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Koalitionsvertrag: BDI sieht richtige Ansätze, kritisiert jedoch Rückschritte bei Entbudgetierung der Fachärztinnen und Fachärzte

Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) begrüßt den im neuen Koalitionsvertrag (CDU/CSU und SPD) enthaltenen Fokus auf eine stärkere ambulante Versorgung, die Reform der Notfallversorgung sowie eine verbindliche Patientensteuerung unter Einbindung internistischer Fachärzte. Gleichzeitig kritisiert der Verband, dass die ursprünglich im Vorab-Papier der AG „Gesundheit und Pflege“ vorgesehene Entbudgetierung der Fachärztinnen und Fachärzte nun lediglich „geprüft“ werden soll.

Das BDI-Präsidium (v.l.n.r): Dr. med. Norbert Smetak (1. Vizepräsident), Christine Neumann-Grutzeck (Präsidentin), PD Dr. med. Kevin Schulte (2. Vizepräsident)

„Zahlreiche Punkte im Koalitionsvertrag adressieren tatsächlich den großen Reformbedarf im Gesundheitswesen – besonders die Absicht, die ambulante Versorgung stärker zu fördern, begrüßen wir ausdrücklich“, erläutert BDI-Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck. „Gleichzeitig schmerzt es sehr, dass die angekündigte Entbudgetierung der Fachärzte jetzt nur noch auf dem Prüfstand steht. Das stellt einen klaren Rückschritt im Vergleich zum AG-Papier dar. Außerdem widerspricht es grundsätzlich dem Gedanken eines Primärarztsystems, in dem die Facharztleistungen bereits bedarfsgeprüft erbracht werden.“

Steuerung und Entbudgetierung gehören zusammen

Neumann-Grutzeck befürwortet die im Koalitionsvertrag angekündigte Einführung eines verbindlichen Primärarztsystems und einer strukturierten, digitalen Ersteinschätzung: „Eine bedarfsgerechte Lenkung des Versorgungspfades ist ein zentraler Beitrag für mehr Effizienz im Gesundheitswesen“, so die Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie.

Dr. med. Norbert Smetak, BDI-Vizepräsident und Facharzt für Kardiologie, ergänzt: „Angesichts begrenzter hausärztlicher Kapazitäten und des hohen Anteils chronisch Kranker in internistischer Betreuung ist eine stärkere Einbindung von Fachinternistinnen und Fachinternisten (z.B. Diabetologinnen, Nephrologen oder Kardiologen) sinnvoll. Allerdings ist die geplante ‚Termingarantie‘ für fachärztliche Behandlungen mit gleichzeitiger Budgetierung und möglichen Abschlägen in vermeintlich überversorgten Gebieten nicht sachgerecht. So schafft man Widersprüche statt Versorgungsverbesserungen.“

Zum Thema Entbudgetierung erklärt Neumann-Grutzeck: „Die bereits erfolgte Entbudgetierung der Haus- und Kinderärzte unterstreicht die Erkenntnis, dass Budgets und Leistungsmenge untrennbar zusammenhängen. Für Fachärzte muss dieser Schritt ebenfalls kommen. Gerade in einem gesteuerten Versorgungssystem erübrigt sich die Budgetierung. Dass der Koalitionsvertrag jetzt zurückrudert und lediglich ‚prüfen‘ möchte, ist enttäuschend.“

Ambulante Weiterbildung: „Erneute Benachteiligung hausärztlich tätiger Internistinnen und Internisten“

Die BDI-Präsidentin begrüßt, dass die Finanzierung der ambulanten ärztlichen Weiterbildung – gerade angesichts der zunehmenden Ambulantisierung – endlich in den politischen Fokus gerückt ist. Dies sei ein wesentlicher Schritt, weil der Fachärztenachwuchs die Basis einer gesicherten Daseinsvorsorge darstelle. Die geplante Möglichkeit, künftig zwei Ärztinnen/Ärzte in Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin pro Weiterbilder zuzulassen, sei zwar diskussionswürdig, müsse aber konsequent für alle Fachgruppen gelten. Politische Vorgaben, die in die Selbstverwaltungsautonomie der Ärztekammern eingreifen, lehnt der BDI jedoch ab.

