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Berufspolitik
Nr. 7 • Juli 2012
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Der 115. Deutsche Ärztetag vom
22. – 25. Mai 2012 in Nürnberg,
der erste unter der Leitung des
neuen Präsidenten der Bundes-
ärztekammer, Dr. med. Frank-
Ulrich Montgomery, befasste
sich aktiv mit wichtigen gesund-
heitspolitischen Fragestellungen
und bezog Positionen für die
deutsche Ärzteschaft.
In seiner Eröffnungsrede ging es
um den Wert ärztlicher Freiheit
und dabei besonders um das
Thema „Freiheit und Verantwor-
tung“. Er bekannte sich explizit
zum Nebeneinander von priva-
ter Krankenversicherung (PKV)
und gesetzlicher Krankenversi-
cherung (GKV). Einer Bürgerversi-
cherung, wie von der SPD und
Grünen favorisiert, erteilte er eine
Absage. Der Wettbewerb beider
Versicherungssysteme sei ein Garant
für Innovation und Qualität. Durch
eine Einheitsversicherung werde das
Leistungsniveau der GKV insgesamt
abgesenkt und eine bessere Versor-
gung erhalte nur noch der, der es
sich leisten könne.
Der Auftritt der gesundheitspoliti-
schen Sprecher der CDU und SPD,
Spahn und Lauterbach, war eine
Enttäuschung, hatten beide doch
„Kreide gefressen“, taten sich gegen-
einander und uns Ärzten gegenüber
nicht weh. Es drängte sich fast der
Eindruck auf, dass sich beide schon
auf eventuell mögliche Koalitions-
verhandlungen für die Zeit nach der
nächsten Bundestagswahl vorberei-
ten.
Nichts Neues leider auch von den
Verhandlungen über die Novellie-
rung der GOÄ. Sie stecken weiterhin
in einer Sackgasse und es ist zu
befürchten, dass es in dieser Legis-
laturperiode mit einer Reform
nichts mehr werden wird.
Erfreulich ist das Ende der Diskussi-
on über die sogenannte modulare
Weiterbildung, in die sich der BDI
aktiv eingebracht hat. Es soll bei der
bewährten Struktur der Weiterbil-
Präsident
Dr. med. Wolfgang Wesiack,
Hamburg
dungsordnung mit Zusatzweiter-
bildungen bleiben. Der Antrag,
vom Präsidium des BDI einge-
bracht, die Gebietsgrenzen bei der
WBO zu respektieren, wurde mit
deutlicher Mehrheit angenom-
men.
Editorial
Es lohnt sich also, aktiv Politik
mit zu gestalten. Es lohnt sich,
aktiv im BDI mitzuarbeiten.
Dr. med. Wolfgang Wesiack
Präsident BDI e.V.
Nürnberger Erklärung
Weniger Aufmerksamkeit in der brei-
ten Öffentlichkeit, dafür aber eine
einstimmige Akzeptanz des Ärzte-
tags-Plenums fand die historisch
bemerkenswerte „Nürnberger Erklä-
rung“, in der die Vertreter der deut-
schen Ärzteschaft der Opfer der Ver-
brechen von Ärzten in der Zeit des
Nationalsozialismus gedachten: „Wir
bekunden unser tiefstes Bedauern
darüber, dass Ärzte sich entgegen
ihrem Heilauftrag durch vielfache
Menschenrechtsverletzungen schuldig
gemacht haben, gedenken der noch
lebenden und der bereits verstorbe-
nen Opfer sowie ihrer Nachkommen
und bitten sie um Verzeihung“, heißt
es in der Erklärung des Deutschen
Ärztetages.
Die Delegierten wiesen darauf hin,
dass die Initiativen gerade für die gra-
vierendsten Menschenrechtsverlet-
zungen nicht von politischen Instan-
zen ausgegangen seien, sondern von
den Ärzten selbst. „Diese Verbrechen
waren auch nicht die Taten einzelner
Ärzte, sondern sie geschahen unter
Mitbeteiligung führender Repräsen-
tanten der verfassten Ärzteschaft“,
erklärte der Ärztetag. Ebenso seien
medizinische Fachgesellschaften,
herausragende Vertreter der universi-
tären Medizin sowie renommierte
biomedizinische Forschungseinrich-
tungen beteiligt gewesen.
