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Der E. coli-Stamm O104:H4 war für
den STEC-Ausbruch 2011 in Nord-
deutschland verantwortlich. Das
Makrolid-Antibiotikum Azithromycin
ist geeignet, eine Dauerbesiedelung des
Darmes mit diesem pathogenen Erre-
ger-Serotyp zu reduzieren. Zu diesem
Ergebnis kamen M. Nitschke et al. in
ihrer Studie an der Universität Schles-
wig-Holstein, Campus Lübeck. In der
Studie wurden 65 Patienten mit gesi-
cherter STEC-Infektion über einen Zeit-
raum von durchschnittlich 39 Tagen
nach Einsetzen der klinischen Sympto-
matik beobachtet. Im Rahmen des
Krankheitsausbruchs im vergangenen
Jahr wurden 3816 manifeste Infektio-
nen dokumentiert; bei 845 von diesen
entwickelte sich ein HUS (22 %). Wie-
derum 88 % der HUS-Fälle betrafen
Erwachsene. Der O104:H4-Stamm
hatte sowohl pathogene Eigenschaften
von enterohämorrhagischen E. coli
(EHEC) als auch von enteroaggregati-
ven E. coli (EAEC). Eine Antibiotikabe-
handlung ist umstritten, da durch das
Absterben der Erreger vermehrt Shiga-
Toxin im Blut anfällt und ein HUS aus-
lösen oder verschlimmern kann. Aller-
dings gelten Patienten solange als
infektiös wie Keime im Stuhl nach-
weisbar sind. Azithromycin gilt als
Mittel der Wahl bei Reisediarrhoe, die
durch EAEC-Bakterien verursacht ist.
Bei 22 der 65 Patienten wurde eine
orale Therapie mit Azithromycin über
14 Tage eingeleitet (Tag 1–3: je 500
mg; Tag 4, 6, 8, 10, 12 und 14: je 250
mg). 43 Patienten erhielten keine Anti-
biotika. In der Azithromycin-Gruppe
war nach 28 Tagen lediglich ein Dauer-
ausscheider zu verzeichnen, nach
35 Tagen lagen bei allen 22 Patienten
dreifach negative Stuhlproben vor.
Hingegen musste bei 35 von 43 Patien-
ten ohne Antibiotikagabe eine Persis-
tenz der Besiedelung festgestellt wer-
den. Um das Therapieprinzip nochmals
zu überprüfen, erhielten 15 der 35
Patienten nachträglich ebenfalls Azi-
thromycin für 3 Tage. Anschließend
waren auch bei ihnen die Stuhlunter-
suchungen dreimal negativ.
Fazit
Azithromycin kann eine Dauerbesie-
delung des Darmes mit Shiga-Toxin-
produzierenden E. coli-Stämmen ver-
meiden, so die Autoren. Obwohl die
Studienpopulation aufgrund des
unerwarteten Ausbruchs recht klein
gewesen sei und Ergebnisse nur aus
einer Klinik vorlagen, seien die Ergeb-
nisse dieser Studie vielversprechend
und sollten in weiteren Untersuchun-
gen für andere STEC-Stämme bestätigt
werden.
Uwe Glatz
Sponsoring: Die Studie wurde nicht
durch Drittmittel finanziert.
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2012; 137: 981).
Alle Rechte vorbehalten.
Medizin
Nr. 7 • Juli 2012
15
H. T. Stelfox et al. identifizierten
hierzu im Zeitraum 2007–2009
erwachsene hospitalisierte Patien-
ten, deren klinischer Zustand sich
rasch verschlechtert hatte, und die
aufgrund dessen auf eine Intensivs-
tation verlegt werden sollten. Für die
notwendigen Informationen nutzten
sie die klinikinternen Datenbanken
von drei großen Krankenhäusern mit
insgesamt 2040 Betten. Die Autoren
betrachteten Parameter mit poten-
ziellem Einfluss auf eine Intensivauf-
nahme wie z.B. den Wochentag und
die Tageszeit sowie ärztliche und
patientenbezogene Faktoren.
Darüber hinaus analysierten sie die
ursprünglichen Behandlungsziele für
die Patienten, die Zeit bis zur Auf-
nahme auf die Intensivstation und
die Krankenhausmortalität.
Anschließend setzten sie die Anzahl
der verfügbaren Intensivbetten (0, 1,
2, > 2) in Bezug zu diesen Parame-
tern.
