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GKV-Finanzstabilisierungsgesetz verabschiedet

Der Deutsche Bundestag hat das viel kritisierte GKV-FinStG beschlossen. Trotz massiver Proteste der Ärzteschaft wird die Neupatientenregelung zum 1.1.2023 abgeschafft. Stattdessen soll Haus- und Fachärzte Honorarzuschläge für schnelle Termine erhalten. Das BDI-Präsidium ordnet die Beschlüsse ein.

© MQ-Illustrations – stock.adobe.com

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Mitglieder,

nach langem Ringen und unter viel Protest wurde in der vorletzten Woche das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz mit den Stimmen der Ampel-Koalition verabschiedet. Das Ergebnis ist ein erneuter Schlag ins Gesicht der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und kann uns nicht zufriedenstellen: Einerseits sind die geplanten Zuschläge, die als Ersatz für die Neupatientenregelung beschlossen wurden, mit Vorsicht zu genießen. Anderseits löst die Bundesregierung das strukturelle Finanzierungsproblem der GKV mit dieser Flickschusterei nicht, sondern verschiebt es nur.

Dennoch – das muss an dieser Stelle festgehalten werden – haben wir mit unseren flächendeckenden Protestaktionen, wie z.B. der gemeinsamen Kampagne der SpiFa-Mitgliedsverbände #WartenBisDerArztKommt, die geplanten Zuschläge überhaupt erst erreicht und viel Aufmerksamkeit für das Thema „Leistungskürzungen im Gesundheitswesen“ in der Politik, bei den Patientinnen und Patienten sowie der Ärzteschaft und Selbstverwaltung erregt.

Das wäre ohne den starken gemeinsamen Auftritt und Ihre Unterstützung nicht möglich gewesen. Dafür möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken. Mit unseren Protesten haben wir deutlich gemacht, dass wir uns nicht alles gefallen lassen und kampagnenfähig sind.

Was wurde beschlossen?


Die Neupatientenregelung, die vor drei Jahren mit dem TSVG eingeführt wurde, wird zum 1. Januar 2023 wieder abgeschafft. Ebenso wird die Finanzierung der offenen Sprechstunde begrenzt.

Als Ersatz für die Neupatientenregelung erhalten sowohl Haus- als auch Fachärzte Zuschläge auf die Versicherten- bzw. Grundpauschale für Patienten, die über die Terminservicestelle (TSS) oder – bei Fachärzten – durch hausärztliche Kolleginnen und Kollegen vermittelt werden:

  1. Akutfall, d.h. Behandlung bis spätestens am Folgetag nach der Terminvermittlung: Zuschlag bis zu 200 Prozent der jeweiligen Versicherten- bzw. Grundpauschale.
  2. Behandlung spätestens am 4. Tag nach der Terminvermittlung: Zuschlag in Höhe von 100 Prozent der jeweiligen Versicherten- beziehungsweise Grundpauschale.
  3. Behandlung spätestens am 14. Tag nach der Terminvermittlung: Zuschlag in Höhe von 80 Prozent der jeweiligen Versicherten- beziehungsweise Grundpauschale.
  4. Behandlung spätestens am 35. Tag nach der Terminvermittlung: Zuschlag in Höhe von 40 Prozent der jeweiligen Versicherten- beziehungsweise Grundpauschale.

Fachärztinnen und Fachärzte können die Zuschläge (mit Ausnahme des Akutfalls! – siehe Punkt 1) nicht nur nach Terminvermittlung durch die TSS, sondern auch nach Vermittlung durch Hausärztinnen und Hausärzte abrechnen.

Hausärztinnen und Hausärzte erhalten für die Terminvermittlung beim Facharzt zukünftig 15 Euro statt wie bisher zehn Euro.

Wie geht es weiter?


Soweit die Vorgaben. Das beschlossene Gesetz muss im nächsten Schritt noch durch entsprechende Beschlüsse des Bewertungsausschusses umgesetzt und in der Folge in die Gebührenordnung und die Honorarverteilung Eingang finden. Inwieweit der geplante 200-Prozent-Zuschlag für Akutfälle danach Bestand hat, bleibt abzuwarten. Aufgrund der Finanzlage der Krankenkassen gehört nicht viel Fantasie dazu, dass am Ende wieder ein Schiedsspruch entscheiden muss. Diese sind zuletzt eher selten zu Gunsten der Ärzteschaft ausgefallen.

Bewertung des Gesetzes und weitere Schritte


Insgesamt sind die geplanten Zuschläge im Zusammenhang mit der Terminvermittlung nur ein Trostpflaster, das den Wegfall der Neupatientenregelung nicht kompensieren kann. Das Gesetz ist – vor allem vor dem Hintergrund der letzten Pandemiejahre – nicht nur ein Ausdruck fehlender Wertschätzung, sondern auch eine Schwächung der ohnehin chronisch unterfinanzierten ambulanten Versorgung.

Die Terminservicestellen werden durch das Gesetz als Steuerungselement massiv aufgewertet. Dass es explizit keine Zuschläge für die Vermittlung von Akutfällen durch Hausärztinnen und Hausärzte gibt, ist ein massives Warnzeichen. Die Begründung: Nur in der TSS gibt es etablierte bundesweit einheitliche standardisierte Ersteinschätzungsverfahren. Damit wird der TSS eine höherwertige medizinische Einschätzung zugemessen, als den hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen!

Mit der neuen Regelung wird zudem wird der direkte Zugang neuer Patienten in die Facharztpraxen unattraktiv gemacht. Für die Patientinnen und Patienten bedeutet die TSS-Vermittlung unweigerlich eine Einschränkung der freien Arztwahl. Für die Praxen bedeutet es zusätzlichen bürokratischen Aufwand, wenn Terminslots für zusätzliche TSS-Patienten bereitgestellt werden müssen. Somit droht das Gesetz nicht nur finanziell, sondern auch organisatorisch ein Rückschritt zu werden.

Wir werden die weitere Entwicklung weiter für Sie begleiten. Mit Blick auf weitere zu erwartende Sparmaßnahmen in den kommenden Jahren, zählen wir zudem auf Ihre Unterstützung, damit wir weiterhin unseren Protest geschlossen zum Ausdruck bringen können.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Christine Neumann-Grutzeck
Präsidentin
  Dr. med. Norbert Smetak
1. Vizepräsident
  PD Dr. med. Kevin Schulte
2. Vizepräsident