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Das Zika­Virus könnte sich ab dem
Frühsommer auch in Europa aus­
breiten. In Deutschland besteht je­
doch laut einem Bericht des euro­
päischen Regionalbüros der Weltge­
sundheitsorganisation (WHO) ein
geringes Risiko.
Man appelliere insbesondere an
die Länder mit erhöhtem Risiko,
ihre nationalen Kapazitäten zur
Bekämpfung des Virus auszuweiten,
sagte die WHO­Direktorin für Eu­
ropa, Zsuzsanna Jakab. Ein größerer
Zika­Ausbruch müsse vermieden
werden.
Mittelmeerländer gefährdet
Gefährdet seien vor allem die Insel
Madeira und die Schwarzmeerküste
in Georgien und Russland. Dort
komme die Gelbfiebermücke Aedes
aegypti vor, durch die das Virus vor
allem übertragen werde. Ein mäßi­
ges Risiko besteht in 18 Ländern,
darunter Mittelmeerstaaten wie
Frankreich, Italien, Spanien, Kroa­
tien, Griechenland und die Türkei,
wo die Asiatische Tigermücke (Ae­
des albopictus) das Virus weiterge­
ben könnte. Zur europäischen
WHO­Region gehören 53 Länder,
darunter etwa auch ganz Russland.
Zika­Infektion in Deutschland
In Deutschland hat sich vor Kur­
zem erstmals ein Mensch mit dem
Zika­Virus angesteckt hat. Eine
Frau infizierte sich beim unge­
schützten Sex mit ihrem Partner,
der nach einem Aufenthalt in Puer­
to Rico erkrankt war.
Für seine Untersuchung hat das
WHO­Büro aus der „Wahrschein­
lichkeit einer Ausbreitung des
Zika­Virus an sich“ und der „vor­
handenen nationalen Kapazitäten
zu Vorsorge und schneller Eindäm­
mung örtlich auftretender Übertra­
gungen“ ein Risiko errechnet. Von
Reisen in Mittelmeerländer rät die
WHO wegen des höheren Risikos
dort aber nicht ab. Gegen Mücken
sollten sich Urlauber und Einheimi­
sche mit langärmliger Kleidung
schützen.
(dpa)
Ab Sommer
Zika­Gefahr
auch in Europa
Vor allem in den Mittel­
meerländern sollten sich
die Menschen vor der
Asiatischen Tigermücke
in Acht nehmen.
WHO
Eine Behandlung mit niedrig dosier­
tem ASS impliziert nicht automatisch,
dass auch das Risiko für gastrointesti­
nale Komplikationen niedrig ist.
„Low­Dose“­ASS ist daher auch bei
dualer Plättchenhemmung (DAPT)
per se kein hinreichender Grund, auf
eine Prophylaxe mit PPI zu verzichten,
wie neue Studiendaten nahelegen.
Die Thrombozytenfunktionshem­
mung mit ASS ist fester Bestandteil
der medikamentösen Sekundärpräven­
tion bei Patienten mit manifester Ko­
ronarerkrankung. In den meisten Län­
dern wird dabei inzwischen eine Be­
handlung in niedriger Dosierung (75 –
100 mg) bevorzugt. Dies gilt auch für
die ASS­Gabe im Rahmen einer
DAPT.
Studien haben gezeigt, dass ASS in
niedriger Dosierung ischämischen Er­
eignissen ebenso wirksam vorbeugt
wie eine höher dosierte ASS­Prophyla­
xe und wahrscheinlich weniger gastro­
intestinale Komplikationen hervorruft.
Ob sich deshalb eine gastroprotektive
PPI­Prophylaxe erübrigt, ist jedoch
unklar.
Eine Gruppe von Autoren der
COGENT­Studie (NEJM 2010;
363:1909­1917) um Dr. Deepak Bhatt
vom Brigham and Women`s Hospital
in Boston hat in einer Substudie analy­
siert, wie wirksam die PPI­Prophylaxe
in Relation zur ASS­Dosierung war (J
Am Coll Cardiology 2016; 67:1661­
1671).
