Medizin
Nr. 8/9 • August 2012
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Bis heute gibt es bei der akuten im
Gegensatz zur chronischen Herzin-
suffizienz keine medikamentöse
Therapie, welche die Sterblichkeit
senken konnte. Daher ist es sinnvoll,
die bisherige Standardtherapie
immer wieder neu in Hinblick auf
Organprotektion, insbesondere
Nephroprotektion, zu prüfen und
neue Medikamente zu evaluieren.
Diuretika
Schleifendiuretika (Furosemid, Tora-
semid) führen über eine gesteigerte
Wasser- und Natriumausscheidung
zu einer Reduktion der ventrikulären
Füllungsdrücke sowie einer Abnah-
me der pulmonalvenösen Stauung
und peripheren Ödeme. Daneben
haben sie auch eine direkte vasodila-
tatorische Wirkung, was eine Abnah-
me des pulmonalkapillären Ver-
schlussdruckes und des pulmonal-
vaskulären Gefäßwiderstandes indu-
ziert. Bei akuter Hyperhydratation
und bei akuter Herzinsuffizienz sind
Thiazide (Hydrochlorothiazid 25 mg
p. o.) und Aldosteron-Antagonisten
(Spironolacton, Eplerenon 25-50 mg
p. o.) in Kombination mit Schleifen-
diuretika (Furosemid initial 20-40
mg, max. 240 mg/d i. v.; Torasemid:
initial 10-20 mg, max. 200 mg/d i. v.)
sinnvoll [Empfehlungsgrad I, Evidenz
B][5]. Patienten mit arterieller Hypo-
tonie, Hyponatriämie oder metaboli-
scher Azidose sprechen auf Diuretika
schlecht an. Die hochdosierte Gabe
von Schleifendiuretika kann zu einer
schweren Hypovolämie, Hypotonie,
Hyponatriämie und Verschlechte-
rung der Nierenfunktion führen. Bei
Zeichen einer Diuretika-Resistenz
kann die kombinierte Gabe von
Schleifendiuretika und Thiaziden
sinnvoll sein.
In der „Diuretic Optimization Strate-
gies Evalution in Acute Heart Failure-
Studie“ (DOSE) [7] wurden Niedrig-
und Hochdosis-Furosemid-Therapie
sowie i. v.-Bolusgabe mit kontinuier-
licher Infusionstherapie verglichen.
Es fand sich kein Unterschied in
Bezug auf die Applikationsart. Die
Hochdosis-Therapie führte zu einer
rascheren Verbesserung von Dyspnoe
und zu einem Flüssigkeitsverlust ver-
bunden mit einem signifikanten
Anstieg der Nierenretentionswerte
ohne Einfluss auf die Dauer des
Krankenhausaufenthaltes oder das
Überleben.
kurzgefasst
Eine Kombination aus Schlei-
fendiuretika, Thiaziden und/oder
Aldosteronantagonisten in niedriger
Dosis ist häufig effektiver als eine
Monotherapie mit Schleifendiuretika
in hoher Dosierung.
Vasodilatatoren
Vasodilatatoren (Nitrate, Natriumni-
troprussid, Nesiritid) relaxieren die
glatte Gefäßmuskulatur und senken
den system- und den pulmonalvas-
kulären Widerstand. Dies führt zu
einer Abnahme der ventrikulären
Füllungsdrücke, der myokardialen
Wandspannung und des myokardia-
len Sauerstoffverbrauches. Bei erhal-
tener myokardialer Reserve kommt
es durch die Widerstandserniedri-
gung zu einem Anstieg des Herzzeit-
volumens. In diesen Fällen bleibt der
systemarterielle Blutdruck stabil. Bei
fehlender myokardialer Reserve kön-
nen schwere Hypotonien auftreten.
Daher sollten Vasodilatatoren in ein-
schleichender Dosierung bis zu sys-
temarteriellen Blutdruckwerten ≥ 90
mm Hg systolisch gegeben werden
[Empfehlungsgrad I, Evidenz B] [5].
