Grünes Licht für Herrn Lauterbach: Der Bundestag hat die Krankenhausreform beschlossen. Jetzt ist der Bundesrat am Zug. Die Reform ist in der Länderkammer zwar nicht zustimmungspflichtig, einige Länder haben aber angekündigt, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Das kostet Zeit und würde die Reform vorerst ausbremsen. Auch Änderungen am Gesetz sind in der Vermittlung zumindest theoretisch noch möglich.
Ist das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) der große Wurf, die Revolution, die Herr Lauterbach lautstark angekündigt hat? Das Ziel war, die Fehlanreize des DRG-Systems zu beseitigen und das aktuell ungesteuerte Krankenhaussterben zu stoppen. Ist das gelungen? Zweifel sind angebracht und die Kritik aus allen Richtungen ist auch nicht als Zeichen eines besonders gelungenen Gesetzes zu sehen, wie der Minister gerne suggeriert.
Die Vorhaltepauschale als leistungsunabhängige Pauschale sollte die Finanzierung der Kliniken sichern. Leider ist die Vorhaltefinanzierung nach dem neuen Gesetz wieder an die Fälle gekoppelt – und somit eine Mogelpackung. Denn es besteht die Gefahr, dass es erneut zu mengenindizierten Fehlsteuerungen kommt. Dieses Mal unter dem Deckmantel der Spezialisierung.
Ambulant vor stationär war immer die Devise. Die Ambulantisierung wäre die Lösung, das System finanziell zu entlasten, ökonomischer, patientenfreundlicher und ressourcenschonender zu gestalten. Aktuell ist davon leider wenig zu sehen. Die Hybrid-DRG sind eine Chance, laufen aber weiterhin nur schleppend an. Eine Ambulantisierung setzt funktionierende ambulante Strukturen voraus. Statt die ambulante Versorgung zu stärken, wird sie an vielen Stellen jetzt sogar geschwächt.
Es bestehen zudem ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Kliniken und Praxen – insbesondere im Bezug auf die Investitionskosten. Durch den Krankenhaus-Transformationsfonds wird das noch verstärkt, denn auch Praxen müssen investieren und die Kosten selbst aufbringen. Auch in diesem Gesetz wird Ambulantisierung wieder nur in Richtung Krankenhaus gedacht.
Das letzte Beispiel: Ganz am Ende des Reformprozesses zog Herr Lauterbach neben den hausärztlichen noch die fachärztlichen Institutsambulanzen aus der Schublade. Damit sollen Kliniken künftig stärker für die ambulante Versorgung geöffnet werden. Das belastet die Krankenhäuser zusätzlich und schwächt die niedergelassene Vertragsärzteschaft.
Aber das Gesetz ist bisher nur ein Stück Papier. Und das ist ein besonders großes Ärgernis. Denn auf die angekündigte Auswirkungsanalyse warten wir alle noch. Erst der Praxistest wird zeigen, ob Lauterbachs Rechnung aufgeht. Und das ist symptomatisch: Unser Gesundheitsminister ist ein reiner Theoretiker. Er kennt die echten Schwachstellen im System nicht und hat sich im Reformprozess eher beratungsresistent gezeigt.
Jetzt ist abzuwarten, ob die Länder im Vermittlungsausschuss noch etwas durchsetzen können. In einigen Bundesländern formiert sich Widerstand. Sie befürchten Lücken in der flächendeckenden Versorgung, bürokratische Mehrbelastungen, zweifeln an der finanziellen Stabilität zur Sicherung der Grund- und Notfallversorgung und fordern eine tragfähige Übergangsfinanzierung bis zum Greifen der Reform.
Wir brauchen aber leistungsstarke und ausreichend finanzierte Krankenhäuser und Praxen, um die medizinische Versorgung zukunftsfähig zu gestalten und zu sichern. Wir werden sehen, ob noch etwas bewegt werden kann. Schließlich steht die nächste Reform schon vor der Tür.
Ihre
Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin
Erschienen in BDIaktuell 11/2024