Mit der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen geht es nicht voran. Weiterhin stößt die elektronische Patientenakte (ePA) auf wenig Gegenliebe bei den Patientinnen und Patienten: Bisher bewegt sich ihre Nutzung im Promillebereich. Die Einführung des eRezepts wurde aufgrund eklatanter Mängel und unzureichender Vorbereitung abrupt gestoppt und auf den Beginn der eAU Mitte des Jahres richten sich bereits bange Blicke.
Die Erwartungen, die wir als ÄrztInnenschaft zu Recht in die digitale Transformation setzen, sind in den letzten Jahren viel zu oft nicht erfüllt worden und aus Hoffnungen wurden Enttäuschungen. Da uns die Anwendungen der Telematikinfrastruktur in unserer Arbeit in Praxis oder Klinik bisher nicht unterstützen, sondern vielmehr hindern und hemmen, ist der Frust groß. Die Digitalisierung nimmt uns Zeit, die wir für unsere Patientinnen und Patienten so dringend benötigen. Dabei sollte sie uns doch eigentlich mehr Zeit schenken.
Mehr Raum für Menschlichkeit
Beim Deutschen Ärztetag 2022 wurden all diese Themen diskutiert. Dabei ging es jedoch nicht primär um eine Problembeschreibung, sondern vielmehr darum, Lösungen zu finden. Dafür galt es, unsere zukünftige ärztliche Position zu bestimmen. Nachdem wir auf dem bedeutenden Ärztetag 2017 in Freiburg die digitale Transformation erstmalig als unsere zukünftige Basis benannt haben, wollten wir nun fünf Jahre später entscheiden, wie diese erreicht werden kann. Die Ziele hierfür sind seit Jahren klar. Unsere Prämisse ist, digitale Neuerungen müssen unsere ärztliche Tätigkeit unterstützen und nicht umgekehrt. Wir wollen die digitale Transformation nicht um der reinen Veränderung willen, sondern um unsere Arbeit ganz konkret zu verbessern. Das Neue muss uns nützen. Und nützen tut es uns, indem es uns wieder mehr Zeit für die uns anvertrauten Patientinnen und Patienten gibt. Digitalisierung und Menschlichkeit in der Medizin dürfen kein Antagonismus sein. Vielmehr soll uns die Digitalisierung wieder mehr Raum und Zeit für Menschlichkeit ermöglichen.
In Bremen sollten keine neuen Ziele definiert werden, sondern nach einer Standortbestimmung Wege aufgezeigt werden, wie die bereits gesetzten Wegmarken zu erreichen sind. Dies spiegelt sich in den Beschlüssen wider: Anwendungen sollen erst dann bundesweit eingeführt werden, wenn diese ausreichend in Feldtests erfolgreich geprüft wurden. Nur so kann Nutzen für die AnwenderInnen gewährleistet und Akzeptanz für deren Anwendung erreicht werden. Sanktionen bei fehlendem Gebrauch sind strikt abzulehnen. Statt auf Sanktionen zu setzen, muss auf die NutzerInnenfreundlichkeit der Anwendungen geachtet werden.
Wo bleibt das Praxiszukunftsgesetz?
Wir wissen, dass die digitale Transformation kein Gratisprodukt ist. Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) stellt in den kommenden Jahren sinnvollerweise den Kliniken Milliardensummen in Aussicht. Dies ist auch für den ambulanten Bereich im Sinne eines Praxiszukunftsgesetzes zwingend erforderlich. Die ePA ist elementarer Bestandteil der zukünftigen digitalen Medizin und dient als Schnittstelle zwischen Ärztinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten. In der aktuellen Form verfehlt die ePA jedoch unsere Erwartungen. Gleichwohl kann sie nur verbessert werden, wenn aus Erfahrungen gelernt werden kann. Dazu muss die Nutzung erhöht werden. Eine dafür dienliche Opt-out-Regelung, die allen Patienten eine ePA zur Verfügung stellt, wurde intensiv in Bremen diskutiert und am Ende mehrheitlich befürwortet.
Letztlich bleibt aber die Frage: Welche Rolle spielen wir Ärztinnen und Ärzte bei der digitalen Transformation? In den letzten Jahren war unser Einfluss gering, was sich auch in den Mehrheitsverhältnissen der Gesellschafter der gematik widerspiegelte. In Bremen wurde ein deutlicher Appell formuliert: Wir wollen nicht weniger, sondern mehr machen. Wir wollen wieder ein effektives Mitbestimmungsrecht in den entscheidenden Gremien haben, auch um sicherzustellen, dass die digitalen Anwendungen für uns zukünftig einen echten Nutzen haben. Die Ziele sind klar, nun gilt es anzupacken.