BDI: Anfang Mai erklärten die Universitätskrankenhäuser in NRW aus dem eigenen Landes-Arbeitgeberverband auszutreten, um direkte Verhandlungen mit ver.di zu beginnen. Würden Sie uns diesen ungewöhnlichen Schritt kurz einordnen. Wie wirkt sich der Austritt der Uniklinika auf die anderen Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft aus?
Armin Ehl: Tatsächlich haben nicht die Uniklinika diesen Schritt beschlossen, sondern die Landesregierung. Nach Ansicht der Landesregierung ermöglicht diese Vorgehensweise die von der Gewerkschaft ver.di verlangte Verhandlung über einen Entlastungstarifvertrag für die Beschäftigten in der Pflege der Uniklinika. Eben diese Verhandlungen hatte die TdL (Anm. d. Red.: Tarifgemeinschaft der Länder) dem Arbeitgeberverband des Landes untersagt. Gleichzeitig will die Landesregierung offenbar die Tarifbindung der Uniklinika und ihrer Beschäftigten an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) im Übrigen sicherstellen. Auswirkungen für die Beschäftigten in den kommunalen Häusern sind allein durch den Schritt des Landes nicht zu erwarten.
BDI: Die Tarifgemeinschaft der Länder hatte Verhandlungen mit ver.di aufgrund deren Forderungen zu Mindestbesetzungsregelungen abgelehnt. Um solche Regelungen wird man, wie sie erwähnt haben, in den laufenden Verhandlungen nicht mehr herumkommen. Was versprechen sich die Uniklinika von einer solchen Regelung?
Armin Ehl: Diese Frage müssten tatsächlich die Uniklinika selbst oder die Gewerkschaft ver.di beantworten. Ziel – so die Charité und ver.di nach Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages in einer Pressemitteilung – ist demnach die Entlastung der Beschäftigten mittels einer fest definierten Mindestpersonalbemessung für alle bettenführenden Stationen sowie für Funktionsbereiche wie Anästhesie, Radiologie, Zentrale Notaufnahmen, OP oder Entbindungsräume. Damit soll der Pflegeberuf attraktiver werden.
BDI: Welche Auswirkungen ergeben sich aus Sicht des Marburger Bundes nach dem Austritt der Uniklinika aus der TdL?
Armin Ehl: Zunächst keine. Die Ärztinnen und Ärzte, die an den Uniklinika in NRW arbeiten, sind in der ganz überwiegenden Mehrheit Beschäftigte des Landes NRW. An dessen Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband des Landes NRW ändert sich aber nach unserer Kenntnis nichts. Faktisch werden aber auch in der Ärzteschaft Stimmen nach spezifischen Entlastungsregelungen immer lauter. Wir glauben allerdings, dass solche Regelungen zum einen nicht nur für NRW sinnvoll sind, sondern für sämtliche Ärztinnen und Ärzte und dass so etwas deshalb auch in den arztspezifischen Flächentarifverträgen zu regeln ist. Zum anderen sind wir skeptisch, ob Mindestbesetzungsregelungen tatsächlich Entlastung bringen. Wichtiger scheinen uns Stellenpläne, die den Beschäftigten im Gesundheitswesen die realistische Möglichkeit geben, ihre Aufgaben lege artis und bezogen auf den individuellen Patientenbedarf erledigen zu können. Wir wollen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihren Beruf brennen, aber nicht, dass sie nach kurzer Zeit ausgebrannt sind.
BDI: Der Ärztetag hat diesen Mai ein Instrument zur Kalkulation patienten- und aufgabengerechter ärztlicher Personalausstattung beschlossen. Kommt das nicht zu spät?
Armin Ehl: Gut ist, dass sich die Ärzteschaft dieser Sache endlich angenommen hat. Entsprechenden Überlegungen des Marburger Bundes sind immer wieder unter Hinweis auf die Spezifität jeder einzelnen Abteilung Absagen erteilt worden. Der vorgestellte Ansatz ist sehr komplex und gleichzeitig gut nachvollziehbar. Und er scheint die Möglichkeit einer angemessenen Personalbemessung, im Gegensatz zur Mindestbesetzung, zu eröffnen. Deshalb begrüßen wir diesen Schritt ausdrücklich und werden sehr genau prüfen, ob wir bei zukünftigen tarifpolitischen Zielsetzungen nicht auch auf Erkenntnisse aus dem Gebrauch dieses Tools der BÄK zurückgreifen können.
Das Interview führte Tilo Radau.
Erschienen in BDIaktuell 07/08/2022