Berufspolitik
Nr. 8/9 • August 2012
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Daraufhin entbrannten politische
Machtspielchen im Bundesrat. Hier
fand sich eine Mehrheit der Länder,
die dieses Gesetz gerne dem gemein-
samen Vermittlungsausschuss zufüh-
ren wollte, um auf dem Verhand-
lungswege aus dem „Omnibusgesetz“
Psych-Entgeltgesetz mehr Gelder für
die Krankenhäuser zu generieren.
Die Reaktion von Bundesgesund-
heitsminister Bahr war eindeutig.
Er drohte damit, auf das Gesetz ins-
gesamt zu verzichten, sollte der Bun-
desrat in seiner Sitzung am 6. Juli
2012 diesem Gesetzvorhaben nicht
zustimmen. Diese Drohung schien
ihre Wirkung verfehlt zu haben,
denn der Bundesrat verabschiedete
tatsächlich in seiner Sitzung am 6.
Juli 2012 das Psych-Entgeltgesetz in
der Fassung der Beschlussvorlage des
Bundestages vom 14. Juni 2012.
Die Inhalte des Gesetzes
Nun verbirgt sich hinter dem Titel
Psych-Entgeltgesetz weit mehr, als
ein neues Entgeltsystem für die Ver-
gütung der Leistung psychiatrischer
und psychosomatischer Einrichtun-
gen.
1. Einführung des Psych-Entgelt-
systems
Bis Ende Juni 2012 erfolgte die
Vergütung der jeweiligen voll- und
teilstationären Behandlungen in
psychiatrischen und psychosoma-
tischen Einrichtungen mit abtei-
lungsbezogenen tagesgleichen
Pflegesätzen. Da die im somati-
schen Bereich angewandten DRG
nicht einfach übertragen werden
konnten, musste ein neues, pau-
schaliertes Entgeltsystem für psy-
chiatrische Einrichtungen entwi-
ckelt werden. Das neue Entgeltsys-
tem soll über einen Zeitraum von
insgesamt neun Jahren eingeführt
werden, wobei die ersten vier
Jahre budgetneutral ausgestaltet
werden. An diese budgetneutralen
Phase schließt sich ab 2017 eine
fünfjährige Konvergenzphase an,
in der die krankenhausindividuel-
len Basisentgelte schrittweise an
den jeweiligen Landesbasiswert
angeglichen werden. Die Konver-
genzphase soll bis 31. Dezember
2021 abgeschlossen sein.
2. Der Orientierungswert
Seit dem Krankenhausfinanzie-
rungsreformgesetz ist es vorgese-
hen, die Grundlohnrate durch
einen Wert, der die Kostenent-
wicklung der Krankenhäuser
besser abbildet, abzulösen. Der
Gesetzgeber hat im Jahr 2008 das
statistische Bundesamt beauftragt
einen sogenannten Orientierungs-
wert zu ermitteln. Dieser Orientie-
rungswert sollte die Kostenstruk-
tur und -entwicklung der Kranken-
häuser abbilden und die Grund-
lohnrate, die die Entwicklung der
beitragspflichtigen Einnahmen der
GKV-Versicherten widerspiegelt,
als Obergrenze für die Entwick-
lung der Landesbasisfallwerte
ablösen. Der Orientierungswert
soll demnach erstmals ab 2012
und dann jährlich bis jeweils spä-
testens 30. September vom Statis-
tischen Bundesamt veröffentlicht
werden. Liegt der Orientierungs-
wert über der Grundlohnrate, kann
im Verhandlungsweg eine Erhö-
hung der Preisobergrenze erreicht
werden. Die besondere Kosten-
situation der Krankenhäuser wird
dadurch stärker berücksichtigt.
3. Anteilige Tariflohn-
finanzierung
Aufgrund der Belastung der Kran-
kenhäuser durch die Tarifsteige-
rung in diesem Jahr sollen die Ver-
tragsparteien auf Bundesebene
eine Anhebung der Landesbasis-
fallwerte 2012 um eine Ausgleichs-
rate verhandeln. Das Volumen die-
ser Tarifhilfe soll bei den Verhand-
lungen der neuen Obergrenze für
den maximalen Anstieg der Lan-
desbasisfallwerte 2013 allerdings
wiederum berücksichtigt werden,
sodass die Befürchtung besteht,
dass die Krankenhäuser die in Aus-
sicht gestellte Tarifhilfe in den Fol-
gejahren durch tendenzielle niedri-
gere Landesbasisfallwerte selber
bezahlen werden müssen.
