| Meinung

Wie können wir die langfristige Versorgung von CKD-Patienten in Deutschland gewährleisten?

Bekanntermaßen wird die CKD in Deutschland immer noch unterdiagnostiziert, was nicht zuletzt an der sehr zurückhaltenden Verwendung des Albuminurie- bzw. Proteinuriescreenings liegt. Diesbezüglich hat die DGfN gemeinsam mit dem BDI Maßnahmen getroffen, um die Verwendung der UACR neutral für das Laborbudget, in vielen KV-Regionen noch immer größtes Hindernis für eine umfassendere Diagnostik, zu gestalten. Sollte dies zeitnah gelingen, wäre das ein großer Schritt für die deutlich frühere Identifikation von CKD-Patienten und durch die dann mögliche Therapie für deren Risikoreduktion. Das wäre im Sinne der Patienten sehr erfreulich. Andererseits bedeutet es natürlich auch, dass diese Patienten zumindest zum Teil nephrologisch mitbetreut werden müssen. Dies wird allerdings in den nächsten Jahren zu einem zunehmenden Problem werden.

Bekanntermaßen gehen die geburtenstarken Babyboomer in Rente, dieses Phänomen macht auch vor Nephrologinnen und Nephrologen nicht Halt. So wird erwartet, dass ihre Zahl in den nächsten fünf Jahren um ca. 25 Prozent abnehmen wird, d.h. jede vierte Kollegin, bzw. jeder vierte Kollege wird dann nicht mehr arbeiten und auch nicht ersetzt werden. Jetzt kann sich jeder für sein eigenes Umfeld ausrechnen, was dies für die Versorgung von CKD-Patienten bedeutet. Schon jetzt ist es in manchen Regionen schwierig, noch Plätze für Dialysepatienten zu finden, ein Phänomen, das noch vor einigen Jahren komplett undenkbar erschien. Noch schlimmer sieht es bei den CKD-Patienten in Nichtdialysestadien aus, da die Versorgung dieser Patienten fast immer ein finanzielles Zuschussgeschäft ist, je nach KV-Bereich mal mehr, mal weniger. Aber selbst wenn die Betreuung der CKD-Patienten finanziell vernünftig abgebildet wäre, so könnte doch die rückläufige Anzahl der vorhandenen nephrologischen Kolleginnen und Kollegen die zunehmende Anzahl der CKD-Patienten (gerechnet wird mit einem Zuwachs von 25 Prozent in den nächsten fünf Jahren aufgrund der zunehmenden Altersmorbidität und verbesserter Diagnostik) allein aus Zeitgründen nicht adäquat versorgen. Damit stellt sich die Frage, wie die langfristige Versorgung von CKD-Patienten in Deutschland gewährleistet werden kann.

Hier bieten sich die folgenden Lösungsmöglichkeiten an:

  1. Rekrutierung von mehr jungen Ärztinnen und Ärzten für die Nephrologie
  2. Weiterarbeit der Babyboomer nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters
  3. Verbesserte Kooperation mit anderen Fachrichtungen, insbesondere Hausärztinnen und Hausärzten

Ad 1.: Hier unternimmt die DGfN große Anstrengungen. So wurde beispielhaft eine Arbeitsgemeinschaft Junge Niere gegründet, die auf der vergangenen Jahrestagung in Berlin ihre konstituierende Sitzung hatte. Hier sollen gezielt jüngere Kolleginnen und Kollegen unter 40 Jahren in die Mitarbeit in Kommissionen eingebunden werden. Auch wir als BDI versuchen, gezielt Kolleginnen und Kollegen für die Nephrologie zu gewinnen, nicht zuletzt durch unsere vielfachen Fortbildungsangebote. Allerdings steht die Nephrologie im Wettstreit mit praktisch allen internistischen Fachdisziplinen, so dass diese Maßnahmen zwar wichtig sind, das Problem aber nur in kleinen Teilen lösen können.

