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Hausärztliche Versorgung

Der Hausärztemangel ist in vielen Regionen in Deutschland, besonders im ländlichen Raum, bereits Realität. Politische Fördermaßnahmen auf Bundesund Länderebene haben bislang nicht die gewünschten Effekte erzielt, weil gesetzliche Regelungen die Fachgruppen in der hausärztlichen Versorgung ungleich behandeln.

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Neue Lösungen für ein gemeinsames Ziel

Der demografische Wandel stellt unsere medizinische Versorgung vor große Herausforderungen. Durch die Zunahme chronischer Erkrankungen in einer älter werdenden Gesellschaft steigt der Bedarf nach einer wohnortnahen medizinischen Versorgung und Betreuung von Patientinnen und Patienten. Besonders im ländlichen Raum, aber auch in einzelnen städtischen Regionen, gestaltet sich die hausärztliche Versorgung zunehmend schwierig. Während die Anzahl der Patienten wächst, nimmt die Zahl der Hausärztinnen und Hausärzte kontinuierlich ab. Eine aktuelle Hochrechnung, die das IGES-Institut im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung durchgeführt hat, prognostiziert, dass im Jahr 2035 etwa 11.000 Hausärzte in der Versorgung fehlen und ein Fünftel aller Landkreise in Deutschland hausärztlich unterversorgt sein werden.

Der Hausärztemangel hat sowohl strukturelle als auch politische Gründe. Das deutsche Gesundheitssystem ist traditionell durch Sektorendenken geprägt. Neben der klaren Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung wird im ambulanten Bereich zwischen der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsebene unterschieden. An der hausärztlichen Versorgung nehmen Fachärztinnen und -ärzte für Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendmedizin sowie Innere Medizin (ohne Schwerpunktbezeichnung) teil – so regelt es § 73 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). „Hausarzt/Hausärztin“ ist also eine sozialrechtliche Kategorie und keine (einzelne) Fachgruppe.

Fachgruppenübergreifend sind aktuell ein Drittel aller Hausärztinnen und -ärzte älter als 60 Jahre. Sie scheiden in den kommenden Jahren altersbedingt aus und stehen nicht mehr für die medizinische Versorgung zur Verfügung. Im Verhältnis zu den feststehenden Abgängen gibt es jedoch zu wenige Nachwuchsmediziner, die sich für eine hausärztliche Berufslaufbahn entscheiden. Dabei zeigt eine differenzierte Analyse der Hausarztzahlen, dass einzelne Fachgruppen sich durchaus positiv entwickeln.

Zwar sind Allgemeinmediziner weiterhin die größte Gruppe in der hausärztlichen Versorgung; ihr Anteil nimmt jedoch kontinuierlich ab. Bei den Weiterbildungsabschlüssen verzeichnet das Fach trotz aller finanzieller Fördermaßnahmen nicht genug Zuwächse, um die Zahl der altersbedingten Praxisaufgaben zu kompensieren. Die Innere Medizin ist dagegen ungebrochen das Fach mit dem meisten Weiterbildungsabschlüssen – Tendenz steigend. Das wirkt sich positiv auf die hausärztliche Versorgung aus: Immer mehr Internistinnen und Internisten entscheiden sich für eine hausärztliche Tätigkeit. Seit 2013 ist die Zahl der hausärztlich tätigen Internisten bundesweit um 25 Prozent gestiegen, sodass Fachärzte für Innere Medizin (ohne Schwerpunkt) mittlerweile mehr als ein Viertel aller Hausärztinnen und Hausärzte ausmachen. Wird dieser Trend weiter gefördert, liegt darin ein klares Potenzial, die Nachwuchsprobleme in der hausärztlichen Versorgung nachhaltig zu verringern.

