Das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist eine der häufigsten Hormonstörungen bei Frauen und oft verbunden mit ernsthaften gesundheitlichen Risiken. Neben Zyklusstörungen, erhöhten männlichen Hormonen und unerfülltem Kinderwunsch steigt bei betroffenen Frauen auch das Risiko für Glukose Stoffwechselstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber, Depressionen und Angststörungen. Es ist bekannt, dass Frauen mit gesichertem PCOS unabhängig vom Lebensalter ein 3-5 fach erhöhtes Risiko für einen Gestationsdiabetes, eine pathologische Glukosetoleranz und einen Typ 2 Diabetes mellitus haben. Das Risiko ist unabhängig vom Körpergewicht, es erhöht sich jedoch mit zunehmender Adipositas. Eine Überprüfung der Glukose Stoffwechsellage ist initial also bei allen Patientinnen mit gesichertem PCOS durch HbA1c und Nüchternglucose sinnvoll. Bei Risiko-Patientinnen mit einem BMI > 25 kg/m2, einer Anamnese von pathologischer Glukosetoleranz und/oder Gestationsdiabetes und/oder Familienanamnese von Typ 2 Diabetes ist ein oraler Glukose Toleranz Test mit 75 g Glukose empfehlenswert. Dies gilt ebenso umgekehrt, d.h. auch prämenopausale Frauen mit Typ 1 oder Typ 2 Diabetes sollten auf das Vorliegen eines PCOS gescreent werden.
Die Krankheit bleibt häufig unerkannt und selbst bei einem Verdacht auf ein mögliches PCOS ist die Diagnose aufgrund sich immer wieder wandelnder Kriterien schwierig.
Umso wichtiger war die Entscheidung im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) mit berufspolitischer Unterstützung der Sektion Endokrinologie/Diabetologie des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) eine deutschsprachige PCOS Leitlinie mit eindeutigen diagnostischen und therapeutischen Empfehlungen zu entwickeln. Koordiniert wurde die Leitlinie von Susanne Reger-Tan (DGE) und Cornelia Jaursch-Hancke (BDI).
Zahlreiche Fachgesellschaften haben zum Gelingen der Leitlinie beigetragen, unter anderem die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), ebenso wie die Deutschen Gesellschaften für Dermatologie, Gynäkologie, Reproduktionsmedizin, Menopausen, Adipositas, Klinische Pharmazie, Ernährungsmedizin, Sportmedizin und Prävention, Ultraschall in der Medizin und Medizinische Psychologie. Außerdem haben sich die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, sowie Kinderendokrinologie und -diabetologie wesentlich eingebracht, um diagnostische Kriterien und Therapiemaßnahmen in der Adoleszenz festzulegen.
Leitlinien sind charakterisiert durch die Formulierung von klaren Handlungsempfehlungen, mit der auch eine klinische Wertung der Ziele mit Relevanz für Patientinnen, Aussagekraft und Anwendbarkeit von Studienergebnissen einhergeht.
Sie dienen in erster Linie dazu, die medizinische Versorgung zu verbessern und sollen auf der Basis solider Informationen eine Orientierungshilfe bieten (Ina Kopp, AWMF Institut für medizinisches Wissensmanagement Management, FB Medizin der Philips Universität Marburg).
Um die Inhalte der Leitlinien in den Gremien und Körperschaften zu vermitteln und damit auch die politische Umsetzung der wissenschaftlichen Empfehlungen zu ermöglichen, bedarf es kontinuierlicher berufspolitischer Arbeit.
Mehr als vier Jahre haben die Mandatsträgerinnen und -träger aller beteiligten wissenschaftlichen Fachgesellschaften ehrenamtlich intensiv um die Formulierung praxisrelevanter interdisziplinärer Empfehlungen gerungen. Jetzt konnte die Leitlinie erfolgreich im das Online-Register der AWMF aufgenommen werden1.
Mit der neuen PCOS Leitlinie wird ein klarer Handlungsrahmen für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte geliefert, mit dem Ziel, langfristig die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Eine Leitlinie für Patientinnen ist derzeit in Arbeit und wird noch in diesem Jahr veröffentlicht.
Ihre
Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke
Vorsitzende der Sektion Endokrinologie/Diabetologie
Erschienen in "Die Diabetologie" 6/2025
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