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| Meinung

Im Zweifel für das Krankenhaus

Die Krankenhausreform bleibt ein Wechselbad der Gefühle. Seit knapp zwei Jahren schwanken wir zwischen eifriger Zustimmung und vehementer Ablehnung dessen, was Gesundheitsminister Karl Lauterbach uns großspurig ankündigt: raus aus dem Hamsterrad, mehr Qualität und Ambulantisierung, weniger Bürokratie!

© BDI/ Phil Dera

Die Erwartungen an die Reform wären schon längst ins Unermessliche gestiegen, wenn der Minister uns nicht mit seinen wilden Alleingängen und seiner Beratungsresistenz regelmäßig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hätte – von den anhaltenden Bund-Länder-Querelen, die den Reformprozess insgesamt in Frage stellen, einmal ganz zu schweigen.

Erwartungsvoll, aber durchaus kritisch beschreibt deshalb nicht nur den aktuellen Gemütszustand der Ärzteschaft, sondern ist auch das Ergebnis der ersten Lektüre des fast 200-seitigen Referentenentwurfes, den das Bundesministerium für Gesundheit kürzlich vorgelegt hat.

Dass sich an dem bestehenden Finanzierungssystem für unsere Krankenhäuser etwas ändern muss, ist mittlerweile genauso Konsens wie die Erkenntnis, dass wir unsere personellen und finanziellen Ressourcen besser einsetzen müssen. Deswegen ist es gut, dass der Reformprozess endlich konkret wird.

Viele zentrale Maßnahmen zur zukünftigen Krankenhausplanung und -finanzierung, wie zum Beispiel die Festlegung der Leistungsgruppen und bundeseinheitlichen Qualitätskriterien, sind aber noch gänzlich ungewiss. Das Ministerium möchte sich auch am liebsten ermächtigen lassen, diese Vorgaben per Rechtsverordnung festzulegen. Damit wäre das Gesetz auch nicht durch den Bundesrat zustimmungspflichtig. Ein eleganter Schachzug, sollte er denn gelingen. Gleichzeitig verheißt das, was bereits ausformuliert wurde, nichts Gutes! Der Entwurf sieht vor, die Ambulantisierung durch den Ausbau sektorenübergreifender Versorgungseinrichtungen zu fördern. Dafür müssen Krankenhäuser zukünftig für die vertragsärztliche Versorgung in unterversorgten (oder von Unterversorgung bedrohten) Gebieten zugelassen werden. Im hausärztlichen Bereich sollen Kliniken sogar in allen Planungsbereichen, in denen es keine Zulassungsbeschränkung gibt (betrifft 80 Prozent), Institutsambulanzen eröffnen können. Statt der angekündigten Ambulantisierung wird es also eine „Stationärisierung“ zulasten der Vertragsärzte geben. Wer hätte das gedacht, als man die Niedergelassenen aus dem Reformprozess ausgeschlossen hat?!

Entgegen vieler Warnrufe findet auch ärztliche Weiterbildung keine Berücksichtigung. Einzig im Begründungstext träumt man im Ministerium davon, dass allgemeinmedizinische Institutsambulanzen einen wichtigen Beitrag zur hausärztlichen Nachwuchsgewinnung leisten sollen. Kein Wort zur grundsätzlichen Systematik einer sektorenübergreifenden Weiterbildung, zu anderen Fachgruppen oder zur Finanzierung. Wen soll das überzeugen? Vor diesem Hintergrund ist es unerlässlich, dass wir als BDI aktiv am Diskussions- und Gestaltungsprozess teilnehmen. Wir werden die Interessen der Internistinnen und Internisten deutlich artikulieren und für eine Reform eintreten, die tatsächlich Lösungen anbietet, die wir für eine gute Versorgung unserer Patientinnen und Patienten benötigen.

Ihre 

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin

Erschienen in BDIaktuell 4/2024