Berufspolitik
Nr. 4 • April 2014
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Das Verhältnis von Einzelpraxis zu
Kooperationen pendelt sich bei einem
Verhältnis von annähernd 1:1 ein.
Beim Trend zur Kooperation traten
deutliche Unterschiede zwischen Ost-
und Westdeutschland zu Tage: Wäh-
rend sich imWesten 53,0 % für die
Kooperation entschieden, waren es im
Osten nur 20,2 % (siehe auch Abb. 1).
Dies hat strukturelle Ursachen: Da
große Teile Ostdeutschlands ländlich
geprägt sind, ist die Patientendichte
hier in vielen Regionen nicht groß
genug, als dass Kooperationen wirt-
schaftlich attraktiv wären.
Im Osten wurde fast jede fünfte Praxis
als Einzelpraxis neu gegründet, im
Westen war es nur jede zwanzigste.
Offenbar ist es vor allem in struktur-
schwachen Gebieten für viele Existenz-
gründer attraktiver, eine Einzelpraxis
neu zu gründen, als eine Bestandspra-
xis zu übernehmen. Pech für die Abge-
ber: Finden sie keinen Nachfolger,
erzielen sie auch keinen Veräußerungs-
erlös, ein wichtiger Bestandteil der
Altersversorgung von Freiberuflern.
Investitionsvolumina moderat
Die Investitionsvolumina für eine haus-
ärztliche Praxis blieben 2011/2012
moderat. Je nach Art der Niederlassung
mussten die Gründer zwischen 86 000
und 129 000 Euro einkalkulieren. „Das
ist eine Summe, die unter dem Aspekt
der Finanzierbarkeit gut gestemmt
werden kann“, kommentiert Heßbrüg-
ge. Bei einem Investitionsvolumen von
100 000 Euro könne man diese Summe
bei einem angenommenen Zinssatz
von 3 % und einer monatlichen Rate
von 1 000 Euro in weniger als zehn
Jahren zurückführen.
Das höchste Investitionsvolumen fiel
imWesten mit 129 000 Euro für die
Übernahme einer Berufsausübungsge-
meinschaft (BAG) an. Es folgten die Ein-
zelpraxisübernahme mit 125 000 Euro
und die Neugründung einer Einzelpra-
xis mit 116 000 Euro. Hausärzte, die
den Sitz eines Arztes in einer bestehen-
den BAG übernommen haben, mussten
114 000 Euro einkalkulieren. Die Über-
führung einer Einzelpraxis in eine BAG
schlug mit 106 000 Euro pro Arzt zu
Buche. Wer als zusätzlicher Hausarzt
einer bereits bestehenden BAG beige-
treten ist, musste 103 000 Euro einpla-
nen. Im Osten fielen die Investitionsvo-
lumina um 20 bis 30 % niedriger aus als
imWesten. So mussten Hausärzte für
die Neugründung einer Einzelpraxis
92 000 Euro einplanen. Die Übernahme
einer Einzelpraxis schlug mit 86 000
Euro zu Buche. „Die Konkurrenzsituati-
on ist in den neuen Bundesländern
weniger stark ausgeprägt, was deutlich
geringere Übernahmepreise nach sich
zieht“, erläutert Heßbrügge. Insgesamt
wurden im Osten 17,8 % der Praxen auf
dem Land gegründet. ImWesten waren
es 8,6 %. Bei Klein- und Mittelstädten
ergaben sich nur geringfügige Abwei-
chungen (West: 51,2 %, Ost: 49,6 %).
Der Anteil der Großstadtpraxen lag im
Westen bei 40,2 %, im Osten bei 32,6 %.
Das Durchschnittsalter der Existenz-
gründer lag 2011/2012 bei 42 Jahren.
Der Frauenanteil belief sich auf 51,7 %.
Allerdings gab es auch hier deutliche
Unterschiede zwischen Ost und West:
Im Osten lag der Frauenanteil bei
57,6 %, imWesten bei 50,2 %.
