Beim Einsatz von Glukokortikoiden in
der allgemeinärztlichen oder orthopä
dischen Praxis wird an eine bedeutsa
me Nebenwirkung oft nicht gedacht:
die iatrogene Nebenniereninsuffizienz.
Diese ist viel häufiger, als wir bisher
angenommen haben, mahnte Profes
sor Martin Fassnacht vom Uniklini
kum Würzburg beim PraxisUpdate
Allgemeinmedizin in München.
Dem Endokrinologen zufolge sollte
man immer daran denken, wenn Pati
enten nach längerfristiger Steroid
therapie Symptome entwickeln, die
sich anderweitig nicht erklären lassen:
Dehydratation, Hypotension, Hypona
triämie, Hyperkaliämie, Fieber, abdo
minelle Schmerzen, Hyperpigmentati
on oder Hypoglykämie. Bei Patienten
mit einem oder mehreren solcher un
klaren Symptome sollte die Diagnostik
großzügig erfolgen, riet Fassnacht.
Dabei steige die Wahrscheinlichkeit
dieses potenziell gefährlichen Krank
heitsbilds mit der Zahl der Symptome.
ACTHTest zur Abklärung
Zur Abklärung empfiehlt Fassnacht
vorrangig den ACTHTest. Dabei wer
den 250
m
g (1 Ampulle) ACTH i.v.
verabreicht. Vor sowie eine Stunde
nach der Gabe wird der KortisolSpie
gel im Blut bestimmt. Liegt dieser bei
der zweiten Messung unter 18
m
g/dl
(500 mmol/l) besteht klarer Ver
dacht auf eine Nebenniereninsuffizi
enz. Stehe der ACTHStimulationstest
nicht zur Verfügung, so Fassnacht, tue
es auch die einfache Messung des
morgendlichen Kortisols in Kombina
tion mit dem PlasmaACTHWert.
Im Falle einer Nebennierenkrise
bestehe grundsätzlich Lebensgefahr,
warnte Fassnacht. Daher sei es wich
tig, bei kritisch kranken Patienten
nicht die Ergebnisse des Labortests
abzuwarten. In solchen Fällen solle
man gleich anfangen, mit Hydrokorti
son (initial 100 mg als Bolus) zu be
handeln. Stationär wird die Hydrokor
tisongabe dann als Infusion (200 mg)
fortgesetzt. Wichtig ist, dass der
Patient in jedem Fall zusätzlich Flüs
sigkeit erhält.
Modediagnose Adrenal Fatigue
Zur Häufigkeit der iatrogenen Neben
niereninsuffizienz liegt eine aktuelle
Metaanalyse mit 3753 Teilnehmern
vor. Demnach hängt das Risiko für das
Auftreten der Störung nach Glukokor
tikoidtherapie von Applikationsart,
verabreichter Dosis und Therapiedau
er ab. Nach wiederholter intraartikulä
rer Applikation, so Fassnacht, könne
das Risiko bis zu 50 Prozent betragen.
Die Modediagnose Adrenal Fati
gue, die unter der Bezeichnung Ne
bennierenerschöpfung im Internet
und auf dem alternativen Buchmarkt
kursiert, sollte man nach Angaben von
Fassnacht aktiv eliminieren. Die zur
Behandlung dieser Fantasieerkrankung
eingesetzten Maßnahmen unter an
derem ganzheitliche Medizin, Nah
rungsergänzungsmittel oder auch ho
möopathisches Kortison kommen
den Patienten nicht nur teuer zu ste
hen. Dem Experten zufolge können sie
sogar gefährlich werden, weil im
Ernstfall eine adäquate Therapie ver
hindert wird.
Aktuell ist zur Diagnostik und zum
Management der Nebenniereninsuffi
zienz eine Leitlinie erschienen (J Clin
Endocrinol Metab 2016; 101:
364389). Darin wird neben der Ab
klärung und Therapie akuter
Situationen auch auf das Management
von Patienten mit chronischer Erkran
kung eingegangen.
Endokrinologen warnen
vor einer Folge wiederholter
Injektionen mit Glukokorti
koiden. Denn die iatrogene
Nebenniereninsuffizienz
tritt offenbar deutlich
häufiger auf als bisher
angenommen.
Häufig Glukokortikoide das
gefährdet die Nebennieren
Von Elke Oberhofer
Im Falle einer Nebennierenkrise besteht grundsätzlich Lebensgefahr.
© SPRINGER VERLAG GMBH
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50%
so hoch ist das Risiko
für eine
iatrogene Nebenniereninsuffizienz
nach wiederholten intraartikuläreren
GlukokortikoidApplikationen. Das
geht aus einer Metaanalyse mit
3753 Teilnehmern hervor.
Es gibt Hinweise aus Studien, die
einen Zusammenhang zwischen der
Behandlung mit Wachstumshormonen
und der Entstehung etwa von Krebs
vermuten lassen könnten. Allerdings
fehlt bisher der Beleg. Die Befürchtun
gen konnten nicht bestätigt werden.
