe und wollte es dennoch verdrängen. Bis zum nächsten regulären Termin der Bundestagswahlen im September 2025 würde man es irgendwie hinbekommen, das Haushaltsloch im einstelligen Milliardenbereich sollte kein unüberwindbares Hindernis sein. Aber es kam bekanntlich anders, Anfang Dezember 2024 war das Ende des Drei-Parteienbündnisses besiegelt. Durch eifriges Geschacher hinter den Kulissen gelang es im letzten Augenblick, das Krankenhausreformgesetz (KHVVG) durch den Bundesrat zu bugsieren, dann war Schluss. Viele Gesetzesvorhaben blieben auf der Strecke.

Ernüchternde Bilanz 

Der Rückblick auf die Bilanz der zerbrochenen Ampel-Koalition fällt ernüchternd aus. Unisono beklagen die Akteure des Gesundheitswesens, dass zwar viele Visionen und Projekte auf den Tisch kamen, aber wenig Konkretes und Nachhaltiges davon umgesetzt wurde. Noch im Sommer 2024 sprach Karl Lauterbach von über 20 Gesetzesvorhaben, die in seinen Schubladen liegen – das Einzige davon, was in Erinnerung bleibt, war die kontrollierte Freigabe von Cannabis. Die Kritik aus Ärzteschaft und Fachkreisen verhallte im leeren Raum und drang nicht an die Ohren des Ministers. Überhaupt scheint der Umgang mit Lauterbach nicht nur aus der Ferne betrachtet schwierig gewesen zu sein. Hatte man als berufspolitisch engagierter Arzt oder Ärztin den Eindruck, mit seinen Sorgen und Nöten auf wenig bis null Resonanz zu stoßen, ging es den Mitgliedern im Gesundheitsausschuss des Bundestages ähnlich. Die Vertreterin der Fraktion DIE LINKE, Kathrin Vogler, bringt es in einem änd-Interview auf den Punkt: bei den Ausschuss-Sitzungen hatte der Minister oft keine Zeit, hielt Vorträge, ohne die Abgeordneten damit wirklich zu informieren und schaffte so eine Atmosphäre, die ein vertrauensvolles Arbeitsverhältnis unmöglich machte. Jeder, der Karl Lauterbach persönlich erlebt hat, kann diese Einschätzung gut nachvollziehen. 

Forderungen der Internistinnen und Internisten 

Wird in Zukunft alles besser? Sind neue gesundheitspolitische Ideen am Horizont erkennbar, die die Vorstellungen der Ärzteschaft aufnehmen und in die gesetzgeberische Gestaltung einbeziehen? Den Parteien bleibt wenig Zeit, um bis zum Wahltermin und im Anschluss daran Antworten zu liefern. Umso wichtiger ist es, dass die Ärzteschaft ihre Forderungen an die Politik heranträgt. Das hat der BDI bereits Ende Dezember 2024 in einem Positionspapier getan (s. Pressemitteilung vom 18.12.2024):

• Die Weiterentwicklung und Anpassung der Krankenhausreform
• Eine bedarfsgerechte Patientensteuerung
• Ein Finanzierungssystem für die internistische Weiterbildung mit Verbindung
des ambulanten und stationären Sektors
• Die Stärkung der ambulanten Versorgung durch Entbudgetierung aller
haus- und fachärztlichen Leistungen.

Gerade der hausärztliche Versorgungsbereich mit den Problemfeldern  Nachwuchsmangel, ländliche Versorgung und Patientensteuerung hat in den letzten Jahren parteiübergreifend nahezu alle gesundheitspolitische Akteure wachgerüttelt. Es bleibt abzuwarten, wie und mit welchen Mitteln man die notwendigen Weichenstellungen vornimmt. Eines aber ist klar: Reformen sind nicht zum Nulltarif umzusetzen, auch nicht, wenn immer wieder betont wird, es sei genügend Geld im System vorhanden. Diese Augenwischerei müssen wir beenden und nach dem Motto – Take five – good life – die genannten Forderungen um eine fünfte ergänzen:

• Eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung kann nur gelingen, wenn die gesamtgesellschaftliche Eigenverantwortung gestärkt wird und politische Reformen transparent und unter Einbeziehung fachlicher Expertise umgesetzt werden.

Dr. med. Ivo Grebe
Vorsitzender der AG Hausärztlich tätig Internistinnen und Internisten 

Erschienen in "CME" 1+2/2025