Besonders problematisch ist zudem die Benachteiligung hausärztlich tätiger Internistinnen und Internisten, die von der Förderung der ambulanten Weiterbildung nach § 75a Absatz 1 SGB V weiterhin ausgeschlossen bleiben. „Statt neuer, exklusiver Regelungen nur für Allgemeinmediziner braucht es eine gleichberechtigte Einbindung der hausärztlich tätigen Internistinnen und Internisten, die immerhin fast ein Drittel aller Hausärzte ausmachen“, so Neumann-Grutzeck. Nur so könnten die hausärztlichen Kapazitäten rasch und nachhaltig gesichert werden. Darüber hinaus spricht der BDI sich ausdrücklich für eine umfassende Finanzierungslösung aus, die über fachgruppenspezifische Programme hinausgeht und den steigenden ambulanten Bedarf langfristig absichert.

Notfallversorgung: Gezielte Steuerung für mehr Effizienz

BDI-Vizepräsident Dr. Smetak begrüßt außerdem die anvisierte Reform der Notfallversorgung: „Gerade im Akut- und Notfallbereich ist die gezielte Steuerung von Patientinnen und Patienten ein Schlüssel, um personelle und finanzielle Ressourcen wirkungsvoll einzusetzen. Es braucht klare Konzepte, wie und wo Notfälle versorgt werden – ohne die Kliniken zu überfrachten. Zudem erhöht die im Koalitionsvertrag verankerte Sozialversicherungsfreiheit für Ärztinnen und Ärzte im KV-Bereitschaftsdienst die Attraktivität und sichert so ärztliche Kapazitäten.“

„Weiterentwicklung der Krankenhausreform dringend nötig – Innere Medizin stärker berücksichtigen“

Für die stationäre Versorgung sieht der BDI die Weiterentwicklung der Krankenhausreform als dringend notwendig an. PD Dr. med. Kevin Schulte, BDI-Vizepräsident und Facharzt für Nephrologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, erläutert die BDI-Forderung: „Insbesondere bei den Leistungs- und Qualitätsvorgaben für einzelne Leistungsgruppen besteht Nachbesserungsbedarf, etwa in Teilen der Inneren Medizin wie der Geriatrie oder Angiologie. Hier muss dringend nachjustiert werden, damit die Reform in der Praxis wirklich greift.“

Zur Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung begrüßt der BDI zudem das Bekenntnis zur belegärztlichen Versorgung und die Absicht, diese weiter zu verbessern. Ebenso sei es richtig, flexible Ausnahmeregelungen für eine bedarfsgerechte Grund- und Notfallversorgung – besonders im ländlichen Raum – zu ermöglichen. „Nur so können wir eine kalte Strukturbereinigung unserer Kliniklandschaft vermeiden und eine wohnortnahe Versorgung langfristig sichern. Vor diesem Hintergrund bewerten wir auch die Möglichkeit einer vorübergehenden Betriebskostenfinanzierung aus Bundesmitteln positiv“, so Schulte.

Darüber hinaus begrüßt der BDI die Entscheidung, den Transformationsfonds künftig aus dem Infrastruktur-Sondervermögen – und nicht aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung – zu finanzieren. „Das schafft mehr Planungssicherheit für die Kliniken und verhindert eine zusätzliche Belastung der GKV-Beitragszahler – die übrigens auch durch die leider wieder gestrichene Steuerfinanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfänger noch weiter hätte verbessert werden können“, betont Schulte.

Fazit

Der BDI erkennt im Koalitionsvertrag zahlreiche sinnvolle Vorhaben, die dem Reformbedarf des Gesundheitswesens entsprechen. Gleichzeitig bleiben zentrale Punkte hinter den im AG-Papier gesetzten Maßstäben zurück – allen voran die überraschend zurückhaltende Haltung zur Entbudgetierung der Fachärztinnen und Fachärzte. „Wir hoffen, dass die Finanzierung und Ausgestaltung der Vorhaben zügig konkretisiert werden, damit die ambulante und stationäre Versorgung nachhaltig gestärkt wird“, so Neumann-Grutzeck.