Das Ärzteparlament erklärte: „Wir
erkennen die wesentliche Mitverant-
wortung von Ärzten an den Unrechts-
taten der NS-Medizin an und betrach-
ten das Geschehene als Mahnung für
die Gegenwart und die Zukunft.“ Der
Deutsche Ärztetag verpflichtete sich
ferner, darauf hinzuwirken, die weite-
re historische Forschung durch die
Gremien der deutschen Ärzteschaft
sowohl in Form finanzieller als auch
institutioneller Unterstützung zu för-
dern.
Für PKV und GKV
In auffallender Übereinstimmung
haben sich BÄK-Präsident Montgome-
ry und Bundesgesundheitsminister
Daniel Bahr bei der Eröffnung des
Deutschen Ärztetags in Nürnberg für
das duale Krankenversicherungssys-
tem ausgesprochen. Eine Einheitskas-
se würde Patienten „zu Bittstellern
einer staatlich gelenkten Einheitsver-
sorgung“ machen, mahnte der FDP-
Politiker. Montgomery sprach sich für
einen Systemwettbewerb zwischen
den zwei Säulen aus: die private
Krankenversicherung auf der einen
und die gesetzliche Krankenversiche-
rung auf der anderen Seite. Beide hät-
ten zum unbestreitbar großen Erfolg
des deutschen Gesundheitswesens
beigetragen.
Die Existenz der privaten Krankenver-
sicherung sei ganz entscheidend für
den Leistungskatalog der gesetzlichen
Krankenversicherung:
• Gäbe es die PKV nicht, hätten wir
heute schon einen sehr viel schlan-
keren Leistungskatalog der Gesetzli-
chen.
• Gäbe es die PKV nicht, müsste sich
die GKV in nichts und niemals an
den Leistungen eines Konkurrenten
messen lassen.
• Gäbe es die PKV nicht, hätte wir
heute schon eine innovations- und
wettbewerbsfreie Zone für die GKV,
in der sie dann ihre Marktmacht
gegenüber Patienten und Ärzten
völlig ungeniert ausspielen könnte.
Montgomerys Fazit: Das ist kein
sozialer Fortschritt, das kann nicht
unser Interesse sein.
Auch die Delegierten des Ärztetages
haben sich mit großer Mehrheit für
den Erhalt des dualen Krankenversi-
cherungssystems mit gesetzlicher und
privater Krankenversicherung (PKV)
ausgesprochen. „Beide Elemente
haben ihre Berechtigung, ihre beson-
deren Stärken und Herausforderun-
gen“, heißt es in einer Entschließung
des Ärztetages. Die Delegierten wie-
sen darauf hin, dass alle Patienten,
gesetzlich oder privat versichert, von
der Existenz der privaten Krankenver-
sicherung profitierten. In der PKV
würden die Erlaubnis- und Verbots-
vorbehalte der GKV bei Einführung
neuer Techniken und Behandlungs-
verfahren nicht gelten. Gesetzliche
Kassen übernähmen Innovationen
dadurch schneller in ihren Leistungs-
katalog. Deshalb sei es irreführend,
wenn in der Öffentlichkeit das duale
Versicherungssystem aus GKV und
PKV mit einer Zwei-Klassen-Medizin
in Verbindung gebracht werde.
Finanzierungskonzept der
Ärzteschaft für die GKV
Die Ärzteschaft will sich stärker in die
Debatte über die künftige Finanzie-
rung der gesetzlichen Krankenversi-
cherung einschalten und hierzu For-
derungen an die Politik formulieren
sowie ein eigenes Finanzierungskon-
zept erarbeiten. Das hat der 115.
Deutsche Ärztetag in Nürnberg
beschlossen. So wird die Bundesärzte-
kammer in Zusammenarbeit mit
einem gesundheitsökonomischen Bei-
rat einen Forderungskatalog entwi-
ckeln und in den politischen Mei-
nungsbildungsprozess einbringen. Bis
zum nächsten Deutschen Ärztetag
2013 in Hannover soll dann ein trag-
fähiges Finanzierungskonzept der
Ärzteschaft vorliegen, das den Grund-
sätzen der ärztlichen Freiberuflichkeit
gerecht werden und die Sicherstellung
der Versorgung gewährleisten soll.
Schnelle Novellierung der
GOÄ gefordert
Der Ärztetag hat eine schnelle Umset-
zung der Novellierung der Gebühren-
ordnung für Ärzte (GOÄ) gefordert.