Die Gesamtkohorte bestand aus 3494
Patienten mit einem medianen Alter
von 72 Jahren. Insgesamt waren
46,8 % der Patienten weiblich, 46,2 %
hatten eine oder mehrere Begleit-
erkrankungen und 10,3 % waren
während des Klinikaufenthalts
bereits einmal auf der Intensivsta-
tion behandelt worden. Zwischen der
Bettenanzahl und verschiedenen
Untersuchungen und Interventionen
zeigte sich eine signifikante positive
Korrelation. So erfolgten beispiels-
weise häufiger arterielle Blutgas-
analysen oder Röntgenaufnahmen
von Thorax und Abdomen, wenn
eine größere Zahl an freien Betten
verfügbar war. War kein freies Bett
vorhanden, wurden nur 4,4 % der
Patienten intubiert und mechanisch
beatmet. Waren mehr als zwei Bet-
ten frei, traf dies auf 10,1 % der
Patienten zu (p < 0,01). Bei fehlenden
Betten sank außerdem die Wahr-
scheinlichkeit einer Aufnahme auf
die Intensivstation gegenüber zwei
oder mehr freien Betten um 33,0 %
(95 %–Konfidenzintervall [KI] -5,1–
57,3 %). Im Gegensatz dazu stieg die
Wahrscheinlichkeit um 89,6 %, dass
die ursprünglichen Behandlungsziele
geändert wurden (95 %–KI 24,9–
188,0 %). Die Krankenhausmortalität
schwankte zwischen 32,1 % und
34,7 % und war nicht von der Betten-
zahl abhängig.
Fazit
Bei Patienten mit rascher klinischer
Verschlechterung fand sich eine sig-
nifikante Assoziation zwischen der
Anzahl verfügbarer Intensivbetten
und der Aufnahme auf die Intensiv-
station sowie den geänderten
Behandlungszielen bei gleichbleiben-
der Krankenhausmortalität, so die
Autoren.
Kommentar zur Studie
Die Entscheidung, Patienten auf eine
Intensivstation aufzunehmen, sollte
primär auf der Schwere der Erkran-
kung oder objektiven Markern basie-
ren, so J. Wagner und S. D. Halpern in
ihrem Kommentar. Die vorliegende
Studie zeige allerdings auch, dass die
Verfügbarkeit freier Betten die Triage
beeinflusst. Die Klinikmortalität
hätte sich dadurch jedoch nicht
erhöht. Zahlreiche Aufnahmen auf
eine Intensivstation wären nicht
nötig, da es den Patienten entweder
zu gut gehe, oder sie zu krank seien,
um von einer Intensivbehandlung zu
profitieren. Anscheinend würden
auch Ärzte Intensivbetten effektiver
verteilen, wenn deren Knappheit sie
dazu zwinge. Um diese Annahmen zu
bestätigen, seien jedoch weitere
Untersuchungen nötig.
Arch Intern Med 2012; 172: 474–476
Dr. med. Johannes Weiß
Sponsoring: Die Studie wurde über
ein Stipendium finanziert.
Der Beitrag ist erstmals erschienen in der
Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Dtsch Med Wochenschr 2012; 137: 979).
Alle Rechte vorbehalten.
Die Verfügbarkeit von freien Intensivbetten ist relativ knapp, und
häufig übersteigt die Nachfrage das Angebot. Folglich ist eine Triage
nötig, um zu entscheiden, wer auf die Intensivstation aufgenommen
werden kann. H. T. Stelfox et al. beschäftigten sich nun mit der Frage,
wie sich die Bettenverfügbarkeit auf den Zustand von Patienten mit
rascher klinischer Verschlechterung auswirkt.
Arch Intern Med 2012; 172: 467–474
Intensivmedizin
Beeinträchtigt die Anzahl
freier Intensivbetten die
Patientenversorgung?
Das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) ist eine schwere Kompli-
kation einer Infektion mit Shiga-Toxin-produzierenden E. coli-Stäm-
men (STEC). Das Toxin zerstört irreversibel die Nierenkapillaren und
kann zum akuten Nierenversagen führen. Eine Antibiotikabehand-
lung wird bislang kontrovers diskutiert, da das Absterben der Erreger
eine erhöhte Toxinausschüttung zur Folge haben kann. M. Nitschke
et al. untersuchten nun die Auswirkung von Azithromycin auf eine
mögliche Dauerbesiedelung des Darmes mit STEC-Bakterien.
JAMA 2012; 307: 1046–1052
Gastroenterologie – Infektiologie
Azithromycin reduziert
langfristige EHEC-Besiedelung
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Bei Patienten mit rascher klinischer Verschlechterung fand sich eine signifikante Assoziation
zwischen der Anzahl verfügbarer Intensivbetten und der Intensivaufnahme sowie den geän-
derten Behandlungszielen bei gleichbleibender Krankenhausmortalität, so das Ergebnis der
Studie (Fotograf: Markus Niethammer).