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Schlingerkurs im Wochentakt

Gut erholt und voller Tatendrang sind wir alle aus unseren Sommerferien zurückgekehrt. So wie die allermeisten Schülerinnen und Schüler vergeblich darauf gehofft haben, dass ihre Schulen wie von Zauberhand renoviert und instandgesetzt sind, so geht es auch mit dem Gesundheitssystem. Zwar wird allerorten fleißig herumgewerkelt und angekündigt, aber fertiggestellt ist noch wenig.

© Phil Dera

Was hat uns nicht alles in einer einzigen Woche an Neuem erreicht? Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat mit dem Bundes-Klinik-Atlas eines der Prestigeprojekte ihres Vorgängers, Prof. Karl Lauterbach, zumindest ausgebremst. Es gebe ja bereits das bestehende und besser angenommene Verzeichnis der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), da bringe eine Doppelstruktur wenig Nutzen. Würde auf ihn ganz verzichtet, ließen sich Ausgaben und bürokratischer Aufwand einsparen.

Eine direkte Auswirkung auf die prekäre Lage der gesetzlichen Krankenkassen hätte das nicht. Aber da hat nun der GKV-Spitzenverband im Auftrag und Namen der gesetzlichen Krankenkassen das Heft des Handelns übernommen und Klage eingereicht: Der Bund soll die systematische Unterfinanzierung der gesundheitlichen Versorgung von gesetzlich versicherten Bürgergeldbeziehenden beenden. Jahr für Jahr müsste der Bund 10 Milliarden Euro mehr für alle versicherungsfremden Leistungen einzahlen, doch das tut er nicht. Die Folge ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch den stetig ansteigenden Beitrag diese Fremdausgaben mitfinanzieren – es ist ein Griff in die Kasse der GKV, den wir als BDI schon lange kritisieren. Und das nächste Kassenminus steht bevor.

Nun hat Nina Warken erstmals auch Leistungskürzungen nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen. Ihr Staatssekretär Tino Sorge spekulierte sogar über günstigere Basistarife in der GKV als Einsparmodell. Zumindest eines lässt sich daraus ableiten: Die Diskussionen über die zukünftige Finanzierung unseres Gesundheitssystems werden auf breiter Basis und ohne Denkverbote geführt. Damit befasst sich jetzt auch die Expertinnen- und Expertenkommission, deren Besetzung Nina Warken am 12.9. bekannt gegeben hat: Zehn Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Ökonomie, Medizin, Sozialrecht, Ethik und Prävention sollen bis März 2026 erste Maßnahmen vorstellen, mit denen der Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkassen stabilisiert werden kann. Der größere Wurf mit Ideen zur strukturellen Anpassung soll bis Anfang 2027 auf dem Tisch liegen.

Vor diesen Diskussionen sollten aber die wichtigen, im Koalitionsvertrag verbindlich vereinbarten Punkte nicht aus den Augen verloren werden: die Korrektur und vor allem die Umsetzung der Krankenhausreform und damit eng verknüpft die Notfallreform, die wir als BDI schon lange fordern und die nicht auf die lange Bank geschoben werden darf. Auch die inhaltliche Ausgestaltung und anschließende Diskussion des angekündigten Primärarztsystems muss fortgeführt werden.

Diese Reformen sind vor allem deshalb so wichtig, um die Versorgungssicherheit unserer Patientinnen und Patienten zu gewährleisten. Das heißt, eine funktionierende Krankenhausreform muss die realen Bedingungen und Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen, aber weiterhin unter Aspekten der Qualitätsverbesserung das Ziel des effizienten Einsatzes der verfügbaren Mittel verfolgen. Des Weiteren müssen wir die Menschen im Notfall schnell und präzise in die richtigen Versorgungsebenen bringen und dabei auf digitale Unterstützung bei der Ersteinschätzung bauen. Und nicht zuletzt müssen wir die differenzierte Steuerung in der Regelversorgung zum Auskommen und Wohle aller finanzieren. Dazu zählt, dass durch die Steuerung erforderliche und erbrachte Leistungen aller Ärztinnen und Ärzte vollumfänglich bezahlt und damit entbudgetiert werden müssen.

Und wir müssen die ambulante Weiterbildung stärken, anstatt sie stiefmütterlich zu behandeln wie aktuell bei der Krankenhausreform. Wenn uns das nicht gelingt, verbauen wir uns das Potenzial, um den Rückgang an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten aufzufangen. Denn die zunehmende Ambulantisierung können wir nur durch gut ausgebildete und qualifizierte Ärztinnen und Ärzte sicherstellen: Versorgung muss da möglich sein, wo die Menschen sind und versorgt werden müssen!

Ihre

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDI aktuell 10/2025