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Vier-Tage-Woche für Arztpraxen

Der Virchowbund aufgrund der angespannten Lage in den Praxen vorgeschlagen, künftig nur noch an vier Tagen in der Woche für die Versorgung geöffnet sein. Der Mittwoch sollte generell dazu genutzt werden, bürokratische Aufgaben zu erledigen und Fortbildungen zu ma­chen.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, 

der Virchowbund hat in der vergangenen Woche die Niedergelassenen dazu aufgerufen, mittwochs ihre Praxen zu schließen und den Praxisbetrieb zukünftig auf eine 4-Tage-Woche umzustellen. Der Mittwoch soll zukünftig dafür genutzt werden, bürokratische Aufgaben zu erledigen und Fortbildungen zu ma­chen.

Die Idee ist sowohl unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten als auch mit Blick auf die Arbeitsbelastung grundsätzlich charmant: Die Budgetierung ärztlicher Leistungen, die Streichung der Neupatientenregelegung sowie das ernüchternde Ergebnis der Honorarverhandlungen sorgen in Kombination mit den gestiegenen Energiekosten und der Inflation für einen enormen Kostendruck in den Praxen. Dass Leistungen, die nicht bezahlt werden, auch nicht länger erbracht werden können, ist die logische Konsequenz politischer Versäumnisse und der kontinuierlichen Missachtung der Niedergelassenen. 

Zudem ist Belastung des Personals auf einem Niveau angelangt, das auf Dauer nicht mehr durchzuhalten ist. Es ist schlichtweg nicht möglich, die Nachfrage nach Diagnostik, Therapie, Betreuung und Zuwendung noch im Rahmen der Regelarbeitszeit ausreichend zu erfüllen. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht verwunderlich, dass viele Kolleginnen und Kollegen und MFA unter den jetzigen Bedingungen nicht bereit sind, unverändert weiterzumachen. Bürokratie erfordert mittlerweile gut ein Drittel der Zeit, die den Patienten nicht mehr zur Verfügung steht. Zudem leiden die Praxen unter Personalmangel, auch weil die Arbeitszeiten und die Bezahlung in den Praxen schlechter sind als in anderen Dienstleistungsbereichen. Eine Vier-Tage-Woche könnte hier für Entlastung sorgen und die Attraktivität des Berufsbildes steigern. 

Gleichzeitig kann es keine dauerhafte Lösung sein, dass die Patientinnen und Patienten stattdessen in Krankenhäuser gehen. Die Arbeitsbelastung in den Kliniken ist ebenfalls extrem hoch. Die stationär tätigen Kolleginnen und Kollegen arbeiten seit Monaten – insbesondere in der aktuellen Infektwelle – am Limit.  

Deswegen darf die Politik die Versorgungsbereiche nicht gegeneinander ausspielen. Was jetzt notwendig ist, sind tiefgreifende Reformen der ambulanten und stationären Finanzierung und Versorgungsstrukturen, die für eine spürbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen sorgen. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei die Entbudgetierung der vertragsärztlichen Versorgung. Dann besteht auch keine Notwendigkeit mehr für eine Vier-Tage-Woche. 

Ihre
Christine Neumann-Grutzeck