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Herr Dr. Spies, ein Blick in Ihren Le-
benslauf zeigt, dass Sie viel Erfahrung in
der ärztlichen Berufspolitik haben. So
waren Sie auch KV-Vorsitzender in Hes-
sen und Mitglied des KBV-Vorstandes.
Sie haben kürzlich erklärt, dass Sie im
BDI künftig mehr – und vor allem junge
– Kollegen für die Berufspolitik begeistern
wollen. Was begeistert Sie an der Berufs-
politik noch? Was treibt Sie im Moment
an?
DR. HANS­FRIEDRICH SPIES:
Ich bin
aus Leib und Seele Arzt – habe aber
schon früh in meiner beruflichen
Laufbahn gemerkt, dass Medizin auch
immer Organisation ist. Es gibt sicher
viele Patienten, die in unserem System
durch die Maschen fallen und nicht
vernünftig behandelt werden. Nicht
wegen ärztlicher Unzulänglichkeit –
sondern weil die Organisation fehler­
haft ist. Dort für Verbesserungen zu
kämpfen, habe ich immer für erstre­
benswert gehalten. Daher habe ich
mich auch bereit erklärt, bei der Kas­
senärztlichen Vereinigung mitzuarbei­
ten. Durch solche Tätigkeiten gewinnt
man natürlich Kenntnisse, die einem
Berufsverband auch von Nutzen sein
können.
Ich bin auch immer noch in der
Praxis tätig. Es ist mir wichtig, nicht
den Einblick in das tagtägliche Be­
handlungsgeschehen zu verlieren. Die
Politik ist inzwischen so weit von der
ärztlichen Versorgung entfernt, dass –
wenn man Vorschläge zur Verbesse­
rung macht – selbst wissen sollte, was
mit den Menschen, was in der Praxis
und was im Krankenhaus passiert.
Sie waren ja auch als Belegarzt tätig und
kennen beide Versorgungssektoren. Ein
Vorteil in der politischen Arbeit?
Das sehe ich schon so. Ich war über 20
Jahre lang Vorsitzender der Belegärzte
und damit auch ärztlicher Direktor.
Ich kenne beide Ebenen – was für
mein Amt im BDI wichtig ist. Wir ha­
ben zwei verschiedene Versorgungs­
ebenen, die komplett unterschiedlich
organisiert sind. Dadurch kommt es
oft zu Verwerfungen. Es erleichtert
den Durchblick, wenn man die Struk­
turen selbst erlebt hat.
Gerade hat die Bundesärztekammer eine
neue Ärztestatistik herausgegeben. Tenor:
Der Versorgungsbedarf steigt – aber die
Zahl der Ärzte nicht im benötigten Maße.
Es drohten mittelfristig Versorgungseng-
pässe. Wie dramatisch sieht die Situation
bei den Internisten aus?
Bei den Internisten ist die Lage noch
verhältnismäßig gut. Es gibt sicherlich
Fachgruppen, die mit wesentlich
knapperen personellen Ressourcen in
Zukunft auskommen müssen. Wir
merken das zum Beispiel beim allge­
meinärztlichen Versorgungsbereich. Es
ist inzwischen so, dass dort immer
mehr Internisten – neben den zahlen­
mäßig zu gering weitergebildeten All­
gemeinärzten – für die Versorgungslü­
cken zur Verfügung stehen. Daher
müssen wir übrigens auch eine Lösung
finden, damit die Ressource Internist
auch in dieser Versorgungsebene wei­
ter an Bedeutung gewinnt. Wir sind
mit dem Hausärzteverband zusammen
auf einem guten Weg und diskutieren
das intensiv.
Aber bei den Internisten gibt es
auch Schwerpunkte, bei denen wir
große Probleme sehen – zum Beispiel
in der Rheumatologie. Im Hinterkopf
muss man dabei behalten, dass die
Ressourcen in der ambulanten Versor­
gung weitgehend davon abhängig sind,
wie viele Ärzte in welchen Gebieten
weitergebildet sind. Das richtet sich
nicht nach dem ambulanten Behand­
lungsbedarf, sondern der Zahl der Kli­
nikabteilungen, in denen weitergebil­
det wird. Wir haben viele Kardiologen
aber wenig Rheumatologen, weil es
eben kaum rheumatologische Abtei­
lungen gibt. Da muss sich mittelfristig
etwas ändern.
Sorgt nicht auch die Bedarfsplanung für
eine künstliche Verknappung? Ein Rheu-
matologe wird zum Beispiel auch in den
großen Topf der Inneren geworfen.
