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Berufspolitik
Nr. 7 • Juli 2012
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Die Abgabe von Import-Arzneimitteln
orientiert sich an dem üblichen Abga-
bepreis eines Arzneimittels in der
Apotheke. Diese haben sich aber
durch die Rabattverträge erheblich
verändert. In dieser Situation weigern
sich zurzeit die forschenden Unter-
nehmen der Arzneimittelindustrie,
ihren tatsächlichen Erstattungspreis
für die Produkte transparent zu
machen. Sie halten ihn geheim. Ande-
rerseits können die Importeure von
Arzneimitteln ihre Reimporte nicht so
flächendeckend anbieten, wie dies bei
den Arzneimitteln der forschenden
Pharmaindustrie möglich ist, auch
wenn sie über Rabattverträge mit den
Krankenkassen finanziert werden.
Der Gesetzgeber wird sich mit diesem
Thema beschäftigen müssen. Gelingt
es den Arzneimittelherstellern, ihre
Abgabepreise geheim zu halten, wer-
den die Tage der Reimporte in
Deutschland gezählt sein, da der Ver-
gleich zum Abgabepreis durch die
Intransparenz der Rabattpreise nicht
möglich ist. Deshalb ist bereits ein
erbitterter juristischer Kampf, unter-
stützt durch verschiedene Gutachter,
im Gang.
Mit diesem Thema hat sich der Gelbe
Dienst, ein Nachrichtendienst für
Gesundheits- und Sozialpolitik, aus-
führlich beschäftigt und dabei das
ganze unter den Begriff „Das System
frisst seine Kinder“ gestellt. Nach
Meinung des Nachrichtendienstes
wird sichtbar, dass der erbitterte
Kampf um die Transparenz und Ver-
traulichkeit von Erstattungsbeträgen
exemplarisch zeigt, dass die deutsche
Gesundheitspolitik auf dem besten
Weg ist, sich bei jedem neuen Schritt
in selbstgelegten Fallstricken zu ver-
heddern. Dieses Problem kennen wir
nicht nur von den Arzneimitteln.
HFS
Warum haben Sie Medizin studiert?
Weil ich schon als kleiner Junge ein
Medikament gegen Krebs erfinden
wollte.
Warum sind Sie Internist geworden?
Das war und ist für mich das an-
spruchsvollste Fachgebiet der Medizin.
Hier musst du den Patienten ganzheit-
lich betrachten, sonst machst du
Fehler!
Wann ist ein Arzt ein guter Arzt?
Wenn er am Ende des Tages neben dem
Schreibkram noch das Gefühl hat, Leid
gelindert zu haben, und dieses auch so
ist!
Was gefällt Ihnen am deutschen
Gesundheitswesen?
Der freie Zugang für alle Patienten.
Worin sehen Sie die größten Probleme
im deutschen Gesundheitswesen?
Dass der finanzielle Anreiz für die
Leistungserbringer in der Erzeugung
schwerer Krankheitsbilder liegt. Das
hat schon etwas Perverses.
Was liegt Ihnen in der Berufspolitik
am meisten am Herzen?
Die Erhaltung der Freiberuflichkeit.
Diese ist in mehrerer Hinsicht in Gefahr.
Haben Sie ärztliche und berufs-
politische Vorbilder?
Da muss ich berufspolitisch Hermann
Hartmann nennen, weil vor über 100
Jahren bis heute gültige berufspoliti-
sche Forderungen der Ärzteschaft auf-
gestellt hat. Fachlich wurde ich wie
er an den Universitäten in Halle und
Berlin geprägt.
Was bewegt Sie außerhalb Ihres
Berufes am meisten?
Die nicht bewältigte Finanzkrise und
die nächste „Internet-Blase“.
Wohin reisen Sie in den Urlaub?
Wohin meine Kinder wollen.
Was halten Sie von BDI aktuell?
Eine gelungene Mischung von berufs-
politischer Information und aktueller
fachlicher Entwicklung. Ansprechendes
Design. Online verfügbar. Eine App
wäre gut.
10 Fragen an ...
Bernd Helmecke
Der BDI aktuell Fragebogen
Diplommediziner Bernd Helmecke
studierte Medizin an der Martin-Luther-
Universität in Halle-Wittenberg und
absolvierte seine Weiterbildung in
der Inneren Medizin u.a. am Walter-
Friedrich-Krankenhaus in Magdeburg
und dem Bundeswehrkrankenhaus
in Leipzig.
