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it Genugtuung hat der Berufsverband
Deutscher Internisten, BDI e.V., das
jüngste Bekenntnis der Techniker Kran-
kenkasse zur Einzelleistungsvergütung zur
Kenntnis genommen. Auch der Vorsitzende der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Andre-
as Gassen, hat sich zustimmend geäußert. Ein-
zelleistungen zu festen Preisen seien unverzicht-
barer Bestandteil einer angemessenen und plan-
baren Vergütung: „Das ärztliche Honorar muss
endlich wieder planbar werden. Denn wer möch-
te schon Tag für Tag vollen Einsatz leisten, wenn
er nicht weiß, was er am Ende des Quartals ver-
M
dient.“ Planungssicherheit sei zudem ein wichti-
ger Baustein im Kampf gegen den Ärztemangel.
BDI, KBV und TK sind übereinstimmend der
Ansicht, dass ein sinnvolles Anreizsystem wie die
Einzelleistungsvergütung auch in der Diskussion
über die Wartezeiten zielführender sei als gesetz-
liche Regelungen.
Mitte August sind die Honorarverhandlungen
mit den Krankenkassen gestartet. Dem BDI ist
es wichtig darauf hinzuweisen,
dass nach wie vor circa 25 Pro-
zent unserer ärztlichen Leistun-
gen nicht bezahlt werden. Wir
fordern deshalb ein Ende der
Budgetierung. Der BDI unter-
stützt den Standpunkt des
KBV-Vorstandsvorsitzenden Gassen, dass der so-
genannte kalkulatorische Arztlohn angehoben
werden muss. Der kalkulatorische Arztlohn ist
die Berechnungsgrundlage der Vergütung für ei-
nen Arzt, wenn er 51 Wochenstunden GKV-Pa-
tienten behandelt. Er orientiert sich am Jahresge-
halt eines Oberarztes.
Im Jahr 2008 ist der kalkulatorische Arztlohn
in Höhe eines Oberarztgehaltes von 105000 Eu-
ro festgelegt worden. Mittlerweile wurden die
Gehälter der Krankenhausärzte jedoch durch Ta-
riferhöhungen mehrfach angehoben. Gassen
spricht von einem Nachholbedarf von mittlerwei-
le nahezu drei Milliarden Euro. Das durch-
schnittliche Jahresgehalt eines Oberarztes liege
inzwischen bei etwa 133000 Euro. „An dieser
Honorarsteigerung haben die niedergelassenen
Kollegen keinen Anteil genommen. Hier besteht
erheblicher Nachholbedarf, den wir auch einfor-
dern werden“, sagt Gassen zu Recht.
Wir sehen wie er, dass das nicht in einem
Schritt gelingen kann, aber es ist an der Zeit,
jetzt einen Einstieg zu unternehmen. Doch nicht
nur der Arztlohn, auch die kalkulierte Arbeitszeit
pro Arzt muss an die Realität angepasst werden.
Statt weit über 50 Stunden geht der Trend heute
auch für Ärzte hin zur 40-Stunden-Woche.
Davon unabhängig müssen in die Honorar-
verhandlungen mit den Krankenkassen natürlich
die steigenden Praxiskosten sowie die Morbidi-
tätsentwicklung der Bevölkerung einbezogen
werden. Immer mehr Kassenpatienten müssen
behandelt werden, diese werden immer älter und
natürlich auch kränker. Zudem versprechen die
Kassen immer mehr neue Leistungen und Be-
handlungsmethoden, die bezahlt werden müssen
und nicht zu Lasten der Ärzte gehen dürfen.
Es geht für die niedergelassenen Kollegen dar-
um, ihnen eine Existenzsicherung zu verschaffen
sowie einen angemessenen Lohn für ihre Leis-
tung, die für die Gesunderhaltung der Bevölke-
rung unverzichtbar ist.
EDITORIAL
Zurück zur Einzelleistungsvergütung!
Von Dr. Wolfgang Wesiack
Präsident des BDI
Nicht nur der Arztlohn auch die kalku-
lierte Arbeitszeit pro Arzt muss an
die Realität angepasst werden.
Eine Reform der Gebührenordnung
für Ärzte (GOÄ) ist überfällig. Doch
die von Bundesärztekammer (BÄK)
und PKV-Verband geschlossene Rah-
menvereinbarung lässt aufhorchen.