Dazu verglichen sie zwei Gruppen
von Studienteilnehmern, die entweder
„Low­Dose“­ASS (
,
100 mg, n =
2480) oder „High­Dose“­ASS ( 100
mg, n = 1272) erhalten hatten. Das
Ergebnis: In der „High­Dose“­Gruppe
war sowohl das Risiko für gastrointes­
tinale Ereignisse (1,7 versus 2,1 Pro­
zent) als auch das Risiko für kardiale
Ereignisse (4,8 versus 5,5 Prozent)
ähnlich hoch wie in der „Low­Dose“­
Gruppe. Im Vergleich zu Placebo führ­
te die PPI­Prophylaxe mit Omeprazol
in beiden Dosis­Gruppen jeweils zu
einer signifikanten Abnahme von gast­
rointestinalen Komplikationen (Low­
Dose­ASS: 1,2 versus 3,1 Prozent;
High­Dose­ASS: 0,9 versus 2,6 Pro­
zent). In keiner der beiden Dosis­
Gruppen hatte die PPI­Prophylaxe
einen Einfluss auf den primären kar­
diovaskulären Endpunkt.
Nach diesen Ergebnissen impliziere
auch eine niedrig dosierte ASS­Thera­
pie ein erhebliches Risiko für gastroin­
testinale Ereignisse, so die Autoren.
Die aktuelle Analyse zeige zudem, dass
dieses Risiko unabhängig von der
ASS­Dosis durch eine prophylaktische
PPI­Therapie deutlich reduziert wer­
den kann. Die Autoren empfehlen, die
PPI­Prophylaxe bei KHK­Patienten
mit DAPT und erhöhtem Risiko für
gastrointestinale Komplikationen kon­
sequent zu nutzen – auch im Fall einer
„Low­Dose“­Therapie mit ASS.
(ob)
Auch niedrig dosiertes ASS
birgt nach neuen Studien­
daten ein Risiko für gastro­
intestinale Komplikationen.
„Low­dose“­ASS macht PPI nicht überflüssig
So etwas wünscht man niemandem:
Professor Christoph Klein, Direktor
des Kinderspitals der LMU München,
fand sich auf dem Titel des Magazins
der „Süddeutschen Zeitung“ wieder.
In einem Artikel wurde er schwer an­
gegriffen wegen einer 2009 vorzeitig
beendeten klinischen Studie bei Kin­
dern mit Wiskott­Aldrich­Syndrom
(WAS), die eine retrovirale Genthera­
pie erhalten hatten.
Nach der Behandlung von zehn der
15 Kinder entwickelte ein erstes Kind
damals eine Leukämie. Die Studie
wurde abgebrochen. Bei sieben weite­
ren Kindern kam es später ebenfalls zu
dieser Komplikation. Drei starben. Die
anderen wurden mit allogener Stamm­
zelltransplantation behandelt, die so­
wohl für die Leukämie als auch für das
WAS eine effektive Therapie darstellt.
Den Kindern geht es heute gut. Der
Vorwurf im Artikel: Anfangs sei nicht
konsequent genug nach Knochen­
markspendern gesucht worden. Der
Karriere wegen habe der Arzt den
Kindern den Therapiestandard vor­
enthalten.
Studie anfangs sehr erfolgreich
Bei einem Symposium der Paul­Marti­
ni­Stiftung in Berlin stellte Klein seine
Position dar. Er machte deutlich, dass
die Studie anfangs überdurchschnitt­
lich erfolgreich war. Dass die Suche
nach kompatiblen Knochenmarkspen­
dern nicht Teil des Studienprotokolls
war, sei Ergebnis umfangreicher ethi­
scher Abwägungen unter Beteiligung
zahlreicher Gremien gewesen. Und
anders als suggeriert, habe die zustän­
dige Ethikkommission, bei der Klein
damals selbst Mitglied war, über die
Studie bewusst in Abwesenheit von
ihm diskutiert und entschieden.
Klein wies auch darauf hin, dass da­
mals bei WAS­Patienten nach Kno­
chenmarktransplantation (KMT) mit
einem 5­Jahres­Überleben von etwa 70
Prozent zu rechnen war. Auch die
KMT sei bei diesen Patienten, die un­
behandelt meist vor dem 20. Lebens­
jahr sterben, also eine riskante Thera­
pie gewesen und alles andere als eine
optimale Standardbehandlung. Trotz­
dem: Die Studie sei im Hinblick auf
die Heilung der Kinder durch die
Gentherapie ein klarer Misserfolg ge­
wesen, so Klein. Die Verdächtigungen
in dem Artikel bezeichnete er aber als
unsubstanziell und enorm destruktiv.
Die Mutter eines der gestorbenen
Kinder habe ihm mittlerweile
demonstrativ den Rücken gestärkt.
