Nach Jahrzehnten des weitgehenden therapeutischen Stillstands ist in den letzten Jahren zunehmend Bewegung in die Therapielandschaft der Nephrologie gekommen. Insbesondere durch die bahnbrechenden Studien mit den SGLT-2 Hemmern - wie zunächst DAPA-CKD und später EMPA-Kidney - sind diese Präparate zum therapeutischen Standard bei allen CKD-Patienten geworden, was zu einem deutlichen Rückgang der Dialysepflicht führt. Der nicht-steroidale Mineralokortikoidrezeptorantagonist Finerenon hat in der FIDELIO-DKD Studie bereits 2020 den Nutzen bei Patienten mit diabetischer Nierenerkrankung und Albuminurie belegt, was frühzeitig in den entsprechenden KDIGO-Leitlinien berücksichtigt wurde. Im vergangenen Jahr hat darüber hinaus die FLOW-Studie gezeigt, dass auch GLP-1 Rezeptoragonisten die Progression der diabetischen Nierenerkrankung hemmen können. Erste Studien zeigen einen Nutzen dieser Präparate auch bei alleiniger Adipositas ohne Diabetes. Neben diesen häufigen renalen Erkrankungen können aber mittlerweile auch viele seltenere renale Erkrankungen, wie die IgA-Nephritis, besser behandelt werden. Hierbei steht seit einigen Jahren Budenosid als Therapie zur Verfügung. Hinzu kommt seit kurzem der duale Rezeptorantagonist (Angiotensin II und Endothelin) Sparsentan. Auf der ASN-Tagung in San Diego wurden kürzlich weitere zusätzliche Studien mit Therapeutika für die IgA-Nephropathie vorgestellt - wie der Endothelinrezeptorantagonist Atrasentan oder der gegen CK38 gerichtete Antikörper Felzartamab. Darüber hinaus sind mit den anti-APRIL (a proliferation inducing ligand)-Antikörpern Zigakibart und Sibeprenlimab sowie den zusätzlich BAFF (B-cell activating factor) inhibierenden Antikörpern Atacicept, Povetacicept und Telitacicept weitere therapeutische Ansätze allein bei dieser Erkrankung nicht weit von der klinischen Zulassung entfernt. In San Diego wurden außerdem neue Studien mit den Komplementinhibitoren Iptacoban und Pegectacloban vorgestellt. Beide Therapeutika versprechen erstmalige Therapien für Patienten mit einer C3-Glomerulopathie. Ich könnte noch viele weitere Therapeutika auflisten, die unseren nephrologischen Patienten bereits jetzt oder in naher Zukunft additive oder auch erstmalige Therapiemöglichkeiten bieten könnten. Das ist großartig und hilft uns, die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie möglichst weit hinauszuschieben und vielleicht in manchen Fällen sogar ganz zu vermeiden. Auch sollten die Effekte auf die Lebensqualität und -prognose nicht unterschätzt werden.
Leider geht dieser pharmakologische Fortschritt aber auch mit Problemen einher. Manche dieser Probleme sind medizinischer Natur und müssen in Teilen noch durch Studien geklärt werden (beispielsweise die Frage, welcher IgA-Nephropathiepatient mit welcher der neuen Therapeutika behandelt werden soll, möglicherweise auch mit Kombinationen aus verschiedenen Medikamenten). Ein großes Problem ist aber auch die mit diesen neuen Therapeutika verbundenen hohen Kosten. So liegen die Jahrestherapiekosten bei Budesonid bei knapp 93.000€ (für die 9-Monatstherapie), die für Sparsentan bei gut 59.000€. Iptacopan ist in den USA bereits dank eines beschleunigten Zulassungsverfahrens durch die FDA für die Therapie der IgA-Nephritis seit dem August 2024 zugelassen. In Deutschland kann das Präparat bereits für die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie verschrieben werden bei Kosten von knapp 450.000€ pro Jahr. Tatsächlich sind die Kosten für Arzneimittel allein in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres um 9,9 Prozent, bzw. 3,7 Milliarden Euro gestiegen. Lediglich die Pflegepersonalkosten hatten mit einem Plus von 12,8 Prozent einen noch höheren Steigerungsgrad aufzuweisen im selben Zeitraum. Die Gesamtausgaben für Medikamente in Deutschland liegen bei vorläufigen Schätzungen bei ca. 54 Milliarden Euro. Kein Wunder, dass die Krankenkassenbeiträge weiter steigen, was die ohnehin sehr hohen Kosten für Arbeit in Deutschland weiter verteuert. Dies kann angesichts der zunehmenden wirtschaftlichen Probleme niemand wollen.
Was also tun? Wir werden um ein deutliches Umsteuern in der Gesundheitspolitik nicht herumkommen. Hier wäre es Aufgabe der Politik, den Menschen klarzumachen, dass nicht mehr alles für jeden frei verfügbar sein wird. Ein Blick in die Wahlprogramme zeigt aber, dass sich aktuell alle Parteien vor den Maßnahmen einer vernünftigen Patientensteuerung drücken. Trotz sinkendem Vertrauen der Bevölkerung in das Gesundheitssystem (was auch zur steigenden Zustimmung von populistischen Parteien beiträgt), wird dem Thema Gesundheit erstaunlich wenig Raum in den Wahlprogrammen gewidmet. Stattdessen wird weiterhin ein Rundumsorglospaket versprochen, von manchen Parteien sogar zeitnahe Termine bei allen Fachärzten für jeden. Das ist völlig realitätsfremd in Zeiten von sinkenden Einnahmen und stark steigenden Ausgaben, den Fachkräftemangel noch außen vorgelassen. Der Präsident der Bundesärztekammer hat zu Recht kürzlich darauf hingewiesen, dass das deutsche Gesundheitssystem zu teuer und ineffektiv sei (was sich auch in einer erstaunlich niedrigen Steigerung der Lebenserwartung im Vergleich zu anderen europäischen Staaten widerspiegelt) und damit das für Deutschland enttäuschende Ranking der OECD aufgegriffen. Daher wird die künftige Regierung und der/die zukünftige Gesundheitsminister/in nicht um wichtige Weichenstellungen herumkommen. Auch wir als Ärzte werden uns mehr mit dem Thema Kosten beschäftigen müssen. In den USA und Großbritannien sind schon lange Kosten/Nutzenanalysen an der Tagesordnung. Wir stehen diesbezüglich noch am Anfang. In Zukunft sollte dieses Instrumentarium aber mehr genutzt werden, wobei der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft eine große Bedeutung zukommt, da doch einige der neuen Medikamente nur minimalen Fortschritt bedeuten. Gemeinsam mit den Sektionen müssen daher Empfehlungen für den sinnvollen und kosteneffektiven Einsatz erarbeitet werden. Dies ist eine große Herausforderung. Wir müssen uns ihr aber stellen, um auch noch in Zukunft unseren Patienten wirklich innovative Präparate anbieten zu können.
Herzliche Grüße
Ihr
Prof. Dr. med. Frank Strutz
Stellv. Vorsitzender der Sektion Nephrologie
Erschienen in "Die Nephrologie" 2/2025