Die aus BDI-Sicht problematischen
Inhalte wurden in der Januar- und Ju-
li-Ausgabe von „BDI aktuell“ themati-
siert. Noch nicht angesprochen wurde,
dass eine GOÄ-Reform auch die
klamme Lage der Kliniken und ihrer
Ärzte verschärfen könnte.
Angriffspunkt ist die Vergütung
wahlärztlicher Leistungen. Die Rah-
menvereinbarung sieht vor, diese mit
der Vergütung für allgemeine Kran-
kenhausleistungen – nach dem Kran-
kenhausentgeltgesetz (KHG) und der
Bundespflegesatzverordnung – zu ver-
knüpfen. BÄK und PKV-Verband ha-
ben sich auf ein zweistufiges Vorgehen
geeinigt.
Kommt eine völlige Neuregelung?
Erste Stufe: Die in Paragraf 6a Abs. 1
GOÄ festgelegten Regelungen zur
pauschalen Honorarminderung von
vom Krankenhaus abgerechneten
Leistungen sollen zunächst fortge-
schrieben werden. Die derzeit geltende
pauschale Gebührenminderung von
25 Prozent in Hauptabteilungen soll
auf Basis der neuen GOÄ-Kalkulation
überprüft und gegebenenfalls ange-
passt werden.
In der zweiten Stufe sollen Wege
und Fristen vereinbart werden, um die
Vergütung der Krankenhausleistung
(DRG) und der GOÄ leistungsgerecht
zu verbinden. Details lässt die Rah-
menvereinbarung offen. Offensichtlich
soll die bisherige Systematik durch ei-
ne vollständige Neuregelung ersetzt
werden, wofür aber auch Korrekturen
im KHG nötig wären. Welche Konse-
quenzen ergeben sich daraus für Kli-
nikträger und Ärzte? Um dies zu klä-
ren, muss zunächst verdeutlicht wer-
den, wie wahlärztliche Leistungen ver-
gütet werden. Analog zu ambulanten
privatärztlichen Leistungen geschieht
dies nach GOÄ.
25 Prozent pauschaler Abschlag
In einer Beispielrechnung (siehe Gra-
fik) nehmen wir an, dass eine fiktive
wahlärztliche Leistung nach GOÄ mit
100 Euro liquidiert wird. Dies ent-
spricht dem Honorar, wenn ein Arzt
die Leistung ambulant in seiner Praxis
abrechnet. Da die betreffende Leis-
tung aber als Wahlleistung bei einer
stationären Krankenhausbehandlung
erbracht wurde, ist das Honorar laut
GOÄ von 100 Euro um 25 Prozent zu
mindern. Dies wird dadurch begrün-
det, dass der Arzt die Klinikeinrich-
tung mitnutzen kann. Der Privatpati-
ent muss also lediglich 75 Euro für die
wahlärztliche Behandlung im Kran-
kenhaus bezahlen.
Von diesem Honorar (75 Euro) hat
der Arzt aufgrund der Vorgaben des
KHG und der Bundespflegesatzver-
ordnung eine zusätzliche Kostenerstat-
tung an den Klinikträger abzuführen.
Diese bemisst sich pauschal auf 20
Prozent oder bei besonders technisch
geprägten Leistungen auf pauschal 40
Prozent des ursprünglichen Honorars
vor Abzug der Gebührenminderung
(100 Euro). Als Honorar für die wahl-
ärztliche Leistung verbleiben daher le-
diglich 55 oder 35 Euro.
Von diesem Betrag muss der Arzt
unter Umständen weitere prozentuale
Abgaben an den Krankenhausträger
leisten, wenn entsprechende Vereinba-
rungen in seinem Dienstvertrag festge-
legt sind. Dies wird als „Vorteilsaus-
gleich“ bezeichnet. Auch der Mitarbei-
terpool wird bedient. Weitere Beträge
muss der Arzt für die Rechnungstel-
lung und den Einzug des Honorars
aufwenden.
Welche Folgen kann die GOÄ-Re-
form also für die Vergütung wahlärztli-
cher Leistungen haben? Die in der ers-
ten Stufe beabsichtigte Überprüfung
und Anpassung des Pauschalabzugs
schließt nicht aus, dass der Abschlag
von derzeit 25 Prozent erhöht wird.
Dies käme zu 100 Prozent der PKV
zugute, wahlärztliche Leistungen wür-
den schlicht „billiger“.