Nitrate
Nitrate wirken überwiegend veno-
dilatatorisch und können oral/sublin-
gual oder als kontinuierliche Infusion
gegeben werden: Nitroglycerin-Spray
200 μg (2 Hübe) alle 10 min, gefolgt
von 10-20 μg/min i. v., Steigerung
um 5-10 μg/min alle 5 min. Um Blut-
druckabfälle zu vermeiden wird eine
langsame Dosissteigerung unter eng-
maschiger Blutdruckkontrolle emp-
fohlen. Eine Toleranzentwicklung
tritt gewöhnlich nach 24-48 Stunden
auf; dies hat meist eine Dosisstei-
gerung zur Folge.
Natriumnitroprussid
Natriumnitroprussid ist ein potenter
balancierter Vasodilatator mit kom-
binierter Vor- und Nachlastsenkung
und sollte in einschleichender
Dosierung intravenös gegeben wer-
den (initial: 0,3 μg/kg/min i. v.;
Steigerung bis zu 5 μg/kg/min). Da
abrupte Hypotonien häufig berichtet
werden, ist eine invasive Druckmes-
sung erforderlich. Aufgrund der
kurzen Wirkdauer von Natriumnitro-
prussid erfährt diese Substanz in der
Intensivmedizin eine Renaissance,
zumal die früher gefürchteten
Intoxikationen mit Cyaniden erst in
höheren Dosierungen und bei Lang-
zeitanwendung (> 1 μg/kg KG/min
über 72 h) auftreten und durch eine
begleitende Therapie mit Thiosulfat,
welche die Umwandlung von
Cyaniden in Thiocyanate fördert, ver-
mieden werden kann.
Nesiritid
Nesiritid, ein rekombinantes huma-
nes Brain Natriuretic Peptide
(rhBNP), ist ein venöser und arte-
rieller Vasodilatator mit mäßiggradi-
ger diuretischer und natriuretischer
Wirkung. Vor allem durch Daten der
Vasodilatation in der „Management
of Acute CHF-Studie“ (VMAC) [1], in
der eine klinische Verbesserung von
Dyspnoe und eine Abnahme der Pul-
monalarteriendrücke eintraten,
wurde die Substanz 2001 von der
FDA zugelassen und ist seit 2008
auch in die aktuellen europäischen
Leitlinien zur Therapie der akuten
Herzinsuffizienz aufgenommen [5].
Bei fehlenden Mortalitätsdaten ver-
wehrte die European Medicine
Agency (EMA) für Europa die Zulas-
sung – zu Recht, wie die aktuellen
Daten belegen. In der randomisierten
Placebo-kontrollierten „Acute Study
of Clinical Effectiveness of Nesiritide
in Decompensated Heart Failure“
(ASCEND-HF) [15] zeigte Nesiritid
bezüglich Dyspnoe, Krankenhaus-
aufenthalt und 30-Tage-Mortalität
keine Verbesserung.
kurzgefasst
Vasodilatatoren sollten in ein-
schleichender Dosierung bis zu sys-
temarteriellen systolischen Blut-
druckwerten ≥ 90 mm Hg gegeben
werden.
Positiv inotrope
Substanzen
Positiv inotrope Substanzen sollten
bei systemarterieller Hypotonie nur
dann eingesetzt werden, wenn trotz
ausreichender Hydratation Zeichen
der Kreislaufzentralisation per-
sistieren [Empfehlungsgrad IIa, Evi-
denz B] [5]. Wenngleich sie in der
Akutphase die hämodynamische
Situation und die Organperfusion
verbessern, können sie den myokar-
dialen Sauerstoffverbrauch steigern –
bei Noradrenalin und Dobutamin,
jedoch nicht bei Levosimendan –
und proarrhythmogene Effekte
induzieren. Daher sollten sie so
niedrig wie möglich dosiert und so
schnell wie möglich wieder ausge-
schlichen werden.
Dobutamin
Dobutamin steigert durch seine
führende β
1
-Stimulation das Herz-
zeitvolumen ohne wesentliche
Zunahme des systemvaskulären
Widerstandes. Dieses Wirkprofil
macht Dobutamin unter den positiv
inotropen Substanzen zum Medika-
ment der ersten Wahl [Empfehlungs-
grad IIa, Evidenz B] [5]. Die Dosie-
rung (inital 2-3 μg/kg/min; max.
