4
September 2014
BDI aktuell
Berufspolitik
Die Allianz der Deutschen Ärztever-
bände, und damit auch der BDI, se-
hen in der IGES-Studie der Techniker
Krankenkasse einen Schritt in die rich-
tige Richtung. Die Kasse will weg von
der Überregulierung des Vergütungs-
systems der vertragsärztlichen Versor-
gung und geht einen mutigen Schritt
in Richtung Einzelleistungsvergütung.
So soll mehr Transparenz hergestellt
werden. Die TK hat das IGES-Institut
mit einer Machbarkeitsstudie beauf-
tragt, bei der es um die Reform der
ärztlichen Vergütung im ambulanten
Sektor geht.
Die TK will das Vergütungssystem
einfacher gestalten. Sie hebt auf die
ärztliche Arbeitszeit ab, die bundes-
weit einheitlich vergütet werden soll.
Fixe Praxiskosten werden gesondert
notiert, aber nur bis zu der Höhe, die
für eine durchschnittliche Arztpraxis
der Fachgruppe betriebswirtschaftlich
erforderlich ist. Die Kasse erhofft sich
nicht nur eine bedarfsgerechte Leis-
tungserbringung von Ärzten, sondern
auch Konflikte zwischen den verschie-
denen Gruppen im Gesundheitswesen
und unter den Ärzten zu vermeiden.
Vereinheitlichung der Honorare
Eine Einzelleistungsvergütung würde
die regionale Honorarverteilung über-
flüssig machen und eine Vereinheitli-
chung der bundesweit gezahlten Ho-
norare nach sich ziehen. Die TK hofft
auch, dass sich gesetzliche und private
Krankenversicherung perspektivisch
annähern. In der PKV ist die Einzel-
leistungsvergütung seither Usus.
Das IGES-Institut stellt klar, dass
aus der Sicht der Ärzte die Planungssi-
cherheit der Vergütungsregelungen zu
gering ist und dass bestimmte Leistun-
gen nicht oder nur unzureichend ver-
gütet werden. Insgesamt wird die Ver-
teilung der Einkommenszuwächse auf
Regionen und Arztgruppen als unge-
recht empfunden. Dadurch entstehen
Konflikte zwischen KVen einerseits
und Kassen andererseits, aber auch
zwischen den KVen und den Ärzten
bei der Honorarverteilung. Auch die
Umverteilung führt zu Diskussionen
zwischen den einzelnen Arztgruppen.
Es breitet sich große Unzufriedenheit
mit der aktuellen Honorarsystematik
aus, die die TK deshalb für dringend
reformbedürftig hält.
Mengenausweitung wäre vermeidbar
Sie sieht die Einzelleistungsvergütung
als gute Alternative an, weil man in
Deutschland damit durchaus positive
Erfahrungen gesammelt hat. Im Ge-
gensatz zur Privatversicherung, die oh-
ne mengensteuernde Elemente aus-
kommt, hätte es positive Erfahrungen
in der gesetzlichen Krankenversiche-
rung, etwa bei extrabudgetären Leis-
tungen und bei der vertragszahnärztli-
chen Vergütung gegeben.
Dies spreche dafür, dass eine Ein-
zelleistungsvergütung, die durch geeig-
nete Instrumente flankiert wird, nicht
unbedingt zu einer überproportionalen
Mengenausweitung und Kostensteige-
rung führen müsse. Das gelte insbe-
sondere nach den Erfahrungen in den
Niederlanden, Japan und der Schweiz.
Die TK schlägt eine Unterschei-
dung zwischen variablen und fixen
Kosten bei der Einzelleistungsvergü-
tung vor. Der variable Teil, der auch
den Arztlohn enthält, wird für die er-
brachte Leistung unbeschränkt und
ohne jede Mengenbegrenzung vergü-
tet. Ein Fixkostenaufschlag dagegen
soll nur so lange als Aufschlag auf die
Leistungsvergütung gewährt werden,
bis die durchschnittlichen Fixkosten
einer Arztpraxis abgegolten sind. Da-
mit würden betriebswirtschaftliche
Anreize durch eine Ausweitung von
technischen Leistungen ausgebremst,
hofft die Kasse.
Auf EBM aufbauen
Die Umsetzung hält das IGES-Institut
für kurzfristig machbar, wenn man auf
dem heutigen EBM aufbaut und die
Pauschalen wieder durch Einzelleis-
tungsvergütungen ersetzt. Das Institut
geht davon aus, dass aufgrund von
Leistungsausweitungen eine Steige-
rung der Vergütungssumme für die
GKV im ersten Jahr von 5,4 bis 5,9
Prozent zu erwarten ist. Danach er-
wartet es eine kostenneutrale Ausga-
benentwicklung.