Vor allem ein Großteil der Chef-
und leitenden Ärzte müsste mit finan-
ziellen Einbußen rechnen. Da in älte-
ren Verträgen oft geregelt ist, dass sie
wirtschaftlich an wahlärztlichen Vergü-
tungen beteiligt werden. Dies bildet
oft einen wesentlichen Teil ihres Ein-
kommens. Für die Krankenhäuser
stellt sich damit die Frage: Wie kön-
nen Chefarztgehälter finanziert wer-
den, wenn wahlärztliche Leistungen
dafür nur vermindert zur Verfügung
stehen?
Diese Systematik betrifft zudem
nachgeordnete Ärzte. Nach den zwin-
genden Vorgaben des Standesrechtes
erhalten in der Regel nachgeordnete
Ärzte, die an der Erbringung der wahl-
ärztlichen Leistung beteiligt sind, ent-
sprechende Anteile aus der Vergütung.
Kürzungen der wahlärztlichen Hono-
rare führen damit automatisch auch
bei ihnen zu Einkommensverlusten.
Die Krankenhausträger wären
ebenfalls betroffen. Denn sie erhalten
entweder vom liquidationsberechtigten
Arzt ein Nutzungsentgelt oder sie li-
quidieren die wahlärztlichen Leistun-
gen selbst – je nach Chefarztvertrag.
Den Trägern droht daher, dass eine
wichtige Einnahmequelle erheblich
versandet. Dies verschärft sich durch
weitere Vorstellungen der PKV.
Nur Arztleistung wäre abzurechnen
Sie will die Gebührenordnungspositio-
nen künftig in einen ärztlichen (AL)
und einen technischen Teil (TL) glie-
dern. Bei der Erbringung von wahl-
ärztlichen Leistungen im Krankenhaus
wird der technische Anteil bereits
durch die DRG-Vergütung abgedeckt,
sodass künftig nur noch die Arztleis-
tung der jeweiligen Gebührenord-
nungsposition abgerechnet werden
könnte. Allerdings müssten dafür
KHG und Bundespflegesatzverord-
nung geändert werden. In Zeiten
kaum auskömmlicher Klinikfinanzie-
rung aufgrund mangelnder Investiti-
onskostenförderung darf das Problem
also nicht unterschätzt werden.
Nicht zuletzt hätte auch die Gesetz-
liche Krankenversicherung Auswir-
kungen zu befürchten. Die Finanzie-
rungslücke, die bei einer Absenkung
des wahlärztlichen Vergütungsniveaus
entsteht, müsste von Kliniken kom-
pensiert werden. Sie wären gefordert,
Sparmaßnahmen mit der Folge von
geringerer Leistungsfähigkeit und ei-
nes niedrigeren Leistungsniveaus um-
zusetzen, oder die Kostenträger der
GKV müssten zusätzlich Geld locker
machen. Gewinner wäre am Ende im-
mer die PKV.
Die Reform der GOÄ kann
für Klinikträger, Chefärzte
und auch nachgeordnete
Ärzte erhebliche finanzielle
Einbußen mit sich bringen.
Gewinner wäre die Private
Krankenversicherung.
Eine Analyse.
GOÄ-Reform: Schwere Zeiten für Kliniken?
SCHWERPUNKT
GOÄ – Einstieg in eine
Einheitsgebührenord-
nung für Ärzte?
Donnerstag, 11.9.2014,
13:30 bis 14:00 Uhr
Podium:
Georg Baum,
Deutsche Krankenhausgesellschaft
Dr. Volker Leienbach,
PKV-Verband
Dr. med. Klaus Reinhardt,
Hartmannbund
Professor Dr. Hans-Fred Weiser,
Verband der leitenden Kranken-
hausärzte Deutschlands
Dr. med. Wolfgang Wesiack, BDI
Dr. med. Theodor Windhorst,
Ärztekammer Westfalen-Lippe
Grafik: BDI aktuell
Beispielrechnung zum Arzthonorar
für wahlärztliche Leistungen
GOÄ-Gebührenordnungsposition fiktiv
Pauschale Honorarminderung gem. § 6a Abs. 1 GOÄ (25%)
=
Vom Patienten zu zahlendes Honorar
Nutzungsentgelt des Arztes an den Kranken-
hausträger (20% bzw. 40%)(Berechnet vom
Honorar vor Abzug der Gebührenminderung)
=
Verbleibendes Arzthonorar für wahlärztliche Leistungen
so genannten Vorteilsausgleich an den Krankenhausträger
Kosten für Rechnungsstellung und Honorareinzug
Mitarbeiterbeteiligung nach Standesrecht
100,00
25,00
75,00
20,00 / 40,00
55,00 / 35,00
Von Tilo Radau
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BDI aktuell
September 2014
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