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Digitale Gesundheitsanwendungen

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sollen ein neuer Bestandteil der Regelversorgung werden. Aber die Integration der "Apps auf Rezept" in den Versorgungsalltag hakt - auch, weil Ärztinnen und Ärzte bislang kaum in den Prozess eingebunden wurden. Vier Lösungsvorschläge.

Politischer Wille und ärztliche Wirklichkeit

Mit digitalen Gesundheitsanwendungen erweitert sich das Spektrum an Therapieangeboten im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung erstmals um digitale Anwendungen jenseits der Telemedizin. Ein Dreivierteljahr nach dem DiGA-Start besteht jedoch weiterhin ein Ungleichgewicht zwischen dem politischen Willen des Gesetzgebers und den Anforderungen von Ärztinnen und Ärzten hinsichtlich der flächendeckenden Integration von „Apps auf Rezept“ in den Versorgungsalltag.

Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sind digitale Gesundheitsanwendungen ein zentraler Baustein seiner Digitalisierungsoffensive für das deutsche Gesundheitswesen.

Sie stellen in einem System, dessen digitale Infrastruktur lange vernachlässigt wurde, einen Innovationssprung dar, der Deutschland schlagartig an die europäische Spitze katapultiert. Die Politik verspricht sich von DiGA nicht nur eine Verbesserung der Patientenversorgung, sondern auch die Stärkung des E-Health-Standortes Deutschland. Zeitgleich befinden sich elementare Anwendungen der Telematikinfrastruktur wie die elektronische Patientenakte (ePA) oder das E-Rezept weiterhin im Entwicklungsprozess.

Die Integration von DiGA in den Versorgungsalltag schreitet bislang noch zögerlich voran. Ärztinnen und Ärzten in diesem Zusammenhang eine mangelnde Digitalisierungsbereitschaft zu unterstellen, ist jedoch ungerechtfertigt. Das Gegenteil ist der Fall: Wie auch beim Einsatz telemedizinischer Versorgungskonzepte steht die Ärzteschaft digitalen Gesundheitsanwendungen positiv und offen gegenüber, wenn es sich um wirksame, anwenderfreundliche Produkte handelt. Skeptische Stimmen rühren einerseits aus negativen Erfahrungen mit schlechten IT-Lösungen in Kliniken und Arztpraxen; andererseits besteht an vielen Stellen noch ein großes Informationsdefizit über das DiGA-Angebot, die Funktionsweise einzelner Anwendungen und die medizinische Evidenz. Und es fehlen Konzepte zur besseren ärztlichen Einbindung in den Verordnungs- und Therapieprozess.

Zwar besteht die Möglichkeit, dass Patientinnen und Patienten sich bei entsprechender ärztlicher oder psychotherapeutischer Diagnose eine DiGA direkt von ihrer Krankenkasse erstatten lassen. Aus ärztlicher Sicht ist diese Vorgehensweise jedoch weder medizinisch sinnvoll, noch im Sinne einer flächendeckenden Integration in die Regelversorgung praktikabel. Ärztinnen und Ärzte erwarten, dass DiGA komplementär zu bestehenden Behandlungsansätzen eingesetzt werden. Aus internistischer Sicht bestehen z.B. bei vielen chronischen internistischen Erkrankungen sowohl im haus- als auch fachärztlichen Bereich mannigfaltige Einsatzmöglichkeiten. Hier erwarten wir eine deutliche Ausweitung des bestehenden Angebots. DiGA können und dürfen die ärztliche Behandlung sowie den direkten Arzt-Patienten-Kontakt nicht ersetzen, sondern müssen diese sinnvoll ergänzen.