KS
Die Verhältnisse sind ideal,
die Arztzahlen leider nicht
Existenzgründungsanalyse für Hausärzte 2012
(Forts. von S.1)
Die Ausführungen zu dem neu zu
gründenden Qualitätsinstitut finden
sich im § 137 a SGB V. Organisatorisch
wird das Institut beim Gemeinsamen
Bundesausschuss angesiedelt und soll
als eine Stiftung des Privaten Rechtes
errichtet werden. Aus der Begründung
zum Gesetzesentwurf des BMG kann
man herauslesen, dass die Etablierung
qualitätssichernder Maßnahmen in
den letzten Jahren deutlich verbessert
wurde. Gleichwohl sei man auch
immer wieder auf deutliches Verbes-
serungspotenzial hingewiesen wor-
den. Daher soll nun der Gemeinsame
Bundesausschuss die Qualitätsanfor-
derungen an die Leistungserbringung
festlegen, um eine qualitativ hoch-
wertige und an den Bedürfnissen der
Patientinnen und Patienten ausge-
richtete gesundheitliche Versorgung
zu gewährleisten. Bei der entspre-
chenden Entwicklung von Verfahren
zu Messung und Darstellung von Ver-
sorgungsqualität wird der G-BA der-
zeit durch ein fachliches unabhängi-
ges Institut bereits unterstützt, wel-
ches im Rahmen eines europaweiten
Vergabeverfahrens befristet beauf-
tragt worden ist. Das BMG sieht aller-
dings keine langfristige Lösung darin,
umfangreiche Arbeitskapazitäten mit
in regelmäßigen Abständen einherge-
henden erforderlichen europaweiten
Ausschreibungsverfahren zu binden.
Daher wird eine dauerhafte und ver-
lässliche Unterstützung des Gemein-
samen Bundesausschusses durch ein
unabhängiges Institut benötigt. Sofern
jedoch die Politik ein gewisses Durch-
griffsrecht auf die Qualitätssicherung
im Gesundheitswesen behalten
möchte und gleichzeitig eine fachli-
che Unabhängigkeit gewährleisten
soll, kommt nur ein politiknahes
Institut infrage, welches bei der
gemeinsamen Selbstverwaltung ange-
siedelt wird. Was tatsächlich passiert,
wenn das neue Institut ab 2015 seine
Arbeit aufnimmt, bleibt abzuwarten –
bereits heute wird deutlich, dass hier-
für finanzielle Aufwendungen im
zweistelligen Millionenbetrag anfallen
werden. Somit wird also neben dem
InEK, dem INBA und dem IQWIG ein
weiteres Institut geschaffen, dem bis-
her ein Abkürzungs-Kürzel noch fehlt,
um das Lieblingsthema der großen
Koalition zur Qualitätssicherung im
Gesundheitswesen weiter voranzu-
treiben.
Den entsprechenden Referentenent-
wurf will man bis zum 30. Juni 2014
durch die parlamentarischen Gremien
geschleust haben, damit den 132
Krankenkassen und dem Bundesversi-
cherungsamt ausreichend Zeit für die
Neuordnung der Beitragssatzbestim-
mungen und dem Gemeinsamen Bun-
desausschuss entsprechende Zeit zur
Gründung des Qualitäts-Institutes
eingeräumt werden können.
Hausarztzentrierte Versorgung
im nächsten Omnibus-Gesetz?
Eines ist jedoch sicher: Nachdem
zwei solcher Omnibus-Gesetze auf
den Weg gebracht werden, regen sich
vielerlei Interessen, in einem der mit
Sicherheit kommenden, folgenden
Omnibus-Gesetze einen Platz zu
ergattern. Allen voran könnte dies
für eine Neuordnung der hausarzt-
zentrierten Versorgung sprechen.
Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD
haben bereits einen entsprechenden
Änderungsantrag zum 14. SGB V
Änderungsgesetz vorgelegt, nachdem
die sogenannte Refinanzierungsklau-
sel fallen soll. Darüber hinaus sind
jedoch auch weitere Änderungen
geplant, welche den HZV-Akteuren
auf Ärzteseite evtl. weniger gefallen
dürften. Nachdem im § 73 b SGB V
der Absatz 5 a aufgehoben werden
soll, soll der Absatz 5 wie folgt
ergänzt werden: „In Verträgen, die
nach dem 31. März 2014 zustande
kommen, sind zu den Wirtschaftlich-
keitskriterien und Maßnahmen bei
Nichteinhaltung der vereinbarten
Wirtschaftlichkeitskriterien sowie
Regelungen zur Qualitätssicherung zu
vereinbaren.“ Dies heißt im Klartext,
die Refinanzierungsklausel soll fallen
und an ihre Stelle müssen vertragli-
che Wirtschaftlichkeits- und Quali-
tätskriterien vereinbart werden.