15 μg/kg/min) richtet sich nach der
Besserung der klinischen Sympto-
matik, dem diuretischen Ansprechen
und dem hämodynamischen Status.
Levosimendan
Levosimendan, ein Kalzium-Sensiti-
zer, steigert die myokardiale Kon-
traktilität durch Erhöhung der Kalzi-
um-Empfindlichkeit der kontraktilen
Proteine, welche durch eine Bindung
an das kardiale Troponin C hervor-
gerufen wird. Da der transmembrane
Kalziumstrom nicht über pharmako-
logisch relevante Konzentrationen
hinaus erhöht wird, werden die ven-
trikuläre Entspannung und der
myokardiale Sauerstoffverbrauch
nicht relevant beeinflusst. Durch
seine milde Phosphodiesterase-Hem-
mung induziert es eine Vasodilata-
tion. Die Gabe erfolgt als Bolusapp-
likation (1,2-2,4 μg/kg/min über
10 min) gefolgt von einer kontinuier-
lichen Infusion (0,1-0,2 μg/kg/min
über 24 h). Die Levosimendan-
Wirkung bleibt aufgrund aktiver
Metabolite mehrere Tage erhalten.
Um Hypotonien zu vermeiden, sollte
bei Patienten mit einem systolischen
Blutdruck < 100 mm Hg auf eine
Bolusgabe verzichtet werden. Neben
schweren Hypotonien, sind ventri-
kuläre und supraventrikuläre Tachy-
kardien die wichtigsten Neben-
wirkungen [3, 11]. Levosimendan ist
eine mögliche Alternative bei Patien-
ten mit ineffektiver beta-adrenerger
Stimulation beispielsweise infolge
einer vorbestehenden Beta-Blocker-
Therapie. Vergleichende Studien
zwischen Levosimendan und Dobut-
amin fanden bezüglich der Mortalität
keinen signifikanten Unterschied,
wenngleich sich unter Levosimendan
mehr Patienten klinisch besser
fühlten [3, 13]. Levosimendan ist in
den USA und in vielen europäischen
Ländern bereits seit Jahren zuge-
lassen. In Deutschland ist die Sub-
stanz nur über die internationale
Apotheke zu beziehen. Die Guide-
lines der Europäischen Gesellschaft
für Kardiologie (ESC) geben Levosi-
mendan einen Empfehlungsgrad IIa,
Evidenz B [5], welchem sich auch die
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
anschließt.
Phosphodiesterase-III-Inhibitoren
Phosphodiesterase-III-Inhibitoren
(Amrinon, Milrinon, Enoximon)
wirken positiv inotrop sowie vasodi-
latierend. Sie wirken intrazellulär
und damit unabhängig von einer
Adrenorezeptor-„down“-Regulation
oder einer begleitenden Beta-Blo-
cker-Therapie. Aufgrund ihrer vaso-
dilatatorischen Wirkung sollte auf
die Bolusapplikation verzichtet und
mit einer kontinuierlichen Gabe mit
langsamer Dosissteigerung (Milri-
non: 0,1-0,375 μg/kg/min i. v.)
begonnen werden [Empfehlungsgrad
IIa, Evidenz B] [5]. Seit der „Out-
comes of Prospective Trial of Intra-
venous Milrinone for Exacerbations
Medikamentöse Therapie:
Update und Perspektiven
Akute Herzinsuffizienz
Die „akute Herzinsuffizienz“ ist definiert durch das plötzliche Auftreten von Symptomen einer Herz-
insuffizienz, welche einer notfallmäßigen Therapie bedürfen [5]. Die Krankenhaus-Mortalität beträgt bis
zu 10 %, beim kardiogenen Schock sogar 50-70 % [14]. Die akute Herzinsuffizienz bedarf einer raschen
Diagnose und einer möglichst kausalen Therapie. Beim akuten Koronarsyndrom steht daher eine Akut-
koronarangiographie mit Intervention im Vordergrund. Ziele der medikamentösen Therapie sind eine
Verbesserung der klinischen Symptomatik, eine hämodynamische Stabilisierung und die Durchbrechung
der neurohumoralen Aktivierung, welche im circulus vitiosus des kardiogenen Schocks mündet [5].
Bild: uppercutimages