Es betont, dass die Einzelleistungs-
vergütung in dieser Form ein konflikt-
freies Honorarsystem verspricht. Es
müssten keine Gesamtvergütungen
zwischen KVen und GKV ausgehan-
delt werden. Auch Honorartöpfe wür-
den ebenso überflüssig wie die bereits
erwähnten Honorarverteilungsmaßstä-
be in den regionalen KVen.
Das IGES-Institut schlägt vor, als
Grundlage der künftigen Vergütung
die Daten des statistischen Bundesam-
tes bei der Verteilung von variablen
und fixen Kosten zu verwenden. Ärzte
sollen dann aufgefordert werden, sich
an dieser Stichprobe nach Arztgrup-
pen und KV-Regionen zu beteiligen.
An einem möglichen Pilotprojekt
könnten sich weitere Kassen beteili-
gen, wünscht sich die TK. Dann wäre
die Mehrheit der Versicherten in der
Modellregion einbezogen.
Positiv sieht die Allianz der Deut-
schen Ärzteverbände den Vorschlag.
Auch die Kassenärztliche Bundesver-
einigung ist bereit, sich in die Diskus-
sion einzubringen. Man darf gespannt
sein, ob sie bei der Stange bleiben
wird, denn die Körperschaft Kassen-
ärztliche Vereinigung müsste sich ohne
Verhandlungen zur Gesamtvergütung
und ohne regionale Honorarverteilung
neu positionieren. Die Deutsche Ärz-
teschaft sollte sich zumindest über ihre
Berufsverbände positiv in die Diskus-
sion einbringen.
Einzelne Leistungen vergü-
ten statt Pauschalen zah-
len: Die TK will die Vergü-
tung niedergelassener Ärzte
umbauen. Damit wären
Streitigkeiten über die
Honorarverteilung passé.
Einzelleistungsvergütung: BDI
unterstützt Vorschlag der TK
Von Dr. Hans-Friedrich Spies
Feste Preise für einzelne ärztliche Leistungen schlägt die Techniker Krankenkasse vor.
Für Praxiskosten gäbe es dann einen Aufschlag.
© TECHNIKER KRANKENKASSE
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
●
bis 1,4 Milliarden Euro
mehr an
Kosten für die GKV erwarten die
Wissenschaftler des IGES-Instituts
im ersten Jahr nach einer Umstel-
lung des Vergütungssystems.
KASSE:
Hier ist Ihre Krankenkasse „Ge-
sundheit“. Unser Versicherter, Herr Mus-
termann, benötigt einen Facharzttermin
beim Phlebologen, den er leider nicht in
den nächsten vier Wochen in einschlägi-
gen Praxen vereinbaren konnte. Wir ru-
fen bei Ihnen an, um einen Termin in
diesem Zeitraum zu vereinbaren. Können
Sie den Patienten versorgen?
ARZT:
Wir bieten angiologische Leis-
tungen an und können deshalb auch
Venenkrankheiten behandeln. Also
prinzipiell ja. Hat denn der Patient ei-
ne Überweisung?
KASSE:
Nein. Er gibt Beschwerden von
seinen Krampfadern an. Er möchte mög-
lichst gleich zum Spezialisten.
ARZT:
Das ist sicher kein Notfall, zu-
mal auch keine Überweisung vom
Hausarzt vorliegt. In solchen Fällen
vergeben wir keine kurzfristigen Ter-
mine. Dies hängt mit unserem Budget
in Form des Regelleistungsvolumens
zusammen, das wir in diesem Quartal
schon überschritten haben. Wir kön-
nen aus wirtschaftlichen Gründen den
Patienten deshalb nicht mehr behan-
deln.
KASSE:
Budget, was für ein Budget? Sie
müssen den Patienten dennoch behan-
deln. Das ist ihre kassenärztliche Pflicht.
ARZT:
Das ist mir aber nicht zuzumu-
ten. Wenn ich meine Leistungen im
Budget überschreite, kommt meine
Interessenvertretung, die Kassenärztli-
che Vereinigung, unter Umständen so-
gar mit einer Plausibilitätskontrolle, im
schlimmsten Fall kommt der Staatsan-
walt bei mir vorbei und droht wegen
eines formellen Schadens sogar mit
dem Gefängnis. Das geht einfach zu
weit. Insofern kann ich Ihrem Versi-
cherten keinen Termin geben, das ist
mir nicht zuzumuten.