4. Mehrleistungsabschläge
Übergangsweise werden die der-
zeit noch unbefristeten Mehrleis-
tungsabschläge auf die von Kran-
kenhäusern oberhalb der fixierten
Budgets vereinbarte Leistungs-
menge fortgeschrieben. Dieser
Mehrleistungsabschlag wird jedoch
modifiziert und auf die Jahre 2013
und 2014 begrenzt. Dies führt
dazu, dass die für das Jahr 2013
vereinbarten Mehrleistungen
erneut im Jahr 2014 dem Mehrleis-
tungsabschlag unterliegen. Dies
gilt jedoch nur insoweit, als die
Mehrleistungen des Jahres 2013
auch tatsächlich im Jahr 2014 vom
Krankenhaus erbracht werden.
Zur mittelfristigen Lösung der
Leistungsentwicklung im Kranken-
haus haben diese Selbstverwal-
tungspartner auf Bundesebene
nach § 17b Absatz 9 Krankenhaus-
gesetz einen gemeinsamen For-
schungsauftrag zur Mengendyna-
mik zu beauftragen. Ab 2015
sollen dann der Mehrleistungs-
abschlag entfallen und die Men-
gensteuerung unter Berücksichti-
gung der Ergebnisse des For-
schungsauftrages greifen.
5. Geriatrische Instituts-
ambulanzen
In diesem Gesetzgebungsverfahren
wird zudem ein Vorschlag des
Bundesrates aus dem Gesetz-
gebungsverfahren zum GKV-
Versorgungsstrukturgesetz auf-
gegriffen und die Möglichkeit
geschaffen, stationäre Einrichtun-
gen zu einer strukturierten und
koordinierten ambulanten geriatri-
schen Versorgung der Versicherten
zu ermächtigen, um insbesondere
die wohnortnahe geriatrische Ver-
sorgung der Bevölkerung zu ver-
bessern. Über den Inhalt oder den
Umfang dieser Versorgung, insbe-
sondere die Gruppe der geriatri-
schen Patienten, die für diese Ver-
sorgung in Frage kommt, die sach-
lichen und personellen Vorausset-
zungen sowie die sonstigen Anfor-
derungen an die Qualitätssiche-
rung sollen der GKV-Spitzenver-
band und die KBV im Vernehmen
mit der DKG eine entsprechende
Vereinbarung treffen.
6. Erbringung allgemeiner
Krankenhausleistungen
Mit dem Psych-Entgeltgesetz wird
zudem der § 2 Absatz 2 des Kran-
kenhausentgeltgesetzes präzisiert,
sodass nunmehr die flexiblen Mög-
lichkeiten der Zusammenarbeit
von Krankenhäusern mit niederge-
lassenen Ärztinnen und Ärzten
stabilisiert werden. Hierzu wird
klargestellt, dass Krankenhäuser
die ärztliche Behandlung im Rah-
men der allgemeinen Kranken-
hausleistung durch nicht festange-
stellte Ärztinnen und Ärzte erbrin-
gen können. Ein diesbezüglicher
Antrag hatte bereits dem Gesetzge-
bungsverfahren zum GKV-Versor-
gungsstrukturgesetz vorgelegen,
wurde dort allerdings auf Initiative
des Gesundheitsausschusses aus
der Gesetzesvorlage eliminiert, da
ein Qualitätsverlust im Bereich der
Krankenhausleistung befürchtet
wurde. Diesen Bedenken wird nun
dadurch Rechnung getragen, dass
die fachlichen Anforderungen und
Nachweispflichten in dem Umfang
erfüllt sein müssen, wie sie auch
für das ärztliche Krankenhausper-
sonal bestehen. Die gesetzliche
Regelung greift eine bereits weit-
verbreitete Praxis auf und schafft
nunmehr weit mehr Rechtssicher-
heit.
Mehr Rechtssicherheit
Das Psych-Entgeltgesetz tritt zum
1. Januar 2013 in Kraft, einige Rege-
lungen bereits am 1. August 2012.
Erstaunlicherweise befindet sich
hierunter nicht die Regelung des
§ 2 Absatz 2 Krankenhausentgelt-
gesetz, in dem die ärztliche Behand-
lung im Rahmen der allgemeinen
Krankenhausleistung durch nicht
festangestellte Ärztinnen und Ärzte
thematisiert wird. Dieser Paragraph
tritt wie das gesamte Gesetzeswerk
erst zum 1. Januar 2013 in Kraft.
Da es sich jedoch aufgrund der
Gesetzesbegründung hierbei ledig-
lich um eine Klarstellung der bisher
bereits gelebten Praxis handelt, ist
in diesem Feld bereits heute mehr
Rechtssicherheit eingetreten.