Unsere Forderungen im Detail

Um die Akzeptanz von DiGA nachhaltig zu erhöhen und die Integration zu fördern, müssen aus Sicht des BDI folgende Anforderungen erfüllt sein:

1. Evidenz

Grundlegende Informationen zum Verordnungsprozess (z.B. Indikationen) sowie transparente, qualitativ hochwertige Fachinformationen bezüglich der Wirkungsweise und des medizinischen Nutzens müssen der Ärzteschaft niedrigschwellig zugänglich gemacht werden. Aus ärztlicher Sicht steht die wissenschaftliche Evidenz zum Nutzen von DiGA im Mittelpunkt. DiGA, die einen Nutzennachweis erst noch erbringen müssen, können vorläufig im BfArM-Verzeichnis aufgenommen werden. Das ist im Sinne einer zügigen Überführung von Innovation in die Regelversorgung zwar nachvollziehbar, birgt jedoch ebenso offensichtliche Risiken für Patientinnen und Patienten. Hier gilt: je höher die wissenschaftliche Evidenz, desto wahrscheinlicher ist es, dass Ärztinnen und Ärzte DiGA in die Behandlung einbeziehen.

Der BDI setzt sich für gesetzliche Rahmenbedingungen ein, die sowohl innovationsfördernd sind als auch die medizinische Evidenz ins Zentrum der Bewertung digitaler Gesundheitsanwendungen stellen.

2. Transparenz

Nur wenn Ärztinnen und Ärzte die Apps, die sie verschreiben sollen, inhaltlich verstehen, können sie diese auch angemessen bewerten und entscheiden, welche DiGA für welchen Patienten sinnvoll ist – oder auch nicht. Eine sorgfältige Beurteilung ist auch aus haftungsrechtlicher Sicht notwendig, besonders wenn eine DiGA die ärztliche Behandlung ergänzt und ihre Daten in die Behandlung einbezogen werden. Ärztinnen und Ärzte müssen deshalb die Möglichkeit erhalten, sowohl die Wirkungs- als auch die Funktionsweise einer DiGA im Vorfeld einer Verschreibung umfassend zu testen.

Der BDI entwickelt Fortbildungsveranstaltungen, um Internistinnen und Internisten im Umgang mit DiGA – und ihrer Bewertung – zu schulen. Darüber hinaus befindet der Verband sich im Austausch mit DiGA-Herstellern, um flächendeckend unbefristete Testzugänge für Ärztinnen und Ärzte zu implementieren.

3. Beteiligung

Die Einbindung von Ärztinnen und Ärzten in den Verordnungs- und Therapieprozess muss für einen optimalen Therapieverlauf gewährleistet sein. Besonders vor der erstmaligen Anwendung einer DiGA ist das Arzt-Patienten-Gespräch medizinisch notwendig. Die vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung ermöglicht erst eine umfassende Aufklärung und die Festlegung gemeinsamer Therapieziele. Bei langfristigen Verordnungen (Folgerezepte) sind zudem Verlaufskontrollen eine sinnvolle Ergänzung.

Der BDI wirbt in Gesprächen mit Vertretern des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) und Mitgliedern des Bundestages für die zentrale Rolle von Ärztinnen und Ärzten im Verordnungs- und Therapieprozess.

4. Honorierung   

Der zeitliche Mehraufwand für die Beratung und die Therapiebegleitung muss auch abrechnungstechnisch eine angemessene Berücksichtigung finden. Als neuartiges Medizinprodukt sind DiGA nicht mit Arzneimitteln gleichzusetzen. Die aktuelle Abrechnungssystematik, wonach Vertragsärzte für die Verordnung einer dauerhaft im BfArM-Verzeichnis gelisteten DiGA eine einmalige Vergütung in Höhe von 2 Euro erhalten, ist unzureichend. Grundsätzlich darf die Verordnung einer DiGA weder das bestehende Heilmittel- noch das Honorarbudget belasten. Alle ärztlichen Leistungen müssen von den Krankenkassen extrabudgetär vergüten werden.

Der ärztliche Leistungsanteil muss angemessen vergütet werden. Hierzu steht der BDI im Austausch mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sowie den Kostenträgern.