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Vom Notfall endlich zur Reform

© Phil Dera

Nach wenigen Wochen im Amt hat die Bundesgesundheitsministerin Nina Warken ihre Top 5 der am dringendsten umzusetzenden Reformen benannt. Dazu zählen die Stabilisierung der Sozialversicherungen, die Einführung des Primärarztsystems und die Entbürokratisierung. An erster Stelle steht aber die Reform der Notfallversorgung und der Rettungsdienste, die eng verzahnt ist mit der geplanten Umsetzung der Krankenhausreform. Der Zeitrahmen dazu ist ambitioniert, es sollen schon in diesem Sommer konkrete Pläne im Kabinett vorgestellt und diskutiert werden.

Nina Warken kann dabei auf einen vorliegenden Referentenentwurf aus ihrem Ministerium von Juni 2024 zurückgreifen. Darin ist vieles enthalten, was sich in den Empfehlungen der Regierungskommission findet. Und sie kann in der konkreten Ausgestaltung auch noch unsere Forderungen aufgreifen. Die haben wir 2022 in einer „BDI Position“ formuliert, und auch in unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf findet sich Kritik wie zum Beispiel an dem Versuch, durch die Festlegung von Sprechstundenzeiten die ärztliche Freiberuflichkeit einzuschränken.

Denn der Schritt hin zur Reform ist längst überfällig. Nur durch eine stärkere Steuerung der Patientinnen und Patienten kann eine spürbare Entlastung der Notaufnahmen und Rettungsdienste erreicht werden. Und nur so schaffen wir es im Rahmen begrenzter personeller und finanzieller Kapazitäten, die akuten Fälle zielgerichteter zu behandeln und die unkritischen Hilfesuchenden dorthin zu verweisen, wo sie sinnvoll betreut werden können. Ein Prinzip, dass auch die Primärarztversorgung leiten sollte.

Ein wichtiger Bestandteil neben den bestehenden Portalpraxen und mobilen KV-Diensten, sowie dem Ausbau der digitalen Ersteinschätzung sollen die integrierten Notfallzentren (INZ) werden. Uns muss daran gelegen sein, dass sich deren Standorte dabei stärker an den regionalen Gegebenheiten orientieren als an der flächendeckenden Einrichtung. Dabei ist die Wechselwirkung zwischen der Zuweisung der Leistungsgruppen im Rahmen des KHVVG und den INZ ein wichtiger Planungsfaktor.

Gerade jetzt die Notfallreform zügig anzugehen, macht in Bezug auf die Krankenhausreform Sinn. Denn eine präzisere Steuerung in die Notaufnahmen braucht auch die Sicherheit einer entsprechenden stationären Infrastruktur. Und die ist nur dann gewährleistet, wenn eine gute Krankenhausversorgung für die Menschen vor Ort, auch im ländlichen Raum, existiert. Darum sollte jetzt die Festlegung der Leistungsgruppensystematik und die Zuordnung der Behandlungsfälle in die Leistungsgruppen mit besonderer Sorgfalt erfolgen. Das ist ein wichtiger Schritt für die Umsetzung der Krankenhausreform.

Und so sehr uns der Einsatz digitaler Technologien bei der Ersteinschätzung unterstützen wird, so wichtig ist die Ausstattung der Leitstellen. Denn eine durchgängige Akutleitstelle, die durch die Vernetzung der Rufnummern 116 117 und 112 entsteht, ein aufsuchender Dienst sowie eine telemedizinische Akutversorgung ist mit den vorhandenen Ressourcen so nicht zu schaffen. Deshalb ist auch hier eine Finanzierung aus Steuermitteln zwingend erforderlich.

Wir freuen uns, dass die Ministerin angekündigt hat, die Vorgaben und Anforderungen der Notfallreform noch einmal mit Blick auf die Ziele der Reform und die Beibehaltung oder sogar Verbesserung der Versorgungsqualität zu überprüfen – auch im Dialog mit den Praktikern wie uns im BDI.

Denn gemeinsam können wir es schaffen, durch aufeinander abgestimmte Steuerungsinstrumente, angefangen bei der Notfallversorgung bis hin zum Primärarztsystem, unser Gesundheitssystem zukunftssicher zu machen – für die Beschäftigten dort ebenso wie für die Patientinnen und Patienten.

Ihre

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDI aktuell 7+8/2025