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Nr. 7 • Juli 2012
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Berufspolitik
Die Gleichschaltung von privaten
und gesetzlichen Krankenversiche-
rungen muss unter dem Oberbegriff
„Reform der Krankenkassen in
Deutschland“ einsortiert werden. Die
SPD und die Grünen subsumieren
dieses Problem unter dem Begriff
„Bürgerversicherung“. Bei genauem
Nachfragen und Nachlesen in den
Parteiprogrammen muss man aber
feststellen, dass auch diese beiden
Parteien recht unterschiedliche Vor-
stellungen darüber haben, was man
unter einer Bürgerversicherung ver-
steht. Dabei ist bereits die Finanzie-
rung dieser gleichgeschalteten Kran-
kenkassen strittig. Die SPD hat bisher
einen Parteitagsbeschluss, der die
Finanzierung allein durch eine Ein-
beziehung der Kapitalerträge sichern
will. Bei den Grünen scheint man der
Auffassung zu sein, dass die Finan-
zierung ähnlich einem Steuersystem
aber mit einer Pflichtversicherungs-
grenze durchgeführt wird. Kommt es
nach der Wahl zu einer rot-grünen
Bundesregierung, wird man sich an
diesem Punkt einigen müssen.
Auch die Frage, wie mit den umfang-
reichen Rücklagen der privaten Kran-
kenversicherer bei einer Gleichschal-
tung der GKV umzugehen ist, steht
dann auf der Tagesordnung. Hier hat
noch keiner ein Patentrezept gefun-
den.
Private solidarische Kranken-
versicherung als Alternative?
Unabhängig von der Finanzierung
muss der rechtliche Status einer
zukünftigen Krankenkasse in einer
sogenannten Bürgerversicherung
definiert werden. Zurzeit sind die
Krankenkassen Körperschaften des
öffentlichen Rechtes und somit auch
der politischen Aufsicht direkt unter-
stellt. Dies bedeutet, dass die Politik
in die Krankenkassen hinein regieren
kann. Auch die Kassenärztliche Ver-
einigung ist eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts und kann von
dieser Einflussnahme ein Lied sin-
gen.
Der Politik kommt diese Konstrukti-
on deshalb gelegen, weil sie die
Selbstverwaltungsorgane verpflich-
tet, ihre gesetzlichen Vorgaben zu
erfüllen. Treten Schwierigkeiten auf,
kann man sie für das Misslingen ver-
antwortlich machen, ohne dass man
selber in die Schusslinie gerät.
Selbstverwaltungsorgane werden
deshalb regelhaft als Sündenbock
missbraucht.
Es gibt aber auch Alternativen zum
Selbstverwaltungsprinzip einer
Krankenkasse. Am holländischen
Beispiel wird sichtbar, dass man eine
Krankenversorgung durchgehend
auch über private Krankenversiche-
rungsunternehmen abbilden kann.
Die soziale Komponente einer solida-
risch finanzierten Versicherung wird
durch das sogenannte Beleihungs-
prinzip abgesichert. Dies bedeutet,
dass die solidarische Krankenversi-
cherung in ihren Facetten von einem
privaten Unternehmen abgebildet
wird. Man hat sich an die Vorgaben
des Gesetzgebers zu halten. Solche
Konstruktionen sind in Deutschland
schon gang und gäbe. Wir kennen
freie Unternehmen, die öffentlich
rechtliche Aufgaben im Rahmen
einer Beleihung wahrnehmen. Bei
diesem Organisationsprinzip hätte
zwar die Politik weiter einen erhebli-
chen Einfluss auf die Gestaltung des
Gesundheitswesens, Eingriffe werden
aber nicht mehr so einfach möglich
wie bei einem Selbstverwaltungsor-
gan.
Rechtsform der Krankenkassen
wichtig für Freiberuflichkeit
Warum ist diese Diskussion für uns
Ärzte und für die Internisten von
Bedeutung? Nach der zu erwarten-
den Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofes wird der Vertragsarzt zu
einer Art Pseudo-Angestellten der
Krankenversicherungen. Es ist zu
erwarten, dass die derzeitige Struk-
tur der Krankenkassen für die
Begründung eines solchen Urteils
mitbestimmend ist. Zum Erhalt der
Freiberuflichkeit wird deshalb eine
Rechtsform für die Kassen von freien
Unternehmen eher beitragen als die
sattsam bekannte Konstruktion von
Selbstverwaltungsorganen. Man soll-
te deshalb Krankenkassen unterstüt-
zen, die an einer mehr unterneh-
mensorientierten Organisations-
struktur interessiert sind.
HFS
Bürgerversicherung
ante portas?
Krankenkassenreform
Die Diskussion über die zukünftige Versorgung mit Krankenkassen
in Deutschland nimmt zunehmend Fahrt auf. Selbst CDU-Abgeord-
nete stellen das derzeitige duale System mit gesetzlicher und
privater Krankenversicherung in Frage.