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Auswirkungen der amerikanischen Zollpolitik auf Pharmaindustrie und Patientinnen und Patienten

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Das seit 30 Jahren geltende Null-Zoll-Abkommen für Pharmazeutika wird entsprechend Trumps Drohungen möglicherweise aufgekündigt. Dies bedeutet für europäische Pharmaunternehmen, dass der lukrative amerikanische Markt einbrechen könnte. Knapp ein Viertel (23,8 %) aller deutschen Pharma-Exporte ging im Jahr 2024 in die USA, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand vorläufiger Zahlen mitteilt. Die Ausfuhren pharmazeutischer Erzeugnisse dorthin hatten einen Wert von rund 27,0 Milliarden Euro1. Deutschland ist somit seit Jahren für die USA das zweit- oder drittwichtigste Ursprungsland für verschreibungspflichtige und nicht-verschreibungspflichtige Medikamente. 2024 kamen umgekehrt 17 Prozent der importierten pharmazeutischen Erzeugnisse aus den USA (über 12 Milliarden Euro).

Durch Maßnahmen wie Gegenzölle der EU würden Medikamente und auch Arzneimittelproduktionen in Deutschland hingegen verteuert werden, wenn Vorprodukte aus den USA bezogen werden. Die Unternehmen können jedoch steigende Produktionskosten aufgrund der hierzulande staatlich regulierten Preise verschreibungspflichtiger Arzneimittel nicht weitergeben. In der Folge werden die Gewinnmargen der Firmen abnehmen, Lieferengpässe sind vorauszusehen. Es besteht die Gefahr, dass sich Unternehmen aus der Herstellung von Medikamenten zurückziehen. Den Preis werden Patientinnen und Patienten zahlen müssen. Das Fazit von David Francas, Professor für Daten- und Lieferkettenanalyse, Hochschule Worms, University of Applied Sciences, lautet: „Sowohl mit Blick auf die Patientenversorgung als auch auf eine starke Pharmaforschung und -produktion ist daher eine Eindämmung des Zollkonflikts und der Abbau von Handelshemmnissen für beide Seiten die bessere Lösung. Gleichzeitig wird es vor dem Hintergrund einer sich verändernden Weltordnung für Deutschland und Europa umso wichtiger, gute Rahmenbedingungen für pharmazeutische Forschung und Produktion zu bieten, um die hiesige Pharmaindustrie international wettbewerbsfähig aufzustellen".2 

Vielleicht gibt es in den USA noch ein Umdenken, wenn klar wird, dass die Amerikanerinnen und Amerikaner selbst wohl den größten Schaden durch die Einführung von Sonderzöllen auf Medikamentenimporte haben könnten. Steigende private Zuzahlungen für Medikamente würden insbesondere Millionen chronisch Erkrankter treffen. Lieferengpässe und Ausfälle bei Generika betreffen vor allem Menschen, die auf Injektionen angewiesen sind und/oder stationär behandelt werden2. Eine Umfrage der US Centers for Disease Control and Prevention (CDC) unter knapp 1.000 Diabetikerinnen und Diabetikern ergab 2021, dass jede sechste Patientin bzw. Patient Insulingaben aus Kostengründen schon rationieren muss. 2023 wurde der Eigenanteil für Patientinnen und Patienten dann erheblich gesenkt. Durch mögliche Zölle kann sich nun die Situation für die Amerikanerinnen und Amerikaner mit Diabetes erneut wieder verschlechtern. 

Zusammenfassend gilt es für Europa Forschung und Entwicklung durch erleichterte Genehmigungsverfahren zu fördern und einen leichteren Marktzugang zu verschaffen, um einer Verlagerung von Produktionsstätten in die USA entgegenzuwirken. 

Ansonsten wird sich auch in Deutschland die Situation für Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus durch Verteuerung und mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten ungünstig entwickeln. 

Ihre

Dr. med. Cornelia Jaursch-Hancke
Vorsitzende der Sektion Endokrinologie/Diabetologie

Erschienen in "Die Diabetologie" 4/2025

 

1 Statistisches Bundesamt (14.04.2025): 24 % der deutschen Pharma-Exporte 2024 gingen in die USA. Pressemitteilung. 

2 Science Media Center Germany (17.04.2025): Auswirkungen möglicher US-Zölle auf Medizinprodukte. www.sciencemediacenter.de