Von 2000 – 2007 war er Leiter der
Intermediate Care Station der Klinik
Leezen am Schweriner See. Seit 2007
ist er Chefarzt der Klinik für Innere
Medizin im MediClin Krankenhaus am
Crivitzer See.
Bernd Helmecke ist seit 2005 Vorsitzen-
der des BDI Landesverbands Mecklen-
burg-Vorpommern und seit April 2012
Mitglied des BDI-Vorstands.
Darüber hinaus ist er Mitglied im
Erweiterten Vorstand der Gesellschaft
der Internisten Mecklenburg-Vorpom-
merns (GDI-MV) und Vorsitzender des
Landesverbands Mecklenburg-Vorpom-
mern im Hartmannbund.
Was wird aus den
Import-Arzneimitteln?
Intransparenz bei den Arzneimittelpreisen
Ein verordnetes Präparat kann gegen ein Import-Arzneimittel
ausgetauscht werden, wenn der übliche Abgabepreis des Bezugs-
arzneimittels um 15% oder um mindestens 15 Euro unterschritten
wird. Dabei ist der Listenpreis entscheidend.
Gleichzeitig findet eine innerärztliche
Diskussion über die Weiterbildung
statt. Es zeigt sich, dass in den zur
Weiterbildung zugelassenen Kranken-
häusern sehr viele Methoden und
ganze Fachgebiete nicht mehr ausrei-
chend vermittelbar sind, da ein gro-
ßer Teil der anfallenden Leistungen
nur noch ambulant zur Verfügung
steht. Es wird deshalb zu Recht disku-
tiert, dass vermehrt ambulante Insti-
tutionen, vor allem Vertragsärzte, an
der Weiterbildung beteiligt werden.
Aber was hat die Weiterbildungsord-
nung mit der Bedarfsplanung zu tun?
Dies lässt sich leicht am Beispiel der
Rheumatologen erläutern. Rheumato-
logen sind rar und werden überall
Land auf und Land ab für die ambu-
lante Versorgung gesucht. Es gibt zu
wenig Rheumatologen in Deutsch-
land.
Ursache des Defizits sind die fehlen-
den Weiterbildungsmöglichkeiten für
Rheumatologen, weil sie überwie-
gend ambulant tätig sind. Rheumato-
logische Abteilungen an Krankenhäu-
sern sind somit selten. Die notwendi-
ge Zahl von Rheumatologen kann
nicht weitergebildet werden.
Folgerichtig kommt man auf den
guten Gedanken, auch die rheumato-
logischen Praxen in die Weiterbildung
für Rheumatologie einzubeziehen.
Aber genau dies funktioniert nicht.
Kein Rheumatologe ist in der Lage,
einen Weiterbildungsassistenten zu
beschäftigen, wird er doch über
Regelleistungsvolumina finanziert.
Die Mehrleistungen, die der Weiter-
bildungsassistent zwangsläufig auslö-
sen wird, werden nicht mehr ausrei-
chend vergütet. Der Vertragsarzt ist
nicht in der Lage, den Assistenten zu
bezahlen, dieser verursacht nur Kos-
ten. Selbst bei einer Öffnung der Wei-
terbildungsmöglichkeit in den ambu-
lanten Bereichen wird sich somit
kaum jemand finden, der bereit ist, in
seiner Praxis weiterzubilden.
Damit beißt sich die Katze in den
Schwanz. Wir machen eine Bedarfs-
planung, die freien Stellen können
aber nicht besetzt werden. Gleichzei-
tig funktioniert die Weiterbildung
nicht, weil die Vergütungssysteme
einen Riegel vorschieben.
Wenn dies kein Beispiel einer Überre-
gulierung im Gesundheitswesen ist.
HFS
Die Überregulierung im
Gesundheitswesen und
ihre Folgen
Bedarfsplanung und Weiterbildung
Die Details der Bedarfsplanung werden derzeit vom Gemeinsamen
Bundesausschuss ausgearbeitet und sollen bis zum 31.12.2012 vorlie-
gen. Viele Akteure des Gesundheitswesens hoffen, dass diese Bedarfs-
planung, insbesondere bei unterversorgten Fächern und Gebieten, zu
einer Lösung der Probleme führen wird. Dabei wird vergessen, dass
offene Stellen auch besetzt werden müssen.
Bild: Creative Collection