änd: War 2024 für die Internistinnen und Internisten eher ein gutes oder ein schlechtes Jahr – und warum?
Christine Neumann-Grutzeck: 2024 war aus unserer Sicht ein verlorenes Jahr. Insgesamt hat es in den letzten Jahren viele Ankündigungen, aber wenig Fortschritt gegeben. Die Entbudgetierung für die hausärztlich tätigen Kolleginnen und Kollegen, die mehrfach versprochen wurde und eigentlich schon auf der Zielgeraden war, ist ausgeblieben. Das war nicht nur enttäuschend, sondern auch ein Rückschlag für die Patientenversorgung.
Auch die Krankenhausstrukturreform, obwohl ein Schritt in die richtige Richtung, ist in vielen Punkten unzureichend. Die fehlende Leistungsgruppe für die Angiologie gefährdet diesen internistischen Schwerpunkt nachhaltig; und in der Geriatrie setzen die praxisfernen Anforderungen, die entgegen aller fachlichen Einlassung eingefügt wurden, viele Abteilungen enorm unter Druck. Wir sehen auch die Vorhaltekostenfinanzierung, die weiterhin auf Fallzahlen basiert, weiterhin kritisch, weil die Fehlanreize des DRG-Systems damit nicht ausreichend beseitigt werden – einmal ganz davon abgesehen, dass der bürokratische Aufwand immens ist und im direkten Widerspruch zum angekündigten Bürokratieabbau steht. Wir fordern daher dringend, dass die Krankenhausreform weiterentwickelt wird. Es darf keine Ruhephase geben – wir müssen sofort an den bestehenden Schwachstellen arbeiten, um eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen.
Wenn Sie auf die Gesundheitspolitik insgesamt blicken: Wie fällt Ihre Bilanz für 2024 aus?
Wie gesagt, 2024 war insgesamt kein gutes Jahr für uns, und das spiegelt sich auch in allen Bereichen des Gesundheitssystems wider. Die Probleme, die Internistinnen und Internisten betreffen, wie unzureichende Reformen, mangelnde Finanzierung sowie die fehlende Einbindung der Akteure, betreffen viele andere Fachgruppen genauso. Es war einfach keine umfassende Strategie erkennbar und die dringend notwendigen strukturellen Reformen sind ausgeblieben.
Das vorzeitige Aus der Ampel (und damit zahlreicher Gesetzesvorhaben aus dem BMG): Grund zur Freude oder zu bedauern?
Gesundheitspolitisch gesehen war das Aus der Ampel-Koalition kein Verlust. Die letzten drei Jahre waren geprägt von Ankündigungen ohne substanziellen Fortschritt. Was beschlossen wurde, geschah oft ohne Einbeziehung der Praxis, was zu praxisfernen Regelungen führte. Das eigentliche Problem ist, dass wir weiterhin mit einem Reformstau konfrontiert sind, bis eine neue Regierung im Amt ist. Dabei brauchen wir dringend Dynamik und mutige Reformen.
Im Februar ist Bundestagswahl. Was muss die neue Regierung im Gesundheitsbereich als Erstes in Angriff nehmen?
Der BDI hat hierzu klare Forderungen in seinem Positionspapier für die Bundestagswahl 2025 formuliert. Es geht um vier zentrale Bereiche: die Stärkung der ambulanten und stationären Versorgung, eine verbindliche Patientensteuerung und die Weiterentwicklung und Finanzierung der ärztlichen Weiterbildung. Insbesondere müssen wir die ambulante Versorgung durch die Entbudgetierung der haus- und fachärztlichen Leistungen stärken, die Krankenhausreform weiterentwickeln sowie verbindliche Versorgungspfade und eine bedarfsgerechte Patientensteuerung schaffen. Es ist essenziell, dass die Gesundheitspolitik höchste Priorität bekommt und die Arbeit zügig aufgenommen wird.
Wen würden Sie sich als neuen Bundesgesundheitsminister wünschen?
Unabhängig von der Person brauchen wir jemanden, der das Gesundheitssystem als Ganzes versteht und langfristige Lösungen entwickelt. Es muss jemand sein, der die Akteure aus der Praxis einbezieht und Reformen umsetzt, die sowohl durchdacht als auch praxisnah sind.