Vor fast einem Jahr hat die Regierungskommission ihre Stellungnahme zur Reform der Krankenhausvergütung präsentiert. Nach zahlreichen Bund-Länder-Treffen ist von dem ursprünglichen Vorschlag aber nicht mehr viel übrig geblieben: Die Einteilung der Krankenhäuser in unterschiedliche Level wurde gestrichen. Vergütungsrelevant für die Finanzierung der Vorhaltekosten sind somit nur noch die festzulegenden Leistungsgruppen, die sich mittlerweile aber nicht mehr an dem Vorschlag der Kommission (128), sondern maßgeblich an dem Modell aus Nordrhein-Westfalen (64) orientieren. Für die Schwerpunkte der Inneren Medizin, für die es keine oder unzureichende Leistungsgruppen gibt (z.B. die Angiologie), ist das katastrophal.
Immerhin haben die Kompromisse dazu geführt, dass Bund und Länder sich überhaupt auf ein Eckpunktepapier einigen konnte, das als Grundlage für den weiteren Gesetzgebungsprozess dienen soll. In den letzten Wochen sind nun erste Entwürfe für das sogenannte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) durchgesickert. Nach der ersten Lektüre ist insbesondere eines klar: Ambulantisierung wird trotz anderslautender Aussagen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach im Ministerium weiterhin nur in eine Richtung gedacht.
Angedacht ist zum Beispiel eine deutliche Ermächtigungsausweitung stationärer und sektorenübergreifender Versorgungseinrichtung (hiermit sind die ursprünglichen Level-1i-Häuser gemeint) auf den vertragsärztlichen Bereich. Abweichend von der bisherigen persönlichen Ermächtigung zur Erbringung von vertragsärztlichen Leistungen, müssen (!) Krankenhäuser zukünftig für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen werden, sobald in einem Fachgebiet in einem Planungsbereich eine Unterversorgung festgestellt wird.
Die Ermächtigung soll so lange gelten, wie die Unterversorgung Bestand hat. Auf eine Überprüfung der Ermächtigung alle zwei Jahre durch den Zulassungsausschuss, in dem übrigens zukünftig auch die Bundesländer vertreten sein werden, wird jedoch zunächst verzichtet. Wann und wie genau einem Krankenhaus, das sich erst einmal darauf eingerichtet hat, die vertragsärztliche Versorgung partiell zu übernehmen, die Ermächtigung wieder entzogen wird, bleibt vollkommen offen! Was passiert also, wenn ein niederlassungswilliger Arzt oder eine Ärztin eine Praxis eröffnen will und die Unterversorgung damit theoretisch nicht mehr besteht?
Keine Antworten liefern die Entwürfe auch auf die Frage, an welchen Standard die Leistungserbringung in der vertragsärztlichen Versorgung zukünftig geknüpft sein soll. Bislang gilt in den Kliniken der Facharztstandard, in den Praxen der Facharztstatus. Viele Leistungen im EBM sind an eben diesen Status geknüpft. Wenn Ermächtigungen zukünftig auf ganze Einrichtungen übergehen sollen, müsste das auch eine Abkehr vom bisherigen Vergütungskonzept mit sich bringen. In unserer BDI Position zur intersektoralen Weiterbildung, die wir im September beim BDI Hauptstadtforum in Berlin vorgestellt haben, haben wir als Lösung die Ausrichtung auf Anvertraubare Professionelle Tätigkeiten empfohlen. Ein solches Modell könnte hier zum Tragen kommen. Grundsätzlich ist es mit Blick auf den steigenden Bedarf und unsere begrenzten Ressourcen natürlich legitim und sinnvoll, alle vorhandenen Kapazitäten in unterversorgten Regionen zu nutzen, um die Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Einen sektorenübergreifenden Ansatz unterstützt der BDI ausdrücklich – sofern er in beide Richtungen geht!
Bei den aktuellen Maßnahmen braucht es jedoch nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass Karl Lauterbach auf diese Art und Weise die ambulante, fachärztliche Versorgung an die Kliniken verlagern will. Auch wenn der Minister es öffentlich regelmäßig anders beteuert: Die komplementäre Facharztschiene ist ihm schon lange ein Dorn im Auge. Sein offensichtliches Ziel ist, diese abzuschaffen. Das erfahren die Kinder- und Jugendärzte gerade am eigenen Leib, indem die kinderfachärztliche Versorgung nur noch in Klinikambulanzen möglich sein soll. Das wäre der Anfang vom Ende der ambulanten, fachärztlichen Versorgung. Dagegen wehren wir uns. Wir sind doch nicht blöd!
Ihre
Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin
Erschienen in BDIaktuell 11/2023