Dipl.-Betrw. Tilo Radau
Geschäftsführer
Berufsverband Deutscher Internisten
e.V.
Das Psych-Entgeltgesetz
Ein Gesetz, das weit mehr als
psychiatrische DRG regelt
Nach langen Diskussionen, zahllosen Änderungsanträgen und dem politischen Entgegenkommen an
der einen oder anderen Stelle hat am 14. Juni 2012 der Bundestag das Psych-Entgeltgesetz verabschie-
det. Wer jedoch vor der parlamentarischen Sommerpause die üblichen langen Reden erwartet hatte,
wurde enttäuscht, denn das Gesetz zur Einführung eines pauschalierten Entgeltsystems für psychi-
atrische und psychosomatische Einrichtungen wurde mit der schwarz-gelben Mehrheit und ohne
Debatte (vorbereitete Reden wurden einfach zu Protokoll gegeben) in zweiter und dritter Lesung
ohne Widerstand der Opposition verabschiedet.
Quelle: Ferdinand Rau: Psych-Entgeltgesetz vom Bundestag verabschiedet, aus: Das Krankenhaus
7.2012, Seite 684–691 und Dr. Michael Mörsch: Das Psych-Entgeltgesetz: Was bringt es für die
Krankenhäuser, aus: Das Krankenhaus 7.2012, Seite 675–682
Nach diesen Vorgaben packt die
deutschen Fachärzte das blanke Ent-
setzen, gehen sie doch davon aus,
dass dieses Geld wieder zusätzlich
aus dem Topf der fachärztlichen Ver-
sorgung bereitgestellt werden soll.
Es lohnt sich aber, weiterzulesen.
Spahn fordert nämlich nicht nur
mehr Psychotherapeuten, er befasst
sich auch kritisch mit den zurzeit
üblichen Genehmigungsverfahren
durch Gutachten. Er bezweifelt, dass
bei den derzeitigen Strukturen über-
haupt eine flächendeckende ange-
messene Versorgung möglich ist und
möchte diese reformieren.
Er geht auch kritisch mit den zuge-
lassenen psychotherapeutischen Ver-
fahren um. Hier geht es um die Ver-
haltenstherapie, um tiefenpsycholo-
gisch fundierte Verfahren und um
die analytische Psychotherapie. Er
äußert Zweifel, ob die analytische
Therapie in diesem Umfang weiter
sinnvoll ist, da manche rein analy-
tisch arbeitende Psychotherapeuten
nur 25 bis 30 Patienten pro Jahr
behandeln. Dies sei einer der wich-
tigsten Gründe für die zurzeit beste-
henden Wartezeiten. Sein Papier
endet mit der Forderung, das Gut-
achtenverfahren neu zu strukturie-
ren und fordert die Krankenkassen
auf, die Vergütung für die nach der
Bedarfsplanung notwendigen neuen
Psychotherapiesitze im Rahmen
der sogenannten Richtlinien Psycho-
therapie aus der morbiditätsbeding-
ten Gesamtvergütung auszugliedern
und extrabudgetär zu vergüten.
Dies entspricht im Übrigen der
Forderung zahlreicher Ärzte in der
ambulanten Versorgung, die schon
lange die Ausgliederung der psycho-
therapeutischen Leistungen aus
dem fachärztlichen Bereich fordern
und eine eigene Honorargruppe
empfehlen. Eine extrabudgetäre
Vergütung wird die Krankenkassen
endlich dazu bringen, in diesem
Behandlungsbereich auch die längst
überfälligen Qualitätssicherungs-
maßnahmen einzufordern. Man soll-
te die Vorschläge von Spahn bezüg-
lich der Psychotherapeuten unter-
stützen.
HFS
Positionspapier zur psychotherapeutischen Versorgung
Neuordnung der
Psychotherapie
Die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) interveniert im
Vorfeld der Neuregelung der Bedarfsplanung bei zahlreichen Politi-
kern, die Meinungsführer in der gesundheitspolitischen Versorgung
sind. Jens Spahn, Bundestagsabgeordneter der CDU, hat sich der
Sache angenommen und ein Papier unter dem Namen „Positions-
papier für eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versor-
gung“ verfasst. Nach seiner Auffassung besteht bei der psycho-
therapeutischen Versorgung eine nicht flächendeckende und
insgesamt unzureichende Versorgung. Er fordert bis zu 1.000
zusätzliche Sitze und bemerkt richtig, dass hier zusätzliche Kosten
von 100.000.000 Euro anfallen.