Beim Pädiatrie Update erinnerte
Professor Wieland Kiess von der Uni
klinik und Poliklinik für Kinder und
Jugendliche in Leipzig daran, dass
Forscher auch in weltweit umfassen
den Studien den Zusammenhang zwi
schen der Therapie mit Wachstums
hormonen und Krebs überprüft ha
ben. Er stellte dazu unter anderem die
Daten einer Registerstudie vor, für die
Befunde von Patienten mit Panhypopi
tuitarismus aus 18 Ländern ausgewer
tet wurden. Es handelt sich um die
Studie HypoCCS mit Daten zur
SomatropinTherapie, die zwischen
1996 und 2012 erhoben worden wa
ren.
Verglichen wurden in der Studie
mit Blick auf primäre Tumorerkran
kungen die Befunde von 8418 wachs
tumshormonbehandelten Patienten
mit denen von 1268 Patienten ohne
diese Therapie. Ebenso erfolgte ein
Vergleich zwischen 3668 behandelten
und 720 unbehandelten Patienten, die
in der Anamnese ein Hypophysenade
nom aufwiesen. Verglichen wurde
schließlich auch eine Gruppe von 956
behandelten mit 102 unbehandelten
Patienten mit Kraniopharyngeom.
Laut Kiess wurde keine erhöhte
Anfälligkeit für Krebs in den Gruppen
mit Hormontherapie festgestellt. Ins
besondere seien nach einer Nachbeob
achtungszeit von durchschnittlich 4,8
Jahren sowohl das MammaCa bei
Frauen und Prostatatumoren als auch
kolorektale Karzinome bei Patienten
mit Wachstumshormontherapie nicht
häufiger gewesen als bei Unbehandel
ten. Zudem sei bei Patienten mit Hy
pophysenadenomen oder Kraniopha
ryngeomen durch die Hormontherapie
die Rezidivrate nicht erhöht worden.
Einschränkend weist Kiess darauf
hin, dass in der Studie eine repräsenta
tive Kontrollgruppe mit gesunden
Teilnehmern gefehlt habe. Deshalb
bleibe das Gesamtkrebsrisiko in der
Studiengruppe unklar. Beruhigend sei
dennoch, dass trotz der langen Beob
achtungszeit und der hohen Teilneh
merzahl ein erhöhtes Krebsrisiko bei
Therapie mit dem Wachstumshormon
nicht nachgewiesen worden sei.
Auch der Zusammenhang zwischen
Wachstumshormontherapie und Ent
stehung von Hirntumoren ist in einer
großen Studie untersucht worden. In
der USamerikanischen retrospektiven
Kohortenstudie CCSS wurden die Be
funde von fast 13000 Patienten ausge
wertet, bei denen Krebs vor dem 21.
Lebensjahr diagnostiziert worden war
und die mindestens fünf Jahre lang die
Krebserkrankung überlebt hatten.
Nach Angaben von Kiess hatten
338 Studienteilnehmer über eine
Wachstumshormontherapie berichtet.
Einerseits habe die Studie bestätigt,
dass eine Bestrahlung des ZNS zur
Folge haben kann, dass es zu Wachs
tumshormonmangel kommt und zu
dem Hirntumoren wie Gliome ausge
löst werden können. Andererseits sei
kein statistisch signifikanter Anstieg
der Hirntumorrate nach Wachstums
hormonbehandlung beobachtet wor
den. Vor allem Meningeome und Glio
me seien nicht mit der Hormonbe
handlung assoziiert.
(ple)
Befürchtungen, dass die
Therapie mit Wachstums
hormonen das Krebsrisiko
erhöht, konnten nicht
bestätigt werden.
Wachstumshormone und Krebs: Fehlalarm
Bei Männern gibt es zwischen Ge
fäßverkalkung und Geschlechtshor
monen einen Zusammenhang. Die
ser sei aber eher nicht kausal, die
Assoziation bestehe über kardiovas
kuläre Risikofaktoren, so die Deut
sche Gesellschaft für Endokrinolo
gie (DGE). Die DGE bezieht sich
dabei auf eine Querschnittsstudie
mit 1654 Männern (J Clin Endocri
nol 2016, online 1. März).
Danach habe sich eine negative
Assoziation von Koronararterien
Kalk (CAC) sowie Verkalkungen
der Bauch und Brustaorta mit den
Spiegeln an GesamtTestosteron
und freiem Testosteron ergeben.
Pro 100 ng/ml Anstieg des Ge
samtTestosterons habe man einen
altersadjustierten Unterschied im
CAC von 23 Prozent gefunden, so
die DGE. Nach Adjustierung für
andere kardiovaskuläre (CV) Risi
kofaktoren seien die berechneten
Assoziationen zwischen Testosteron
und den vaskulären Verkalkungs
Scores jedoch statistisch nicht signi
fikant gewesen. Die Autoren folger
ten, dass die Assoziationen der
KalkScores zu den Geschlechts
hormonspiegeln wohl Ausdruck
einer Beziehung der Geschlechts
hormone zu etablierten CVRisiko
faktoren sind und durch diese ver
mittelt werden, so die DGE.
(mal)
Weiter unklar:
Testosteron und
Kalk in Gefäßen
ENDOKRINOLOGIE
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T. Diemer, A. Hauptmann,
F. Wagenlehner
(3 CMEPunkte)
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