Gegenüber dem Bundesversiche-
rungsamt ist die Einhaltung dieser
Kriterien durch die Krankenkassen
nachzuweisen. Wie genau solche Kri-
terien aussehen sollen, wird in dem
Änderungsantrag nicht thematisiert.
Somit haben einige Kernbereiche aus
dem Koalitionsvertrag bereits Eingang
in das Gesetzgebungsverfahren gefun-
den, ohne dass eine „neue Gesund-
heitsreform“ ausgerufen wurde.
Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass
vor allem diejenigen Leistungserbrin-
ger, welche es sicherlich am nötigsten
hätten, nämlich die rund 2000 Kran-
kenhäuser in Deutschland, weiter auf
eine gesetzgeberische Klärung ihrer
Probleme warten müssen. Auch wenn
sich der Koalitionsvertrag mit zahlrei-
chen Formulierungen dem stationä-
ren Sektor zuwendet, sollen die
inhaltlichen Vorbereitungen für ein
Gesetzgebungsverfahren zunächst in
einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe
erfolgen. Die Begründung liegt in der
Tatsache, dass im Hinblick auf die
Finanzierung der Krankenhäuser offi-
ziell in Deutschland noch das System
der dualen Finanzierung existiert.
Auch wenn, bis auf wenige Bundes-
länder, den Finanzierungsverpflich-
tungen für die Investitionskosten der
Kliniken nicht mehr nachgekommen
wird.
Ein Fahrplan hierzu ist vom BMG nur
ansatzweise dargelegt worden – es
bleibt abzuwarten, wann diese wirk-
lich zwingenden Themen Eingang in
ein Gesetzgebungsverfahren finden.
Dipl.-Betrw. Tilo Radau
Geschäftsführer Berufsverband
Deutscher Internisten e.V.
Das 2. Omnibus-Gesetz
(Fortsetzung von Seite 1)
Bundesgesundheitsminister
Gröhe gibt Gas
Die Datenbasis der Existenzgründungs-
analyse für Hausärzte 2012
bilden die von der apoBank durchge-
führten und auswertbaren Finanzie-
rungen ärztlicher Existenzgründungen
in den Jahren 2011/2012. Diese wer-
den seit 1984 erfasst und anonymisiert
ausgewertet. Die statistische Auswer-
tung wurde gemeinsam von der apo-
Bank und dem ZI durchgeführt.
Kommentar
Wo bleiben die hausärztlich
tätigen Internisten?
Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank hat in Zusammenarbeit mit dem ZI eine
Analyse zur Existenzgründung für Hausärzte im Jahr 2012 durchgeführt. Zumin-
dest von der Investitionsseite bestehen für hausärztliche Praxen hervorragende
Bedingungen. Berücksichtigt man zusätzlich die durchschnittlichen Umsatzahlen,
die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für den gleichen Zeitraum veröf-
fentlicht wurden, sind in zahlreichen Bundesländern die Bedingungen eher positiv
zu bewerten. Bleibt die Frage, warum sich nicht ausreichend Ärzte niederlassen.
Der Nachwuchs scheitert offensichtlich trotz finanzieller Unterstützung bereits bei
der Weiterbildung zum Allgemeinarzt. Von dort kann man also kein Heil erwarten,
um die Löcher in der hausärztlichen Versorgung zu stopfen – trotz der günstigen
finanziellen Rahmenbedingungen. Im Gegensatz zur Allgemeinmedizin gibt es
aber genügend Bewerbungen für die Innere Medizin. Insbesondere für Internisten
ohne Schwerpunkt ist die hausärztliche Versorgungsebene interessant. Man wird
in Zukunft nur darauf achten müssen, dass diese Berufsgruppe sich auch mit
ihrem Leistungsspektrum wieder in dieser Ebene verwirklichen kann. Die Internis-
ten und die Allgemeinärzte müssen an diesem Punkt aufeinanderzugehen, um
Lösungsvorschläge auszuarbeiten.
Dr. Hans-Friedrich Spies
Abb. 1
Art der Existenzgründung: Kooperationen in einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), in Prozent.
Der Einstieg in die BAG ist die häufigste Kooperationsform bei der Existenzgründung von Hausärzten.
(Quelle: Deutsche Apotheker- und Ärztebank, apoBank)