Die Vertrauensfrage ist gestellt, der Weg für Neuwahlen im Februar somit bereitet und der Wahlkampf ist im vollen Gange. Die nächste Regierungsperiode wird wegweisend sein – nicht nur für die Wirtschaft und andere politische Herausforderungen, sondern vor allem auch für die Gesundheitspolitik. Denn: Wir haben keine Zeit mehr!
Wir können die Reformen des Gesundheitswesens nicht weiter aufschieben. Es muss jetzt gehandelt werden. Die demografische Entwicklung und der steigende Versorgungsbedarf brechen uns schon heute das Genick. Die Gesundheitspolitik braucht im Wahlkampf neben den Megathemen Wirtschaft, Migration und Verteidigung einen festen Platz auf der Agenda. Die künftige Bundesregierung muss dringend handeln, um die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitssystems zu gewährleisten.
Unsere Forderungen in unserem Positionspapier zur Bundestagswahl 2025 sind klar: Wir brauchen tiefgreifende, strukturelle Reformen. Bei den Gesetzesvorhaben der Ampelregierung fehlte es aber auch an praxisnahen Lösungen für den ambulanten und stationären Sektor. Akteurinnen und Akteure aus dem Gesundheitswesen wurden in die Entscheidungen viel zu wenig eingebunden.
Internistisch tätige Haus- und Fachärztinnen und -ärzte in den Praxen tragen maßgeblich zur medizinischen Versorgung bei. Deshalb muss der Fokus auf der Stärkung ambulanter Strukturen liegen. Die Entbudgetierung der Haus- und Fachärztinnen und -ärzte ist überfällig und kann nicht weiter ausgesessen werden. Auch innovative Versorgungskonzepte, wie die Selektivverträge, müssen gefördert werden. Sie bieten die Chance auf eine bessere Versorgung.
Die Krankenhausreform wurde gerade noch durchgewunken. Sie ist aber nur ein erster Schritt zu einer modernen Krankenhausstruktur und befindet sich noch im Korrekturmodus, in dem einiges gestrichen und ergänzt werden muss. Eine Vorhaltekostenfinanzierung basiert weiterhin auf Fallzahlen und kann die Fehlanreize des DRG-Systems nicht beheben. Die wirtschaftliche Stabilität vieler Kliniken ist weiterhin gefährdet. Die sektorenverbindende Zusammenarbeit muss gefördert werden, um Doppelstrukturen – wie die geplanten Institutsambulanzen – zu vermeiden und eine flächendeckende, hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen.
Das beinhaltet auch eine konsequente Patientensteuerung, um die knappen Ressourcen des Gesundheitssystems effizient einzusetzen. Hierfür müssen Instrumente, wie digitale Ersteinschätzungen und Versorgungspfade, die von Haus- und Fachärztinnen und -ärzten koordiniert werden, weiterentwickelt und nach dem Prinzip ambulant vor stationär ausgestaltet werden. Die Politik ist gefordert, digitale Steuerungstools sowie die nötige Infrastruktur auszubauen und zur Verfügung zu stellen.
Die fachärztliche Weiterbildung ist der Garant für eine hohe Versorgungsqualität. Mit der Verlagerung stationärer Leistungen in den ambulanten Bereich muss auch die ärztliche Weiterbildung im ambulanten Sektor weiterentwickelt und nachhaltig finanziert werden. 30 Prozent der hausärztlichen Versorgung wird von Internistinnen und Internisten geleistet. Um den drastischen Hausärztemangel zu bekämpfen, fordern wir eine rasche Erweiterung der Förderung der Weiterbildung nach § 75a SGB V, die aktuell nur für die Allgemeinmedizin gilt, auch für die hausärztlichen Internistinnen und Internisten.
Für all das werden wir mit aller Kraft kämpfen und unsere Forderungen auf die Wahlkampf-Agenda setzen. Wir haben keine Zeit mehr: Ein schwer angeschlagenes Gesundheitssystem führt am Ende zu einer kranken Gesellschaft. Das würde der Staat dann teuer bezahlen müssen.
Ihre
Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin
Erschienen in "Die Innere Medizin" 2/2025