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Medizin
Nr. 7 • Juli 2012
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Die COPD gilt als eine der häufigsten
chronischen Krankheiten überhaupt
mit steigender Tendenz und rangiert
derzeit auf der weltweiten Todesursa-
chenstatistik etwa an vierter Stelle
[22]. In Deutschland sind etwa 15 %
der Bevölkerung nach dem 40.
Lebensjahr betroffen [11]. Weltweit
schätzt man, dass sogar jeder vierte
Mensch über 40 Jahre an COPD
erkrankt ist [12]. Allerdings liegt der
Anteil der schweren COPD-Stadien
3 und 4 nach GOLD in Deutschland
nur bei 0,8 % [11]. Mit Veränderung
der Altersstruktur ist davon auszuge-
hen, dass die Anzahl dieser Patienten
steigt. Der Anteil von Patienten mit
dem überwiegenden Phänotyp
Emphysem wurde in Studien bislang
nicht systematisch ermittelt und
dürfte weniger als die Hälfte betra-
gen. Daraus ergibt sich, dass bei sorg-
fältiger Abklärung die Indikation für
eine interventionelle Therapiemaß-
nahme bei der COPD nur sehr selten
zu stellen ist. So werden z. B. in der
Pneumologischen Klinik am Klinikum
Nürnberg bei mehr als 7400 stationä-
ren Fällen pro Jahr nur etwa 20 bis
30 Patienten jährlich mit einem die-
ser Verfahren therapiert.
kurzgefasst
Die COPD zählt zu den häufigs-
ten Erkrankungen und den wichtigs-
ten Todesursachen. Insbesondere
Patienten mit dem Phänotyp Emphy-
sem können unter bestimmten
Voraussetzungen von interventionel-
len Maßnahmen profitieren.
Pathogenetische Zusammenhänge
Durch das Emphysem verliert die
Lunge teilweise ihre Elastizität. Hier-
durch kommt es zu vermehrtem
exspiratorischem Kollaps der kleinen
Atemwege und damit zur dynami-
schen Überblähung. Diesem Kollaps
der kleinen Atemwege kann in gewis-
sem Umfang durch atemgymnastische
Übungen wie z. B. Lippenbremse ent-
gegengewirkt werden. Die Vermeh-
rung des Lungenvolumens durch
direkte Emphysemmanifestation und
dynamische Überblähung ist oft
bereits bei der körperlichen Untersu-
chung am sogenannten Fassthorax
und im Röntgenbild an abgeflachten
Zwerchfellen erkennbar. Durch diese
Veränderungen kann das abgeflachte
Zwerchfell als der wichtigste Atem-
muskel kaum noch effektiv wirksam
werden und die Atemhilfsmuskulatur
arbeitet nur noch in bestimmten Kör-
perpositionen wie z. B. dem Kutscher-
sitz effektiv. Eine intermittierende
Heimbeatmung erfordert keine aktive
Negativierung des intrathorakalen
Drucks und ermöglicht eine zeitweise
Erholung der Atemmuskulatur. Die
Elastizität der Lunge kann nicht wie-
der hergestellt werden. Diesbezüglich
bleibt eine Transplantation die einzige
Therapieoption.
kurzgefasst
Mit einer Lungenvolumenre-
duktion soll in erster Linie die Atem-
mechanik verbessert werden, d. h. der
Wirkungsgrad der Atemmuskulatur,
insbesondere des Zwerchfells wird
erhöht.
Effektivität der Lungenvolumen-
reduktion
Wie stark die Beeinträchtigung durch
eine Lungenüberblähung sein kann,
zeigt Abb. 1. Die Volumenreduktion
vermindert diese Überblähung und
verbessert die Effektivität der Atem-
muskulatur, radiologisch erkennbar
an einem besser tonisierten Zwerch-
fell. Durch die verbesserte Ventilation
wird eine bessere körperliche Belast-
barkeit erreicht und so die Vorausset-
zung für ein wirksameres körperli-
ches Training mit Kraft- und Ausdau-
erübungen der Skelettmuskulatur
geschaffen.
Bereits 1957 konnten Brantigan und
Mueller [2] zeigen, dass eine chirurgi-
sche Resektion von 20 - 30 % des Lun-
genvolumens beim schweren Emphy-
sem Atemnot und Lungenfunktion
verbessert. Allerdings war die Letali-
tät hoch. Im NETT-Trial [23] wurden
positive Prädiktoren definiert und
neben einer höheren Lebensqualität
und verbesserter Lungenfunktion
auch ein längeres Überleben für
geeignete, streng ausgewählte Patien-
ten belegt. Dies waren v. a. Patienten
mit oberlappenbetontem heterogenen
Lungenemphysem und mit sehr nied-
rigem körperlichen Leistungsvermö-
gen von nicht mehr als 40 Watt bei
Männern und 25 Watt bei Frauen.
