Bereits als ich 2013 in den Deutschen Bundestag einzog, war die gesundheitliche Versorgung vor Ort eines der drängenden Themen, die immer wieder im Fokus der politischen Entscheidungen standen. Längst ist die Frage der wohnortnahen medizinischen Strukturen kein Nischenthema mehr, im Gegenteil: Bedingt durch die Demografie gewinnt sie immer stärker an Bedeutung.
Eine zentrale Rolle nimmt dabei die ambulante ärztliche Versorgung ein, die von den Teams in zahlreichen Arztpraxen in unserem Land in unverzichtbarer Weise sichergestellt wird. Die rund 23.000 Internistinnen und Internisten, die der BDI repräsentiert, wären aus unserem Gesundheitswesen nicht wegzudenken. Ihr Engagement wurde bis vor wenigen Jahren fälschlicherweise gern als selbstverständlich hingenommen.
Doch spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie dürfte auch den Letzten klar geworden sein, welchen Beitrag die Teams in den Praxen für unser aller Gesundheit und für unsere Versorgungssicherheit leisten. Die Praxen haben die Übernahme zusätzlicher Aufgaben in das bisherige Tagesgeschäft bewältigen müssen und arbeiten seit über zwei Jahren unter Pandemiebedingungen vielerorts am Anschlag. An dieser Stelle möchte ich deshalb herzlich all jenen danken, die sich mit großem Einsatz an den Impfkampagnen vor Ort beteiligt und so dazu beigetragen haben, deutschlandweit ein niedrigschwelliges Netz an Impfangeboten für die Bürgerinnen und Bürger aufzubauen.
Das Ziel: die bestmögliche Versorgung
Die unionsgeführte Bundesregierung hat in der letzten Legislaturperiode in der Konzertierten Aktion Pflege vereinbart, eine systematische Analyse der Versorgungsprozesse und der daran beteiligten Professionen durchzuführen. Im Herbst 2019 wurde daraufhin ein Strategieprozess zur interprofessionellen Zusammenarbeit im Gesundheits- und Pflegebereich eingeleitet, Gegenstand des Prozesses waren auch Versorgungsansätze wie das Community Health Nursing oder Fragen des interprofessionellen Lernens.
Klar ist: Am Schluss dieses Prozesses muss die bestmögliche Versorgung für die Patientinnen und Patienten stehen, dafür müssen die Versorgungsabläufe und die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen, wenn nötig, neu strukturiert werden. Dafür wünsche ich mir einen breiten Konsens in den politischen Gremien, ein konstruktives Miteinander und mehr interprofessionelles Teamwork vor Ort. Es hat sich in vielen Versorgungssituationen als bereichernd erwiesen, die verschiedenen Gesundheitsberufe in neuen Konstellationen zusammenarbeiten zu lassen.
Die Union hat bis zuletzt (und neben der tragenden Rolle der Ärztinnen und Ärzte) stets auch auf die Bedeutung des nicht-ärztlichen Personals, auch am Beispiel der Medizinischen Fachangestellten, als stabile und wichtige Säule in unserem Gesundheitswesen hingewiesen.
Chancen der Delegation
Für uns ist grundsätzlich klar, dass diejenigen, die entsprechend qualifiziert sind, auch mehr Verantwortung verdienen und erhalten sollen. Diese Entwicklung ist in den vergangenen Jahren bei der Delegation unter ärztlicher Aufsicht bereits gut vorangeschritten. Nur im Team kann die Arbeit funktionieren, insbesondere in kleineren Strukturen, wie in den ambulanten Praxen, wird dies sehr deutlich. Teamwork ist der Schlüssel, gerade im Stress.
Flankierend dazu ist es dringend notwendig, die Digitalisierungsprozesse in den Praxen und den Bürokratieabbau weiter voranzutreiben, damit die Arbeit mit den Menschen auch künftig im Mittelpunkt stehen kann. Wir werden diese Prozesse auch in der neuen Oppositionsrolle konstruktiv mitbegleiten.
Im Koalitionsvertrag der Ampel sind zu den Plänen, wie die Arbeitsaufteilung in der ambulanten Versorgung künftig aussehen soll, leider nur wenige Ausführungen enthalten – so z.B. die generelle Absicht zur Schaffung des Berufsbildes der Community Health Nurse. Aus dem Bundesministerium für Gesundheit hat es bisher noch keine Aussagen gegeben, was wir in den kommenden Jahren zu erwarten haben. Umso genauer werden wir als stärkste Oppositionsfraktion der Regierung auf die Finger schauen: Mit einer gesunden Mischung aus konstruktiver Begleitung und, wo dies nicht ausreicht, eigenen Vorschlägen – im Interesse der Patientinnen und Patienten und der in der ambulanten Versorgung tätigen Berufe.
Autor: Tino Sorge, MdB (Tino Sorge ist Jurist und seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages. Seit 2021 ist ergesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.)
Erschienen in: BDIaktuell 04/2022