Politik und Selbstverwaltung haben in den letzten Jahren mit einer Vielzahl von Maßnahmen versucht, dem Hausärztemangel entgegenzuwirken. Neben finanziellen Anreizen zur Niederlassung wurden beispielsweise Regelungen eingeführt, um flexiblere Beschäftigungsverhältnisse (Teilzeit) zu schaffen, die auch den Lebensvorstellungen junger Ärztinnen und Ärzte gerecht werden. Der Großteil der Maßnahmen zielt jedoch ausschließlich darauf ab, die Allgemeinmedizin in der Aus- und Weiterbildung zu fördern: sei es die geplante Novellierung der Approbationsordnung, Landarztquoten für Medizinstudierende oder die Förderung der ambulanten Weiterbildung. Dieser einseitige Fokus führt dazu, dass einzelne Maßnahmen ihre volle Wirkung nicht entfalten können. Zudem spiegelt dieses Vorgehen weder die Versorgungsrealität in Deutschland angemessen wider, noch stützt es das erklärte Ziel, die hausärztliche Versorgung zu stärken.

Unsere Forderungen im Detail:


Um den Hausärztemangel zu beheben, wirbt der BDI für neue gemeinschaftliche Lösungswege. Folgende Änderungen im SGB V würden aus Sicht des BDI effektiv und kurzfristig zu einer Verbesserung der Versorgungssituation führen:

1. Weiterbildung


Die Förderung der ambulanten Weiterbildung im hausärztlichen Bereich gemäß § 75a Abs. 1 SGB V steht aktuell nur angehenden Fachärzten für Allgemeinmedizin offen. Internisten sind davon ausgeschlossen. Dabei konnten Allgemeinmediziner im Jahr 2019 von den bundesweit 7.500 geförderten Weiterbildungsstellen nur 4.450 (in Vollzeitäquivalenten) abrufen. Um die Anzahl der Facharztweiterbildungen zu erhöhen, die zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung berechtigen, fordert der BDI, Internisten (ohne Schwerpunkt) in die Förderung nach Absatz 1 aufzunehmen. Damit gewinnen nicht nur internistische Hausarztpraxen deutlich an Attraktivität und Behandlungskapazitäten; Ärztinnen und Ärzte in internistischer Weiterbildung erhalten zudem die Möglichkeit, den hausärztlichen Versorgungsbereich umfassender kennenzulernen. Dabei ist selbstverständlich, dass eine Förderungsvereinbarung für Internistinnen und Internisten an eine Verpflichtung geknüpft sein muss, im Anschluss an ihre Weiterbildung hausärztlich tätig zu werden.

2. Nachbesetzung


Seit Januar 2006 sind für ausgeschriebene Hausarztsitze vorrangig Fachärztinnen und -ärzte für Allgemeinmedizin zu berücksichtigen. Diese Regelung schränkt die Niederlassungsmöglichkeit von Internistinnen und Internisten ein und ist weder gerechtfertigt noch inhaltlich begründbar. Daher fordert der BDI eine Novellierung des § 103 Abs. 3a Satz 6 SGB V, damit freie Sitze zukünftig gleichberechtig durch alle Fachgruppen im hausärztlichen Versorgungsbereich nachbesetzt werden können.

3. Hausarztzentrierte Versorgung (HZV)


Es ist ein erklärtes Ziel der Politik, den hausärztlichen Versorgungsbereich durch hausarztzentrierte Versorgungsverträge zu stärken. Auch hier werden Internistinnen und Internisten gezielt benachteiligt. Um einen HZV-Vertrag in die Patientenversorgung zu integrieren, müssen Vertragsgemeinschaften mindestens 50 Prozent der Allgemeinmediziner – und nicht Hausärzte – eines Bezirks der Kassenärztlichen Vereinigung vertreten. Die Konsequenz dieser Regelung: Die Maßnahme geht an einem Großteil der Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland vorbei. BDI-Daten zeigen, dass über 60 Prozent der hausärztlichen Internisten aktuell nicht an der HZV teilnehmen. Das untermauert die Notwendigkeit, zukünftig mehr internistische Kompetenz auch bei der HZV zu berücksichtigen. Deshalb fordert der BDI, durch eine Änderung des § 73b Abs. 4 SGB V einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen, der bei der hausarztzentrierten Versorgung alle Fachgruppen der hausärztlichen Versorgung gleichberechtigt berücksichtigt.

Der BDI befindet sich im Austausch mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), um diese Gesetzesänderungen in der kommenden Legislaturperiode anzustoßen.

Auf Länderebene wirbt der BDI dafür, diese Änderungen als Bundesratsinitiative auf den Weg zu bringen.