„Alea iacta est“ – die Würfel sind gefallen! Wenn Sie diese Ausgabe von „BDI aktuell“ in den Händen halten, wissen Sie bereits mehr über den Ausgang der Bundestagswahl und möglicherweise auch darüber, wie sich die Zukunft der Gesundheitspolitik gestalten könnte, als ich beim Verfassen dieses Artikels.
Unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl steht fest, dass die künftige Bundesgesundheitsministerin oder der künftige Bundesgesundheitsminister in der kommenden Legislaturperiode ein Umdenken einleiten muss. Strukturelle Reformen sind erforderlich, um eine nachhaltige Verbesserung der ambulanten Versorgung in Deutschland zu ermöglichen und damit eine qualitativ hochwertige Versorgung zu sichern. Die Umsetzung der Entbudgetierung in der hausärztlichen Versorgung durch die Verabschiedung der zusammengestrichenen Gesetzesvorlage des GVSG in den letzten Atemzügen des 20. Deutschen Bundestages war ein richtungsweisender Schritt, um einen Teil der ambulanten Versorgung abzusichern. Die Politik hat also erkannt, dass die Budgetierung ein Problem für die Patientenversorgung darstellt. Folgerichtig müsste nun die Entbutgetierung in der fachärztlichen Versorgung der nächste Schritt sein. Ungeklärt ist, wie der G-BA die im GVSG vorgesehene Umsetzung der Vorhaltepauschale und der neuen Versorgungspauschale für chronisch Kranke im Detail vornehmen wird. Insbesondere die Vorhaltepauschale ist an bestimmte Kriterien gebunden, wie z.B. bedarfsgerechte Öffnungszeiten, die jedoch noch nicht detailliert ausformuliert sind. Eine Forderung nach längeren Öffnungszeiten der Arztpraxen ist aus Patientensicht und der Politik in der Theorie nachvollziehbar. In der Realität stößt jedoch eine Öffnung z.B. nach 19 Uhr oder an Samstagen auf personelle Grenzen. Schon jetzt sind kaum noch MFA zu finden. So wird der Beruf sicher nicht attraktiver.
Zu befürchten ist außerdem, dass die Leistungen von Schwerpunktpraxen wie Diabetologen oder Infektiologen durch die oben genannten Pauschalen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Spezialisierte Schwerpunktpraxen müssen bei der Ausgestaltung der Pauschalen aber einbezogen werden, um ihre wichtige Rolle in der Versorgung zu erhalten. Hier hoffen wir auf sinnvolle Entscheidungen des G-BA, die sich an der Versorgungsrealität orientieren.
Ähnliche Fragen zur Umsetzbarkeit wirft die anmaßende Forderung nach einer Termingarantie sowie die zentrale Terminvergabe durch die Krankenkassen auf, wie sie vom geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und dem GKV-Spitzenverband während des Wahlkampfes geäußert wurden. Obwohl diese Vorschläge auf den ersten Blick verlockend für Patientinnen und Patienten erscheinen, sind sie symptomatisch für die politische Neigung, schnelle Lösungen für komplexe Probleme zu präsentieren. Aus ärztlicher Sicht machen diese Forderungen jedoch fassungslos, da sie grundlegende strukturelle Herausforderungen ignorieren, mit denen Fachärztinnen und Fachärzte täglich konfrontiert sind. Würden solche Maßnahmen umgesetzt, griffe dies nicht nur in die Praxisorganisation und Freiberuflichkeit ein, sondern schaffte auch neue bürokratische Hürden.
Auf der anderen Seite gehen viele vereinbarte Arzttermine ungenutzt verloren oder werden kurzfristig abgesagt. Der BDI fordert daher die Politik auf, sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten stärker in die Verantwortung genommen werden, wenn sie vereinbarte Arzttermine nicht wahrnehmen.
Schließlich wird mit der Verlagerung von stationären Leistungen in den ambulanten Bereich auch die Weiterbildung zunehmend in die ambulante Versorgung verlagert. Konsekutiv muss damit auch die Finanzierung der Weiterbildung im ambulanten Bereich gesichert werden, um den veränderten Anforderungen gerecht zu werden und dem drohenden Fachärztemangel entgegenzuwirken.
Das politische Ziel sollte daher darin bestehen, Lösungen für eine nachhaltige medizinische Versorgung zu entwickeln. Dabei dürfen jedoch keine unrealistischen Erwartungen bei den Patientinnen und Patienten geweckt werden.
Als BDI setzen wir uns für eine realistische und nachhaltige Politik ein, die sowohl den Erwartungen der Patientinnen und Patienten als auch den Bedürfnissen unserer Kolleginnen und Kollegen gerecht wird.
Ihre
Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin
Erschienen in BDI aktuell 3/2025