Endlich steht sie bevor: die lang erwartete Entbudgetierung der Hausärztinnen und Hausärzte! Kurz vor den Wahlen sollen sich die ehemaligen Ampelkoalitionäre auf die Umsetzung einiger Aspekte des GVSG geeinigt haben. Dieser Schritt, der eine erhebliche Verbesserung der hausärztlichen Versorgung mit sich bringen wird, war bereits im Koalitionsvertrag vor drei Jahren verabredet worden. Die Umsetzung der Entbudgetierung der Hausarztpraxen darf jedoch nur der Anfang sein. Um eine bedarfsgerechte Versorgung, einen schnelleren Zugang zur fachärztlichen Diagnostik und die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten zu gewährleisten, muss die Politik die Budgets in der gesamten vertragsärztlichen Versorgung abschaffen.
Vieles ist in der vergangenen Legislaturperiode dennoch liegen geblieben, weswegen auf die künftige Bundesgesundheitsministerin oder den künftigen Bundesgesundheitsminister eine Fülle an Arbeit wartet – von der GKV-Finanzreform über die Notfallreform, dem notwendigen Barriere- und Bürokratieabbau sowie den Ausbau einer funktionierenden Telematikinfrastruktur bis hin zur Umsetzung einer neuen GOÄ. Nach der Entbugetierung in der hausärztlichen Versorgung sollte man aber meinen, dass es möglich sein muss, auch in anderen Bereichen konstruktive Lösungen zu finden.
In ihren Wahlprogrammen machen die Parteien zahlreiche Angebote – von A wie „ambulante Versorgungsangebote“ bis Z wie „zukunftsfeste Gesundheitspolitik“. Die Erkenntnis, dass eine stärkere Steuerung erforderlich ist, hat es gleich in mehrere Wahlprogramme geschafft. Es scheint, als wäre in der Politik das Bewusstsein gewachsen, dass das uneingeschränkte Leistungsversprechen nicht länger aufrechterhalten werden kann. Leider zeigen einige Parteien weiterhin wenig Verständnis für die tatsächlichen Gegebenheiten, was sich an ausgewählten Beispielen verdeutlichen lässt.
Selbst wenn die Forderung nach schnelleren Facharztterminen nachvollziehbar ist, geht der SPD-Vorschlag einer Termingarantie völlig an der Wirklichkeit vorbei. Minister Lauterbach hat durch die Streichung der Neupatientenregelung und das Festhalten an der fachärztlichen Budgetierung maßgeblich zur Problematik der Terminvergabe beigetragen oder diese zumindest nicht entschärft. Insbesondere in Regionen mit Unterversorgung oder unzureichender medizinischer Infrastruktur wird eine Termingarantie nichts an der bestehenden Situation ändern. BÜNDNIS 90/Die Grünen schlagen mit ihrer Forderung nach einer Erhöhung des Sprechstundenanteils in dieselbe Kerbe der Realitätsverweigerung. Ebenfalls wieder aufgegriffen wurde die Forderung nach Gesundheitskiosken. Dieses Postulat befeuert erneut die Debatte über unnötige und teure Doppelstrukturen in der ambulanten Versorgung.
Die Krankenhausreform kann lediglich als das Ergebnis einer ersten Etappe in einem umfassenden Transformationsprozess betrachtet werden. Sie erfordert aber noch umfangreiche Anpassungen, die nur unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten und in Zusammenarbeit mit Fachleuten realisiert werden können. Es bleibt abzuwarten, wer nach der Wahl den Mut hat, die dringend benötigten Anpassungen im stationären Reformprozess anzugehen. Die Vorschläge reichen von Korrekturen an der Reform über Rückabwicklungen bis hin zu vagen Maßnahmen zur Zukunft der Krankenhausversorgung. Eines ist klar: Die Neuwahlen werden notwendige Schritte im Reformprozess verzögern.
Als BDI werden wir auch nach der Wahl aktiv am Diskussions- und Gestaltungsprozess teilnehmen, um die Interessen der Internistinnen und Internisten deutlich zu artikulieren und für eine Gesundheitspolitik einzutreten, die eine gute Versorgung unserer Patientinnen und Patienten gewährleistet.
Die Herausforderungen sind groß, doch wir sind entschlossen, sie anzunehmen und gemeinsam mit der Politik geeignete Lösungen zu finden. Für eine bessere Gesundheitspolitik – für eine bessere Versorgung: Jetzt ist der Moment, in dem wir alle an der Wahlurne gefordert sind!
Ihre
Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin
Erschienen in BDIaktuell 2/2025