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| Gastbeitrag

Der Weg zur patientengerechten Personalbemessung

Eine gute Versorgung? Die gelingt nur mit einer patienten- und aufgabengerechten Personalausstattung. Eine Arbeitsgruppe der BÄK hat dafür nun ein Personalbemessungstool erarbeitet – von und für Ärztinnen und Ärzte! Ein Beitrag von Dr. Susanne Johna, Vorsitzende der BÄK-Arbeitsgruppe sowie 1. Vorsitzendes des Marburger Bundes und BDI-Mitglied.

© Landesärztekammer Hessen - Katarina Ivanisevic

Bei der Debatte um den Personalmangel im Krankenhaus ist der Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit eindeutig auf den Bereich der Pflege gerichtet. Diese spiegelt sich auch in der politischen Gesetzgebung wider: Seit dem 1. Januar 2019 gelten Pflegepersonaluntergrenzen, die Pflegepersonalkosten wurden aus dem DRG-System ausgegliedert. Vergessen wird oft, dass die Arbeitsverdichtung und der Personalmangel im ärztlichen Bereich ähnlich dramatisch sind.

65 Millionen Überstunden jährlich

Hochgerechnet aus Umfragen des Marburger Bundes leisten die angestellten Krankenhausärzte rund 65 Mio. Überstunden jährlich. Deswegen ist es so wichtig, dass eine vom Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) eingerichtete Arbeitsgruppe sich intensiv mit dem Thema ärztliche Personalbemessung auseinandergesetzt hat. In knapp dreijähriger Arbeit wurde ein Instrument entwickelt, das Ärztinnen und Ärzten ermöglichen soll, den Bedarf angepasst an die eigene Abteilung zu ermitteln. Henrik Herrmann und ich durften dieser Arbeitsgruppe vorsitzen, die mit großem Engagement das gesetzte Ziel verfolgt hat und nun vom 126. Deutschen Ärztetag mit der Weiterentwicklung beauftragt wurde.

Grundlage sollen nicht etwa Personaluntergrenzen sein, denn Untergrenzen werden schnell zur Regelbesetzung, sondern die ärztliche Personalausstattung, mit der die direkten und indirekten patientenseitigen ärztlichen Aufgaben sowie auch alle weiteren ärztlichen Aufgaben und Pflichten abgedeckt sind. Unsere Forderung ist eine patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung; dieser Begriff sollte nun prägend durch uns als Ärztinnen und Ärzte verwendet werden. Nicht mehr der Erlös darf die Personalbemessung einer Krankenhausabteilung bestimmen, sondern die zu leistenden Aufgaben.

Die Arbeitsgruppe hat unter den Überschriften: Gesetzliche Aufgaben, Qualitätssicherung, Führungsaufgaben, Networking, Übergaben und Besprechungen, Kommunikation, Administration und Dokumentation, Pflichtschulungen, Aus- und Weiterbildung sowie Fortbildung 101 ärztliche Aufgaben und Pflichten detailliert erarbeitet. Diese Zeiten fließen ebenso in die Berechnung ein wie 23 Patientengruppen mit erhöhtem ärztlichen Personalbedarf. Als Beispiele nenne ich Patienten mit Betreuungsbedarf, Isolationsnotwendigkeit oder Sprachbarrieren. In der Phase der Erarbeitung dieser Grundlagen erfolgten zwei Abfragen an insgesamt 36 ausgewählte Fachverbände, auch der BDI war einbezogen.

Bei der Suche nach bereits existierenden Lösungen sind wir schon früh auf das von BDA (Berufsverband Deutscher Anästhesisten) und DGAI (Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin) 2006 veröffentlichte und seitdem mehrfach überarbeitete Excel-Instrument zur Personalbedarfskalkulation im Bereich der Intensivmedizin gestoßen. Das Tabellenwerk, in dem Grunddaten wie die Nettoarbeitszeit pro Vollkraft, das Dienstmodell, aber auch z.B. die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte zu Beginn oder am Ende der Weiterbildung aufgeführt sind, ist die Basis des von der BÄK weiter entwickelten Instruments.

Ein Tool mit individuellem Charakter

Klar ist, dass bei der ärztlichen Personalbemessung die einfache Lösung eines „One size fits all“ nicht funktioniert. Keine internistische oder chirurgische Abteilung ist genau gleich wie eine andere. Deswegen wird auch nach der Fertigstellung und Entscheidung der BÄK, wie Ärztinnen und Ärzte auf das Tool zugreifen können, das Ausfüllen der Tabellen und die Anpassung an die eigene Abteilung mit einem relevanten zeitlichen Aufwand verbunden sein. Es wird uns aber die Möglichkeit geben, den rein ökonomisch getriggerten Daten der kaufmännischen Geschäftsführungen mit eigenen Berechnungen etwas entgegensetzen zu können. Nur wenn eine patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalausstattung in allen Krankenhausbereichen realisiert ist, wird das Krankenhaus mit den vielen anderen Arbeitsmöglichkeiten für Ärztinnen und Ärzte bei zunehmendem Fachkräftemangel konkurrieren können. Eine solche Personalausstattung ist die Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige und sichere Patientenbehandlung.