StartseitePresseKontakt

| News

„Am Ende braucht es Taten“

Dass die Pandemie den Blick der Öffentlichkeit auf die Probleme in der Intensivmedizin gelenkt hat, ist gut. Nun müssen aber auch Taten folgen, sagt der Arzt und Buchautor Dr. Daniel Zickler. Im Interview erläutert er, was sich ändern muss.

BDI: In Ihrem Buch „Kampf um jeden Atemzug“, beschreiben Sie den Alltag auf Intensivstation. Obwohl Sie selbst zu Beginn des Buches schreiben, Sie hätten eine Abneigung gegen das Verfassen von Texten. Was hat Sie dazu gebracht, Ihre Meinung zu ändern?

Dr. Daniel Zickler: Die Bedingungen auf Deutschlands Intensivstationen, unter denen Patient und Personal oft leiden. Ich wollte die Gelegenheit gerne nutzen, darauf aufmerksam zu machen und meine konstruktiven Lösungsvorschläge vorzustellen. Die Möglichkeit, ein eigenes Buch zu verfassen bekommt man auch nicht alle Tage. Als der Verlag mit der Anfrage auf mich zukam, wusste ich, dass ich dazu nicht nein sagen können würde.

Die Arbeitsbedingungen auf Intensivstation waren ja schon vor der Pandemie schwierig. Läuft da etwas grundlegend schief?

Der Effizienzgedanke spielt eine zu große Rolle im Gesundheitswesen. Das macht sich in der Intensivmedizin ganz besonders bemerkbar. Ein freies Bett ist aus Sicht der Gesellschaft sehr sinnvoll, denn Notfälle passieren. Aus Sicht des Krankenhauses ist es jedoch ein Riesenproblem, denn es hat Personal- und Sachkosten, wofür es im Falle eines freien Bettes keinerlei Kompensation erhält. Diesen Widerspruch zwischen Effizienz und Fähigkeit zur Notfallversorgung gilt es aufzulösen.

Sie sagen: „Die Medienpräsenz hat Empathie für unsere Arbeit bewirkt“. Sicherlich auch unterstützt durch die preisgekrönte TV-Dokumentation „Charité intensiv“, Ihren Auftritt bei „Joko & Klaas“ – und Ihr aktuelles Buch. Verändert allein diese neue Empathie und Wahrnehmung schon die Situation für Pflegekräfte und Ärzte?

Nein, am Ende braucht es Taten. Bessere Bedingungen, weniger Arbeitsverdichtung, mehr Digitalisierung. Da hat sich noch nicht sehr viel getan. Die Aufmerksamkeit hat aber auf jeden Fall dazu geführt, dass die Politik genauer hinschauen und zuhören muss.

Sie benennen für die Intensivmedizin den nicht auflösbaren Widerspruch, einerseits „gut gerüstet“ und andererseits „maximal effizient“ sein zu müssen. Kann es hier nicht eine Art Kompromissformel geben?

Auch mir ist klar, dass das Geld überall knapp ist und wir uns einen Kapazitätsüberschuss nur begrenzt leisten können. Aber es gibt einfach hochspezialisierte Bereiche, die wir vorhalten müssen, auch wenn sie nicht immer profitabel oder kostendeckend sind. Neben der Hochleistungs-Intensivmedizin denke ich auch an Kinderheilkunde und die Geburtsmedizin. Dass diese Bereiche wichtig sind, obwohl sie nicht effizient und kostendeckend sein können, darüber besteht doch hoffentlich Einigkeit.

Aus der Corona-Pandemie und den Erfahrungen der letzten zwei Jahre leiten Sie sieben Forderungen ab. Welche davon sollte am dringlichsten angegangen werden?

Wir müssen den Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, wieder mehr Wertschätzung entgegenbringen. Sie müssen ihre Arbeit wieder so machen können, dass sie ihren eigenen Ansprüchen genügt. Wenn sie keine Wertschätzung bekommen, werden noch mehr Menschen gehen.

Sie wollen die Ärzteschaft ermuntern, mehr Einfluss zu nehmen, mehr zu gestalten. Wie motivieren Sie Kolleginnen und Kollegen dazu?

Ich hoffe, dass das Buch einen Beitrag leistet, dass manch anderer sich traut aus der Deckung zu kommen. Wir müssen den Diskussionsprozess, der da in Gang gekommen ist, aktiv und konstruktiv mitgestalten. Jammern und Wehklagen hilft nicht. Wir sind diejenigen, die das System am besten kennen. Wenn es um konkrete Entscheidungen geht, müssen wir gehört werden, wir müssen uns aber auch äußern.

Sie sehen die Fehler im Gesundheitswesen ja weniger in der medizinischen Versorgung selbst, sondern eher in Organisation, Management und Strukturoptimierung. Wer kann Ihrer Meinung nach diese Fehler beheben?

Das wird eine Gemeinschaftsaufgabe, alle sind gefragt. Signale und Beschlüsse müssen ausgehen von der Politik und den Krankenhäusern. Die Belegschaften in den Krankenhäusern müssen aber bereit sein, den Laden am Laufen zu halten. Es bleibt wichtig, dass trotz aller Widrigkeiten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert bleiben, den Patienten zu dienen und weiter gute Arbeit abzuliefern.

Keine geringere als die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Göring- Eckardt, hat das Vorwort zu Ihrem Buch verfasst. Nun stellen Sie in Ihrem Buch Forderungen auch an die Gesundheitspolitik, die bislang keine spürbaren Verbesserungen hinbekommen hat. Ist das für Sie nicht ein Widerspruch?

Wir müssen mit der Politik im konstruktiven Dialog bleiben, denn es geht nur gemeinsam. Ich bin Frau Göring-Eckardt daher sehr dankbar, dass sie als Bundestagsvizepräsidentin das Thema aufgenommen hat.

Dr. Daniel Zickler „Kampf um jeden Atemzug. Intensivmedizin. Erlebnisse und Forderungen eines Insiders“ Bonifatius Verlag 2022, 272 S., 18 Euro

Erschienen in BDIaktuell 07/08/2022