KASSE:
Interessiert mich alles nicht. Wir
haben ein streng geregeltes Gesundheits-
wesen und Sie sind Kassenarzt und ha-
ben einen Sicherstellungsauftrag.
ARZT:
So, so! Habe ich als Arzt aber
nicht. Den hat nämlich meine Kassen-
ärztliche Vereinigung. Soll ich Ihnen
die Telefonnummer angeben, damit
Sie sich dafür einsetzen können, dass
man mir das Budget erhöht?
Krankenkasse hängt wortlos ein.
Keine Sorge, dieses Telefonat ist
frei erfunden und kann schon deshalb
nicht vorkommen, weil Krankenkassen
für eine solche Aufgabe sicher keine
Mitarbeiter bereitstellen werden. So
etwas wird heutzutage einem Callcen-
ter übertragen, bei dem man die für
das Telefonat nötigen Grundkenntnis-
se über das Gesundheitswesen sicher-
lich nicht erwarten darf.
Aber wenn nach dem Wunsch des
Bundesgesundheitsministers ab Mitte
2015 der Kassenärztlichen Vereini-
gung diese Zusatzaufgabe der Termin-
vergabe aufgebrummt wird, kann die-
ses fiktive Telefonat eventuell doch
noch real werden...
Noch gibt es kein Gesetz
gegen angeblich zu lange
Wartezeiten auf Facharzt-
termine. Doch einige
Kassen haben bereits
Vermittlungsstellen einge-
richtet. So könnte ein
fiktives Telefonat ablaufen.
Glosse: Klinkenputzer am Apparat
Neben der Tätigkeit als Inter-
nistin/Internist im Kranken-
haus oder einer wirtschaftlich
selbstständigen Tätigkeit im
ambulanten Versorgungsbe-
reich, hat sich in den letzten
Jahren verstärkt das Arbeits-
feld für angestellte Ärztinnen
und Ärzte im ambulanten
Versorgungsbereich herausge-
bildet. Obgleich eine Anstel-
lung in Großpraxen und Me-
dizinischen Versorgungszent-
ren immer noch den Großteil
der Angestelltenverhältnisse
abbildet, etablieren sich nach
und nach auch Anstellungs-
verhältnisse in kleineren Pra-
xen.
Um auch diesen Tätig-
keitsaspekt bei der Vertretung
der berufspolitischen Belange
im Rahmen der BDI-Arbeit
künftig noch besser ausprägen
zu können, laden wir alle am-
bulant tätigen Angestellten
Mitglieder unseres Verbandes
zu einem intensiven Aus-
tausch am Freitag, den 7. No-
vember 2014, 15.00 Uhr in
die Dependance des Berufs-
verbandes Deutscher Internis-
ten, Robert-Koch-Platz 9,
10115 Berlin-Mitte herzlich
ein.
Für die Organisation teilen
Sie bitte Ihre Teilnahme in-
klusive Ihrer Adressdaten der
BDI-Geschäftsstelle unter in-
mit. Wir freuen
uns auf einen interessanten
Austausch!
Fragen richten Sie bitte an:
Tilo Radau, Geschäftsführer,
Tel.: 0611/181 33-0
Anstellung
in kleineren
Arztpraxen
Der BDI lädt alle
ambulant tätigen An-
gestellten Mitglieder
zu einem Informati-
onsnachmittag am
7. November ein.
INFO-NACHMITTAG
Doris Pfeiffer, Vorsitzende des
GKV-Spitzenverbandes, hat sich
unter anderem zur Umsetzung der
Bedarfsplanung geäußert. Sie for-
dert, dem Verkauf von Praxen in
überversorgten Gebieten einen Rie-
gel vorzuschieben. Sie scheint zu
glauben, dass Vertragsärzte, die sich
nicht mehr in einer überversorgten
Stadt niederlassen können, automa-
tisch auf das flache Land gehen.
Diesem Irrglauben erliegen viele.
Um das Problem zu lösen,
schlägt sie vor, dass in Zukunft nur
noch befristete Zulassungen für
Arztpraxen vergeben werden sollen.
Ob der Verbands-Vorsitzenden Do-
ris Pfeiffer bewusst ist, dass sie da-
mit die freie Niederlassung als Ver-
tragsarzt endgültig liquidiert? Man
wird kaum noch Ärzte finden, die
bereit sind, in eine Praxis zu inves-
tieren, deren Zulassung zeitlich li-
mitiert ist.
(HFS)
Kassen-Chefin:
Zulassung nur
noch auf Zeit
BEDARFSPLANUNG