Was den Kindern wahrscheinlich
passierte, war eine so genannte Inserti­
onsmutagenese: Das per Retrovirus
eingebrachte Gen hat Protoonkogene
aktiviert und so die Leukämien verur­
sacht. Das ist auch in anderen klini­
schen Studien mit retroviralen Gen­
fähren passiert. Deswegen werden
heute fast ausschließlich so genannte
SIN­adaptierte Retroviren als Genfäh­
ren eingesetzt, über die Professor Axel
Schambach von der Medizinischen
Hochschule Hannover berichtete.
SIN­adaptierte Retroviren nutzen
Gensequenzen, die mit dem benach­
barten Chromatin weniger interagie­
ren. Vor zwei Jahren gab es eine erste
klinische Studie bei Kindern mit
schwerem Immundefekt (SCID­X1),
in der kein Effekt auf wichtige Proto­
onkogene beobachtet wurde. Mittler­
weile nutzen deswegen fast alle Stu­
dien mit retroviralen Gentherapien die
SIN­adaptierten Konstrukte. „Bei der
neuen Vektorgeneration gab es bisher
keine schweren Nebenwirkungen. Das
ist eine wichtige Nachricht für die
langfristige Prognose dieser Therapie­
option“, so Schambach.
Die Alternative zu Retroviren sind
die adenoassoziierten Viren (AAV).
Der ehemalige DFG­Präsident Profes­
sor Ernst­Ludwig Winnacker erinnerte
daran, dass die AAV vor Jahren eben­
falls eingeführt wurden, weil ihre Vor­
gänger, die Adenoviren, zu lebensbe­
drohlichen Immunreaktionen führen
konnten. Auch damals starben Patien­
ten. Die AAV haben sich dagegen als
weitgehend sicher erwiesen. Seit 2012
ist mit Glybera
®
die erste AAV­basierte
Gentherapie in Europa für Patienten
mit Lipoproteinlipase­Defizienz
(LPLD) zugelassen. Im Herbst 2015
wurde erstmals in Europa eine Patien­
tin behandelt, mit 20 Injektionen zu
einem Preis von rund einer Million
Euro. Vor der Therapie war die Patien­
tin Dauergast auf Intensivstationen
und benötigten ständig Apheresen.
Haben virale Vektoren eine Zukunft?
Sind Gentherapien also trotz aller
Rückschläge auf dem Weg in die Nor­
malität? Professor Klaus Cichutek, der
Präsident des Paul­Ehrlich­Instituts,
rechnet in Kürze mit der nächsten Zu­
lassung. Das Therapeutikum Strimve­
lis hat auf EU­Ebene Anfang April
2016 eine positive Bewertung des
CHMP­Komitees der EMA bei Pati­
enten mit dem schweren Immunde­
fektsyndrom ADA­SCID erhalten.
Bleibt die Frage, ob Gentherapien
mit viralen Vektoren überhaupt eine
Zukunft haben. Die Frage ist deswe­
gen berechtigt, weil es mit dem
CRISPR / CAS9­System mittlerweile
„Gen­Scheren“ gibt, die die moleku­
largenetische Forschung bereits revo­
lutioniert haben und die sich auch für
Gentherapien eignen. „Die Genthera­
pie könnte dadurch in einer Weise
fortschreiten, die wir uns heute noch
gar nicht vorstellen können“, so Win­
nacker. Die Idee ist, defekte Gene
„einfach“ direkt im Zellkern zu repa­
rieren. Kürzlich gab es eine Konferenz
in Washington, in der sich Forscher
aus aller Welt dagegen aussprachen,
solche Eingriffe schon jetzt bei Keim­
bahnzellen zu unternehmen. Aber
auch ein somatisches „Gen­Editing“
könnte therapeutische Durchbrüche
bringen. Ob das in der Geschichte der
an Neustarts nicht armen Gentherapie
ein weiterer Neustart wird?
Wegen einer Studie mit
Todesfällen vor sieben
Jahren ist die Gentherapie
kürzlich wieder negativ in
die Schlagzeilen geraten.
Heutige Gentherapien
gelten als sicherer. Statt
mit Virus­Genfähren wird
zudem auch die Therapie
mit Gen­Scheren erwogen.
Gentherapie: Defekte Gene
besser reparieren, statt ersetzen?
Von Philipp Grätzel von Grätz
Neue Gentechniken wie CRISPR/Cas9 erlauben eine präzise Veränderung des Erbguts.
© LINNEA HOLMSTRÖM, LJUNG, UMEA
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BDI aktuell
Juni 2016
Medizin
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