Eigentlich halten wir das im Gegenteil
für richtig. Eine getrennte Planung
würde größere Probleme schaffen. Der
Rheumatologe, der seine Praxis auf­
gibt, müsste dann einen Rheumatolo­
gen finden, der den Platz einnimmt. Er
hätte dann unter Umständen ein exis­
tenzielles Problem. Mehr Flexibilität
hilft, mit dem Zwang umzugehen, den
die Bedarfsplanung mit sich bringt.
Die KBV setzt im Moment schwer auf
das Thema Patientensteuerung. Wie ste-
hen Sie dazu?
Die Grundüberlegungen dazu sind
zum Teil nicht verkehrt. Wir dürfen
aber nicht vergessen: Wir leben in ei­
nem budgetierten und geplanten Ge­
sundheitswesen. Der einzige, der im
Moment nicht beplant ist, ist der Pati­
ent. Jetzt kommt man bei der KBV auf
die Idee, dass man ihn in eine neue
Planung einbezieht. Ich bin da eher
zurückhaltend. Man wird sich als Arzt
damit bei den Patienten sicher nicht
beliebt machen. Wir würden eigentlich
etwas fortsetzen, was wir in unserem
derzeitigen System bereits kritisieren.
Der Ansatz mag ordnungspolitisch
nicht falsch sein – aber ob das bei den
Patienten gut ankommt und die Positi­
on des Arztes stärkt, steht auf einem
anderen Blatt.
Die Politik scheint munter in die Steue-
rung einzugreifen. Zum Beispiel mit den
Terminservicestellen...
...von denen ich nicht viel halte. Sie
bringen nur neue Bürokratie. Ich bin
in einer großen kardiologischen Praxis
tätig. Wir nehmen alle Notfälle, die
von den Hausärzten angemeldet wer­
den, noch am selben Tag an. Da erge­
ben sich im Alltag nicht die Probleme,
die Politiker an die Wand malen.
Das Problem liegt an anderer Stelle:
Wir haben Arztgruppen, die mit dem
Budget vorn und hinten nicht zurecht­
kommen. Um wirtschaftlich überleben
zu können, müssen sie auf die Patien­
tenzahlen achten. Da ist ein wirt­
schaftlicher Zwang. Entweder sorgt die
Politik und bezahlt dafür, dass Notfälle
auch wieder außerhalb dieser Budge­
tierung versorgt werden – oder sie
muss den Patienten offen kommuni­
zieren, weshalb es die Probleme gibt.
Eine bessere Verzahnung des ambulanten
Bereichs mit dem stationären steht bei
vielen Gesundheitspolitikern ganz oben
auf der Forderungsliste. Wo liegen die He-
rausforderungen?
Ein typisches Beispiel ist die ambulan­
te spezialfachärztliche Versorgung. Die
Idee hinter der ASV ist im Prinzip
richtig – aber warum ist sie so schwer
durchzusetzen? Warum erdrückt die
Bürokratie die Teilnahme? Weil die
Politik offenbar nicht in der Lage ist,
die unterschiedlichen gesetzlichen
Vorgaben der beiden Sektoren anzu­
gleichen. Wie wollen Sie Systeme mit­
einander kongruent bekommen, wenn
der Leistungskatalog permanent ausei­
nander driftet? Was hier erlaubt ist,
darf dort nicht gemacht werden und
umgekehrt. Warum werden die Leis­
tungsinhalte nicht angeglichen? Ver­
mutlich ist das nicht gewollt, denn der
ambulante Bereich wäre dann nicht
mehr so einfach zu budgetieren.
Welche konkreten Arbeiten gehen Sie in
den nächsten Monaten an?
Da gibt es zahlreiche Aufgaben. Ich
werde versuchen, mich intensiv in die
Arbeit des Spifa einzubringen, wo ich
auch Vorstandsmitglied bin. Ich bin
der Überzeugung, dass eine starke
Vertretung der Fachärzte – gerade an­
gesichts der Lage der Körperschaften
– extrem wichtig ist. Darüber hinaus
werden wir versuchen, weiter mit dem
Hausärzteverband darüber zu verhan­
deln, wo Kooperationen Sinn machen
und welche gemeinsamen Interessens­
lagen und Differenzen besprochen
werden sollen. Ich bin froh, dass die
Eiszeit aus der Vergangenheit einer
konstruktiven Gesprächssituation ge­
wichen ist.
Daneben ist es ein wichtiges Ziel,
die jüngeren Kollegen für die Berufs­
politik zu begeistern. Das Interesse
darf nicht beim Thema Bereitschafts­
dienstvergütung enden. Es gibt viel
mehr. Die Freiberuflichkeit muss ge­
stärkt und gefördert werden. Wir müs­
sen verständlich machen, warum da­
von Patienten und Ärzte profitieren.
