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Wird aus der Apotheke ein Gesundheitskiosk?

Reformstau hier, Reformvorschläge dort, und das leider beides ohne erkennbaren Plan. Damit setzen wir uns gesundheitspolitisch tagtäglich auseinander. Ende September haben wir auf dem BDI Hauptstadtforum über die wichtige Frage diskutiert, wie wir Versorgung gemeinsam gestalten wollen – im Angesicht allgegenwärtiger Herausforderungen durch internationale Krisenherde und Auswirkungen vor Ort, von Fachkräftemangel bis hin zu den knappen Finanzen im Gesundheitswesen.

© Phil Dera

Im Vorfeld überraschte uns Gesundheitsministerin Nina Warken mit ersten Eckpunkten einer Apothekenreform, die die aus guten fachspezifischen Gründen so austarierte Aufgabenverteilung zwischen Apotheke und Ärzteschaft neu regeln und verschieben will.

Unter anderem sollen Apotheken zukünftig verschreibungspflichtige Medikamente ohne ärztliche Verordnung abgeben können – beispielweise als Folgerezepte für chronisch erkrankte Menschen oder bei sogenannten „unkomplizierten Erkrankungen“ als dessen Beispiel Nina Warken unkomplizierte Harnwegsinfekte nannte. Damit verlassen wir den Weg des bewährten Vier-Augen-Prinzips, dass Ärztinnen und Ärzte diagnostizieren und verschreiben und Apothekerinnen und Apotheker prüfen und die Arzneimittel abgeben. Diese Aufgabenteilung nach Qualifikation und Profession ist ein zentrales Qualitätsmerkmal unserer Patientenversorgung. Und deshalb überschreitet eine derartige Ausweitung aus unserer Sicht eine rote Linie.

In breiter Allianz mit den großen Verbänden der Ärzteschaft wie dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen (bvkj), der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der Bundesärztekammer, dem Marburger Bund, dem Hartmannbund, dem Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa), dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband sowie dem Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e.V. haben wir uns in einem offenen Brief an die Bundesgesundheitsministerin gewandt und sie gebeten, diese Punkte vor Inkrafttreten als Gesetz noch einmal zu überdenken und zurückzunehmen. Dazu zählt auch die Ausweitung von Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen in Apotheken, vor der wir mit guten Gründen abraten.

Gerne wollen wir aber im konstruktiven Austausch diskutieren, wie Apotheken sinnvoll gestärkt werden können und gleichzeitig die Patientensicherheit gewahrt bleibt. Dass wir bereit sind zum Dialog, zeigte die Einladung an Thomas Preis, dem Präsidenten der ABDA, der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V., auf unserer Delegiertenversammlung zu sprechen. Er machte in seinem Vortrag „Kooperation versus Konkurrenz: Wer übernimmt welche Verantwortung in der Versorgung von morgen?“ seine bzw. die Sichtweise seines Verbandes deutlich.

Auch wenn er vor allem die Kooperation und die Entlastung der Ärzteschaft in den Mittelpunkt stellte, blieben die Zuhörerinnen und Zuhörer äußerst kritisch, was die geplante Übertragung von Aufgaben angeht. Wirkliche Bewegung in den Positionen kam in der Diskussion nicht auf, auch weil der aus der Ärzteschaft und vom BDI unterstütze Vorstoß einer in den Händen des im Notdienst handelnden Arztes bzw. Ärztin befindlichen kleinen Notapotheke als ebenso wichtiger Beitrag zur Patientenversorgung bei der Apothekerschaft wiederum auf taube Ohren stieß.

Trotz dieser inhaltlichen Differenzen gibt es auch vergleichbare Probleme: Die immer löchriger werdende ärztliche Versorgung auf dem Land geht einher mit einem stetigen Apothekensterben. An dieser Stelle nehmen wir unser Motto „Versorgung gemeinsam gestalten“ wieder auf und sehen es in einem größeren Zusammenhang. Und mit dem Auftrag an die Bundespolitik, sich nicht im Kleinklein zu verlieren, sondern das große Ganze im Blick zu behalten.

Ihre

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDI aktuell 11/2025