Ad 2.: Die Weiterarbeit nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters wird bereits aktuell von vielen Kolleginnen und Kollegen praktiziert, meist aus verständlichen Gründen in Teilzeit. Für angestellte Ärztinnen und Ärzte ist dies mit finanziellen Vorteilen verbunden. So fallen keine Kosten für die Arbeitslosenversicherung an, gleichzeitig erhöht sich oft die verfügbare Rente, wenn diese später in Anspruch genommen wird. Die kürzlich beschlossene „Aktivrente“ macht es angestellten Ärztinnen und Ärzten noch einmal leichter weiterzuarbeiten, da 2.000 € komplett steuerfrei bleiben. Allerdings gilt diese Regel aus unverständlichen Gründen nicht für Selbständige und Freiberufler. Es bleibt zu hoffen, dass Karlsruhe diese Ungleichbehandlung einkassieren wird und in Zukunft alle länger Arbeitenden profitieren werden. Gebraucht werden schließlich so viele wie möglich.

Ad 3.: Gerade in den frühen CKD-Stadien 2 und 3a – ohne wesentliche Albuminurie oder Mikrohämaturie – kann die Versorgung gut durch Hausärztinnen und Hausärzte und Internistinnen und Internisten geleistet werden. Aber auch im Stadium 3b muss nicht jeder 90jährige Patientin nephrologisch mitbetreut werden, so lange nicht Azidose oder Anämie eine fachärztliche Betreuung erfordern. Bei diesen Patienten stehen Blutdruckeinstellung und Gabe eines SGLT-2 Hemmers im Vordergrund der Maßnahmen, kombiniert mit der Beendigung eines Nikotinabusus sowie Vermeidung von nierenschädigenden Medikamenten wie NSARs. Bei Diabetikern kommt die Kontrolle des Blutzuckers hinzu. Hierzu muss nicht immer eine Überweisung zum Nephrologen erfolgen. Die im Dezember des vergangenen Jahres veröffentlichte Leitlinie, die von der DGfN zusammen mit der DEGAM erarbeitet wurde, gibt gute, wenn auch nicht immer konkrete Handlungsanweisungen. Hier bleibt zu hoffen, dass vermehrte Nutzungen von Risikorechnern wie dem KFRE („kidney failure risk equation“) eine bessere Einschätzung erlauben. Möglicherweise kann auch die vermehrte Nutzung von KI unterstützend wirken.

Mein Fazit daher: Die zukünftige Betreuung von CKD-Patienten wird eine große Herausforderung. Dieser Kommentar zeigt einige mögliche Lösungsmöglichkeiten auf. Hier ist natürlich auch die Politik gefordert. Es muss endlich eine Steuerung im Gesundheitswesen etabliert werden, damit die hohe Zahl von jährlichen Arztbesuchen (in Deutschland liegt diese Zahl fast doppelt so hoch wie in Finnland und immer noch ca. 20 bis 25 Prozent höher als in Frankreich oder Spanien (wie in einer aktuellen Lancetuntersuchung gezeigt wurde) reduziert werden kann. Leider sind diesbezüglich bis auf Ankündigungen (Stichwort „Einführung eines Primärzarztsystems“) von der gar nicht mehr so neuen Bundesregierung keine Aktivitäten erkennbar. Minireformen, wie aktuell von Frau Warken zur Beitragsstabilisierung vorgestellt, helfen hier nicht weiter. Leider ist zu befürchten, dass ein Umdenken von Patientenseite ohne finanzielle Selbstbeteiligung (natürlich sozialverträglich, aber doch für jeden spürbar) nicht erfolgen wird. Ein solches Umdenken wird notwendig sein, damit unser Gesundheitswesen und damit auch die Versorgung unserer CKD-Patienten langfristig überlebensfähig bleibt.

Herzliche Grüße

Ihr

Prof. Dr. med. Frank Strutz
Stellv. Vorsitzender der Sektion Nephrologie

Erschienen in "Die Nephrologie" 6/2025