Nicht zuletzt steht auch eine inten­
sivere Zusammenarbeit mit den wis­
senschaftlichen Verbänden, konkret
der DGIM, im Fokus. Wir wollen ge­
meinsame Lösungen suchen. Die The­
men reichen von Migrantenversorgung
bis zu Choosing wisely. Die wissen­
schaftlichen Gesellschaften müssen
darauf achten, dass ihre Daten nicht
zur Unterstützung ökonomischer
Konzepte verwendet werden, die sie
eigentlich nicht mittragen wollen.
Mit freundlicher Genehmigung des Ärzte­
nachrichtendienstes
), das In­
terview, das wir hier in Auszügen abdru­
cken, lief am 15.4.2016 auf
Die Freiberuflichkeit muss gestärkt werden
Die Delegiertenversamm­
lung des BDI hat ihn in
Mannheim an die Spitze
des Verbandes gesetzt. Im
Interview spricht Dr. Hans­
Friedrich Spies über seine
Ziele, Engpässe und Her­
ausforderungen in der Ver­
sorgung sowie über die Auf­
gabe der Berufsverbände.
Das Interview führte Jan Scholz
BDI­Präsident Spies: „Das Problem liegt an anderer Stelle: Wir haben Arztgruppen, die
mit dem Budget vorn und hinten nicht zurechtkommen.“
©
Dr. Hans­Friedrich
Spies
derzeitige Berufstätigkeit:
Internist/Kardiologe
Geboren
1944
Medizinisches
Staatsexamen
an der Justus­Liebig­Universität
Gießen (1969);
1970 Approbation
Weiterbildung
zum Internisten
mit Schwerpunkt Kardiologie
erster Vorsitzender
der
KV Hessen von 2001 bis 2003
Beisitzer im Vorstand
der KBV
von 2001 bis 2004
Vorstandsmitglied
des Spitzen­
verbands Fachärzte Deutschland
(seit 2015)
Präsident des BDI
(seit 2016,
zuvor von 2012 bis April 2016
2. Vizepräsident des BDI)
4
Juni 2016
BDI aktuell
Berufspolitik
15 Kandidaten bewarben sich
um einen der zehn zu vergebenden
Vorstandssitze. 76 Delegierte nah­
men an der Wahl teil und gaben
ihre Stimme ab.
Gemäß § 11 Absatz 3 der BDI­
Wahlordnung muss das endgültige
Wahlergebnis vom Wahlleiter in
BDIaktuell bekannt gegeben
werden.
Die folgenden Kandidaten haben
sich zur Wahl gestellt:
Dr. Klaus­Friedrich Bodmann
Dr. Johannes Bruns
Prof. Dr. Michael Denkinger
Dr. Ivo Grebe
Dr. Klaus Heinrich Heger
Dipl. med. Bernd Helmecke
Prof. Dr. Axel Holstege
Prof. Dr. Joachim Labenz
Christine Neumann­Grutzeck
Dr. Thomas Schmidt
Prof. Dr. Petra­Maria Schumm­
Draeger
Dr. Dirk Sieber
Dr. Norbert Smetak
Dr. Hans­Friedrich Spies
Dr. Klaus­Peter Spies
Nach dem Mehrheitswahlrecht
wurden folgende Kandidaten in
den BDI­Vorstand gewählt:
Dr. Klaus­Friedrich Bodmann
Prof. Dr. Michael Denkinger
Dr. Ivo Grebe
Dr. Klaus Heinrich Heger
Dipl. med. Bernd Helmecke
Christine Neumann­Grutzeck
Dr. Thomas Schmidt
Prof. Dr. Petra­Maria Schumm­
Draeger
Dr. Norbert Smetak
Dr. Hans­Friedrich Spies
Nicht gewählt, sondern als
geborene Mitglieder gehören
dem Vorstand neben
­ Prof. Dr. Hans Martin Hoffmeis­
ter als Sprecher der Sektionen
und Arbeitsgemeinschaften
auch
­ Dr. Hans Reinhard Pies als
Sprecher der Landesverbände,
­ Assistenzarzt Dr. Kevin Schulte
als Vertreter der außerordentli­
chen Mitglieder,
­ sowie Prof. Dr. Ulrich Fölsch als
Vertreter der DGIM an.
Dr. med. Gerd Guido Hofmann
Ehrenpräsident und Wahlleiter
Die Delegiertenver­
sammlung des Berufs­
verbands Deutscher
Internisten (BDI) hat
am 9. April 2016 in
Mannheim zehn Mit­
glieder des 14­köpfigen
Verbandsvorstands neu
gewählt.
Bekanntmachung der
Ergebnisse der
BDI­Vorstandswahl
Um einen Eindruck vom
neuen Vorstand des BDI zu
erhalten, besuchen Sie un­
sere BDI­Homepage
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