Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) ist ein richtiger und wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Teilhabe. Gleichwohl sorgt es bei vielen Arztpraxen für Unsicherheit: Gilt das Gesetz überhaupt für mich? Und wer muss sich technisch kümmern?
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz bestimmt, dass Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr unter das Gesetz fallen. In der täglichen Praxis sind das vor allem Online-Terminbuchungen – also klassische Web- oder App-Tools, in die Patientinnen und Patienten selbst ihren Termin eintragen –, Kontakt- und Rezeptformulare, wenn sie der Anbahnung oder Abwicklung des Behandlungsvertrags dienen, sowie digitale Patientenaufnahmeprozesse oder Chatbots, die Daten abfragen und in die elektronische Karteikarte übertragen. Alle diese Angebote gelten als Telemedien-Dienstleistungen (§ 2 Nr. 26 BFSG) und müssen ab dem 28. Juni 2025 barrierefrei funktionieren – allerdings nur dann, wenn die Website des Arztes oder der Ärztin überhaupt in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen.
Software-Anbieter ist in der Verantwortung
Und genau das ist in vielen Fällen nicht der Fall. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz findet keine Anwendung auf sogenannte Kleinstunternehmen. Dies sind Arztpraxen, die weniger als zehn Mitarbeitende und maximal zwei Millionen Euro Jahresumsatz oder Bilanzsumme haben. Erfüllt eine Praxis beide Kriterien, greift das Gesetz für Dienstleistungen grundsätzlich nicht – auch dann nicht, wenn eine Terminsoftware genutzt wird. Zwar kann das Tool selbst durchaus in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen, doch ist in diesen Fällen regelmäßig nicht die Praxis verantwortlich, sondern der Softwareanbieter. Dieser ist als Dienstleistungserbringer nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz verpflichtet, die gesetzlich geforderten Anforderungen wie Bedienbarkeit per Tastatur, ausreichende Kontraste oder Kompatibilität mit Screen-Readern umzusetzen.
Für die Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber bedeutet das: Sie müssen vor allem darauf achten, dass der Anbieter vertraglich zur Einhaltung der Vorgaben verpflichtet ist. Idealerweise enthält der Vertrag eine entsprechende Barrierefreiheitsstärkungsgesetzklausel, in der sich der Anbieter zur Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen verpflichtet. Wenn nicht, kann der Anbieter, nachdem das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nunmehr in Kraft getreten ist, aufgefordert werden, eine schriftliche Bestätigung der Barrierefreiheit zur Verfügung zu stellen.
Das gilt nicht nur für Termin-Software, sondern auch für andere digitale Dienste. Selbstbedien-Terminals beispielsweise unterliegen ebenfalls den Anforderungen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Hier ist regelmäßig der Hersteller oder Betreiber der Geräte verantwortlich, nicht die Praxis selbst – diese sollte aber sicherstellen, dass nur konforme Geräte aufgestellt werden.
Praxis zukunftssicher aufstellen
Auch wenn das Gesetz formal nicht greift, lohnt es sich für Praxen, digitale Barrieren abzubauen. So werden ältere oder beeinträchtigte Patientinnen und Patienten nicht ausgeschlossen und die Praxis positioniert sich zukunftssicher. Ein kurzer Selbsttest kann helfen: Lässt sich Ihre Website nur mit der Tab-Taste bedienen? Wenn nicht, sprechen Sie Ihren Web-Dienstleister an – viele Verbesserungen lassen sich mit wenigen Klicks umsetzen.
Für Ärztinnen und Ärzte empfiehlt sich daher: Prüfen Sie zunächst, ob Ihre Praxis unter die Grenze von zehn Mitarbeitenden und zwei Millionen Euro Jahresumsatz fällt – dann greift das Gesetz in der Regel nicht. Verschaffen Sie sich einen Überblick über Ihre digitalen Dienste – wie Termin-Tools, Kontaktformulare oder Chatbots – und kontrollieren Sie die entsprechenden Verträge.
Für die meisten Einzel- und Gemeinschaftspraxen gilt: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz betrifft vor allem die Technik – nicht das Praxisteam. Wer mit einem etablierten Terminsoftware-Dienstleister arbeitet und dessen Konformität vertraglich festhält, erfüllt in der Regel alle Anforderungen.