Eine bronchoskopische Volumenre-
duktion kann prinzipiell den gleichen
Effekt bewirken wie eine chirurgische
Resektion [7, 19, 20, 24, 27, 30, 32-
34]. Weil der Eingriff weniger invasiv
ist und der Thorax nicht eröffnet wer-
den muss, sind Morbidität und Mor-
talität geringer. Die Ein- und Aus-
schlusskriterien sind für die chirurgi-
sche und die bronchoskopische Lun-
genvolumenreduktion in vielen Berei-
chen sehr ähnlich (Tab. 1).
Patientenauswahl
Vor einer Intervention erfolgt die
Sicherung der Diagnose COPD, die
Einteilung in einen Schweregrad 3
oder 4 nach der GOLD-Klassifikation
[13], Gruppe D mit erheblicher Atem-
not und nur seltenen Exazerbationen,
sowie die Zuordnung zum Phänotyp
Emphysem aufgrund von Klinik und
Lungenfunktion. Die bildgebenden
Verfahren CT und Szintigrafie ermög-
lichen die Unterscheidung zwischen
homogener und heterogener Vertei-
lung. Um mobilisierbare Luftanteile
von gefangener Luft zu unterscheiden,
soll das CT sowohl in Inspiration als
auch in Exspiration erfolgen. Eine
Farbkodierung erleichtert die Zuord-
nung (Abb. 2).
Entscheidend für die Auswahl der
Methode zur Intervention ist das Vor-
handensein bzw. Fehlen einer mögli-
chen kollateralen Ventilation. Seit
2010 lässt sich bronchoskopisch mit
dem Chartis
®
-System messen, ob ein
Lungenlappen durch eine Bronchus-
blockade isoliert werden kann (nega-
tive kollaterale Ventilation) oder ob
Luft aus einem Nachbarlappen nach-
strömt und damit eine positive kolla-
terale Ventilation vorliegt. Dies ist
daran erkennbar, dass nach Verschluss
mit einem Ballon über längere Zeit
kontinuierlich Luft aus diesem Lap-
pen entweicht. Sistiert der Fluss nach
wenigen Minuten, dann ist davon aus-
zugehen, dass sich dieser Lappen ent-
leert hat und die Grenze zum Nach-
barlappen nicht luftdurchlässig ist
(Abb. 3). Diese Diagnostik wird als
katheterbasierte Luftstrommessung
bezeichnet und ist entscheidend für
die Auswahl der Methode zur bron-
choskopischen Lungenvolumenreduk-
tion. Die Machbarkeit und die Zuver-
lässigkeit dieser Methode sind belegt
[1, 4, 10, 14, 21]. Indirekte Hinweise
für eine positive kollaterale Ventilati-
on können sich auch in der Compu-
tertomographie finden. Der Spalt-
raum zwischen zwei Lungenlappen
stellt sich im CT als Linie dar und
wird als Fissur bezeichnet. Eine Fissur
gilt dann als komplett, wenn diese
Linie in mindestens einer Ebene auf
allen CT-Schichten vollständig dar-
stellbar ist. Eine komplette Fissur
spricht für negative kollaterale Venti-
lation. Die Sensitivität der CT zur
Erkennung kollateraler Ventilation ist
Interventionelle Therapie
des Lungenemphysems
COPD
Die Indikation zu interventionellen Therapiemaßnahmen bei schwerer COPD muss individuell und
besonders sorgfältig gestellt werden, da schwere Komplikationen im Vergleich zu anderen Behandlungs-
methoden häufig sind und dem Patienten erheblicher Schaden zugefügt werden kann. Bei richtiger Indi-
kationsstellung und sorgfältiger Durchführung in Zentren mit ausreichender Erfahrung kann der Erfolg
jedoch beeindruckend sein: Klinische Symptome, Lungenfunktion, Leistungsparameter sowie die Lebens-
qualität können über viele Jahre hinweg deutlich verbessert werden. Der Hinweis auf die Therapieoption
„interventionelle Maßnahmen“ in den GOLD-Leitlinien ist deshalb berechtigt [25]. Auch die Revision der
GOLD-Guidelines für 2012 wird diese Aspekte ausdrücklich berücksichtigen [13]. Daher sollte sich jeder
Arzt seinen Patienten mit schwerer COPD vom Phänotyp Lungenemphysem gegenüber verpflichtet füh-
len, abzuklären, ob eine solche Intervention in Frage kommt.
Abb. 1
Phänotyp Lungenemphysem im Röntgenbild des Thorax. Links Normalbefund,
rechts schweres Emphysem mit Zwerchfellabflachung (Bild: Prof. Dr. Dr. R. Loose, Radiolo-
gie, Klinikum Nürnberg).
Abb. 2
Farbkodierte Computertomographie eines heterogenen Lungenemphysems. Links
Inspiration, rechts Exspiration. Die Heterogenität des Lungenemphysems kommt in der
Exspirationsaufnahme noch deutlicher zur Darstellung (Bild: Prof. Dr. Dr. R. Loose, Radiolo-
gie, Klinikum Nürnberg).