Die Delegierten appellierten an die
Bundesregierung, Einfluss auf den
Verband der Privaten Krankenversi-
cherung zu nehmen, damit die Ver-
handlungen zwischen Bundesärzte-
kammer und PKV nicht weiter verzö-
gert werden. „Unabdingbar sind der
Abschluss der Verhandlungen und die
daraus folgende Verabschiedung einer
neuen GOÄ noch im Jahr 2013 und
deren Inkrafttreten spätestens zum
1. Januar 2014“, heißt es in einer Ent-
schließung des Ärztetages.
Weitere Verzögerungen, die dazu füh-
ren würden, dass Untersuchungs- und
Behandlungsmethoden der modernen
Medizin im Kern weiterhin auf der
Grundlage eines rund 30 Jahre alten
Gebührenverzeichnisses abgerechnet
werden müssen, seien unzumutbar.
„Die Ärzte – aber auch die Patienten –
erwarten zu Recht klare, eindeutige
Abrechnungsregeln und einen verläss-
lichen Maßstab für eine angemessene
Vergütung ärztlicher Leistungen.
Benötigt wird eine transparente
Abbildung der modernen Medizin“,
stellte der Ärztetag klar.
Weiterbildung: flexibel, aber
nicht modular
Zur Situation der Weiterbildung in
Deutschland weist der Deutsche Ärz-
tetag darauf hin, dass Weiterbildung
Einstimmig für ein duales
Krankenversicherungssystem
115. Deutscher Ärztetag, 22.–25. Mai 2012 in Nürnberg
(Fortsetzung von Seite 1)
BDI nimmt Abschied von Dr. Ullrich Schindlbeck
Am 21. Mai 2012 ist Dr. Ullrich Schindlbeck, bis Ende 2011
aktives Mitglied im Vorstand des Berufsverbandes Deutscher
Internisten, BDI e.V., in Herrsching nach schwerer Krankheit
verstorben. In ihm verliert der Berufsverband einen enga-
gierten und kompetenten Kollegen, der sich stets für die
Belange der Internisten eingesetzt hat, so als 1. Vorsitzender
der Arbeitsgemeinschaft Radiologie, Nuklearmedizin und
MRT im BDI und als Verantwortlicher im Vorstandsressort
GOÄ, Honorarfragen.
Ullrich Schindlbeck wurde am 15. September 1945 in Seefeld (Herrsching am
Ammersee) geboren. Nach dem Medizinstudium an der LMU in München und
der Weiterbildung zum Internisten und Nuklearmediziner am Klinikum Rechts
der Isar der TU München ließ er sich mit Schwerpunkttätigkeit Kardiologie,
Endokrinologie und Nuklearmedizin in freier Praxis nieder.
In der von seinem Vater Dr. Robert Schindlbeck in Herrsching gegründeten
internistischen Privatklinik hat er eine Praxisgemeinschaft und fachübergrei-
fende internistische Gemeinschaftspraxis mit allen internistischen Schwerpunk-
ten, mit Radiologie (Spiral-CT, MRT), Nuklearmedizin (SPECT) und Neurologie
aufgebaut und deren Geschäftsführung übernommen. Seit 1994 war er
gemeinsam mit seinem Bruder Dr. Robert Schindlbeck Mitinhaber und Gesell-
schafter der Privatklinik Dr. Robert Schindlbeck GmbH & Co. KG in Herrsching.
In den letzten Jahren war er in Einzelpraxis als Internist mit Fachkunde Nuklear-
medizin tätig. Neben seiner Tätigkeit im BDI auf Bundesebene war er 3. Vorsit-
zender, Schatzmeister und Schriftführer der Vereinigung Bayerischer Internis-
ten (VBI) und des Landesverbandes Bayern des BDI.
Mit seinem Wirken im Berufsverband Deutscher Internisten und in der Vereini-
gung Bayerischer Internisten knüpfte er an das berufspolitische Engagement sei-
nes Vaters Dr. Robert Schindlbeck, Träger der Gü nther-Budelmann-Medaille, an.
Der Berufsverband Deutscher Internisten wird ihm stets ein ehrendes Andenken
bewahren.
BÄK-Präsident Dr. Frank-Ulrich
Montgomery sprach sich in Nürn-
berg für einen Wettbewerb zwi-
schen gesetzlicher und privater
Krankenversicherung aus.
Bild: Bundesärztekammer