Zu Beginn der Sommerferien hatte die Bundesregierung noch einen neuen Referentenentwurf zur Organtransplantation veröffentlicht. Dieser fußt noch auf den Anstrengungen der Ampel, die aber auf Grund der abgebrochenen Legislaturperiode nicht zu Ende bearbeitet werden konnten.
Laut Referentenentwurf (08.07.2025 Bundesministerium für Gesundheit - Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Transplantationsgesetzes) soll die Überkreuz-Lebendspende in Deutschland ermöglicht werden. In Deutschland wurden allein im Jahr 2024 mehr als 2.600 Patientinnen und Patienten zu einer Nierentransplantation bei der Stiftung Eurotransplant gemeldet. Insgesamt warteten Ende 2024 rund 6.400 Menschen, die als transplantabel gemeldet wurden, auf eine Spenderniere. Gleichzeitig sank die Zahl der Nierentransplantationen in Deutschland im selben Jahr auf 2.075. Allein die Zahl der Transplantationen nach Lebendnierenspende erhöhte sich auf 632. Im Jahr 2024 verstarben 253 Patientinnen und Patienten, die zuvor in die Warteliste für eine Niere aufgenommen worden waren. Seit langer Zeit reicht die Zahl der Spendernieren nicht aus. Die Folge sind lange Wartezeiten für eine postmortale Nierenspende, die hierzulande bis zu acht Jahre betragen. Der Deutsche Bundestag hat in der 19. Legislaturperiode zahlreiche Maßnahmen beschlossen, um die Organspende zu fördern und die Entscheidungsbereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung zu stärken. Eine Trendwende bei den Organspendezahlen ist allerdings bislang nicht eingetreten.
Neben diesen Anstrengungen gilt es, Betroffenen weitere Therapieoptionen zu eröffnen, die in Deutschland bislang gesetzlich nicht vorgesehen, aber international seit langem etabliert sind. So ist eine Lebendspende hierzulande bisher nur in engen Grenzen zwischen Menschen erlaubt, die sich in besonderer persönlicher Verbundenheit nahestehen. Eine Lebendorganspende ist zudem einer postmortalen Spende nachrangig (Grundsatz der Subsidiarität), das heißt, es darf zum Zeitpunkt der Organentnahme kein geeignetes postmortal gespendetes Organ zur Verfügung stehen. In den Fällen, in denen eine Lebendorganspende zwischen sich in besonderer persönlicher Verbundenheit Nahestehenden aus biologisch-medizinischen Gründen ausgeschlossen ist, haben die Betroffenen in Deutschland nur noch die Option, jahrelang auf eine passende Niere zu warten.
Die transplantationsrechtlichen Regelungen zur Lebendorganspende sollen daher mehr als 25 Jahre nach ihrem Inkrafttreten novelliert werden. Der Kreis möglicher Spenderinnen und Spender wird erweitert, um dadurch mehr Betroffenen die Möglichkeit einer Transplantation nach einer Lebendorganspende zu ermöglichen. Das bei der Einführung des Transplantationsgesetzes (TPG) vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, mit den Regelungen zur Lebendorganspende die Freiwilligkeit der Organspende zu sichern und der Gefahr des Organhandels zu begegnen, bleibt auch bei der Novellierung der Regelungen maßgebend. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, die rechtlichen Grundlagen und die notwendigen Strukturen zu schaffen, um in Deutschland ein nationales Programm für die Überkreuzlebendnierenspende aufbauen zu können.
Zu diesem Zweck wird ein Pool von inkompatiblen Organspendepaaren gebildet. Aus diesem Pool werden die miteinander kompatiblen Organspenderinnen oder -spender und Organempfängerinnen oder -empfänger ermittelt, zwischen denen eine Lebendnierenspende durchgeführt werden kann. Ziel des Gesetzentwurfes ist es gleichzeitig, den Spenderschutz über die bestehenden Maßnahmen hinaus zu stärken. Es werden eine unabhängige psychosoziale Beratung und Evaluation der Spenderinnen und Spender vor einer Spende verpflichtend eingeführt.
Mit dem Gesetzentwurf werden der Kreis der Organspenderinnen oder -spender und der Kreis der Organempfängerinnen oder -empfänger bei der Lebendorganspende erweitert und abweichend von dem Erfordernis eines besonderen Näheverhältnisses die Voraussetzungen für eine Überkreuzlebendnierenspende und einer nicht gerichteten anonymen Nierenspende in Deutschland geschaffen. Der Subsidiaritätsgrundsatz wird aufgehoben. Damit werden die Voraussetzungen für medizinisch vorzugswürdige präemptive Nierentransplantationen geschaffen. Zur nationalen Vermittlung wird eine Stelle im Rahmen der Überkreuzlebendnierenspende errichtet oder beauftragt.
Die Aufklärungspflichten werden im Sinne eines umfassenden Spenderschutzes und einer adäquaten Risikoaufklärung, insbesondere im Hinblick auf die besonderen auch psychosozialen Risiken und möglichen (Spät-)Folgen, konkretisiert und erweitert. Die Transplantationszentren werden verpflichtet, mindestens eine Lebendspendebegleitperson zu bestellen, die den Spenderinnen und Spendern während des gesamten Spendeprozesses zur Seite steht und sie begleitet und berät. Das Verfahren vor den Lebendspendekommissionen wird neu geregelt. Zukünftig wird bei der Vermittlung einer Niere berücksichtigt, wenn eine Patientin oder ein Patient zuvor eine Niere gespendet hat und nun selbst durch Krankheit eine Nierentransplantation benötigt. Dafür erhalten die jeweiligen Patientinnen und Patienten einen zusätzlichen Punktwert.
Die Bundesärztekammer hat einen Appell an die neue Bundesregierung gerichtet, die in der letzten Legislaturperiode nicht mehr umgesetzte Neuregelung der Lebendorganspende erneut anzugehen und plädiert für die Einführung der Widerspruchslösung. Damit wäre grundsätzlich jede Person nach ihrem Tod Organspender oder Organspenderin, es sei denn, er oder sie hätte zu Lebzeiten schriftlich widersprochen oder den Angehörigen einen entgegenstehenden Willen mitgeteilt. Deshalb brauche es hierzulande eine neue Diskussion über die gesetzlichen Grundlagen der Organspende.
Dieser Teil einer gesetzlichen Regelung der Organspende unterliegt jedoch dem freien Willen der Abgeordneten, ein Ergebnis ist nicht absehbar. Die Abgeordneten tun sich weiterhin schwer. Bei der Vielzahl der parlamentarischen Herausforderungen für viele Abgeordnete ist diese Frage komplex und nicht vorrangig. Es ist nicht zu erwarten, dass in dem angeführten Gesetzverfahren weitere Neuerungen adressiert werden.
Mit einer neuen Regelung zur Organspende allein ist es aber nicht getan. Um mehr Organspenden zu ermöglichen, müssten transplantationsbeauftragte Ärztinnen und Ärzte in Krankenhäusern in dem zeitlichen Umfang freigestellt werden, der nötig ist um Personal zu schulen, potenzielle Spender frühzeitig zu identifizieren und Angehörigengespräche in Ruhe führen zu können.
Es gilt weiter, uns in den politischen Raum einzubringen und gegenüber den Abgeordneten für das Anliegen zu werben. Wenn es schon keine zusätzlichen finanziellen Mittel geben wird, dann lieber Fortschritte in der Sache.
Ihr
Prof. Dr. med. Peter J. Heering
Vorsitzender der Sektion Nephrologie
Erschienen in "Die Nephrologie" 5/2025