Medizin
Nr. 8/9 • August 2012
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Überlebende einer Karzinomerkran-
kung hatten ein um 33 % reduziertes
Risiko für eine wahrscheinliche Alz-
heimer-Demenz im Vergleich zu Per-
sonen, die keine maligne Grunder-
krankung hatten, so das Ergebnis der
Studie. Die Autoren untersuchten
hierfür 1278 Patienten mit oder ohne
Krebserkrankung, die mindestens 65
Jahre alt waren und zu Beginn einen
normalen kognitiven Status hatten.
Der „protektive“ Effekt einer vorange-
henden bösartigen Tumorerkrankung
war für tabakassoziierte Karzinom-
arten größer als für andere. Die inver-
se Relation änderte sich auch dann
nicht, wenn Patienten, die starben,
nicht berücksichtigt wurden. Eben-
falls kam es zu keiner Änderung der
inversen Relation, wenn ein Schlagan-
fall als alternatives Outcome betrach-
tet wurde. Daher ist davon auszuge-
hen, dass die verkürzte Lebenszeit
von Karzinompatienten dieses Ver-
hältnis nicht artifiziell bedingt. Zu
Beginn hatten 176 Teilnehmer eine
Karzinomanamnese; während der
Beobachtungszeit kamen 247 weitere
dazu. Überlebende einer malignen
Krebserkrankung hatten nach Berich-
tigung bezüglich Alter, Geschlecht
und Rauchverhalten ein geringeres
Risiko für eine wahrscheinliche Alz-
heimer-Demenz (Hazard Ratio [HR]
0,67; 95 %-Konfidenzintervall [KI]
0,47–0,97). Insgesamt wurden 495
Personen mit Demenz (egal welcher
Art), 49 mit möglicher Alzheimer-
Demenz und 327 mit einer wahr-
scheinlichen Alzheimer-Demenz pro-
spektiv identifiziert. Jedem dieser Fälle
wurden bis zu drei kognitiv gesunde
Kontrollpersonen zugeordnet. Von die-
sen erkrankten 211 (14 %) an Krebs,
von den Personen mit einer Demenz-
Erkrankung waren es 41 (8 %). Die
Autoren verweisen auf Schwächen
ihrer Studie. Beispielsweise ist unklar,
ob Patienten, die vor dem 65. Lebens-
jahr an Krebs starben, ein ebenso
hohes Risiko gehabt hätten, wie Über-
lebende einer Krebserkrankung. Die
Autoren konnten in ihre Analyse nicht
miteinbeziehen, ob die Patienten eine
spezielle onkologische Therapie erhal-
ten hatten oder nicht, da die Zahl der
Karzinompatienten in der Studie
recht gering war.
Fazit
Überlebende einer Krebserkrankung
haben im Vergleich zu Personen
ohne maligne Grunderkrankung ein
geringeres Risiko für eine Alzheimer-
Erkrankung, so die Autoren. Des
Weiteren war bei Patienten mit Alz-
heimer-Demenz das Risiko für eine
Krebserkrankung geringer als bei
kognitiv gesunden Personen.
Dr. med. Susanne Bossenmayer
Die Beiträge sind erstmals erschienen in
der Deutschen Medizinischen Wochen-
schrift (Dtsch Med Wochenschr 2012;
137: 877, 876). Alle Rechte vorbehalten.
Krebserkrankungen und Neurodegenerationen teilen sich mehrere
Gene und biologische Wege, wie die unangemessene Aktivierung
und Deregulierung des Zellzyklus. Daher ist eine Verbindung zwi-
schen beiden Erkrankungen anzunehmen. J. A. Driver et al. unter-
suchten nun den Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und
Alzheimer-Demenz.
BMJ 2012; 344: e1442
Onkologie – Neurologie
Inverse Assoziation zwischen
Krebs und Alzheimer
Die retrospektive Analyse bestätigte
ein erhöhtes Infarktrisiko, das in der
Anfangsphase der Behandlung deut-
lich war, jedoch im Verlauf zurück-
ging. Insgesamt nahmen 37 138
Patienten mit einer Demenz
Cholinesteraseinhibitoren ein. Im
Erkrankungsverlauf erhielten 10 969
zusätzlich Neuroleptika (29,5 %). Dies
waren überwiegend Vertreter der
Klasse atypischer Antipsychotika
(97,8 %), d.h. Neuroleptika der zweit-
en Generation wie Risperidon und
Quetiapin. Im ersten Behandlungsjahr
hatten 138 Patienten (1,3 %) und
126 Kontrollpersonen (1,2 %), die
keine Antipsychotika bekommen hat-
ten, einen Myokardinfarkt. Die Patien-
ten mit Antipsychotika waren jünger,
nahmen häufiger kardiovaskulär
wirksame Medikamente, andere psy-
chotrope Substanzen und Antiphlo-
gistika ein. Die Autoren untersuchten
die Herzinfarkthäufigkeit für einzelne
Behandlungsphasen. Dabei ergaben
sich deutliche Unterschiede: In den
ersten 30 Tagen der Behandlung mit
Antipsychotika war das Risiko um
mehr als das Doppelte erhöht (Hazard
Ratio [HR] 2,19; 95 %-Konfidenzinter-
vall [KI] 1,11–4,32), nahm dann kon-
tinuierlich ab und war für das erste
Behandlungsjahr insgesamt mäßig
erhöht (HR 1,15; 95%-KI 0,89-1,47).
Die Ergebnisse blieben in multivari-
ater Analyse unter Berücksichtigung
von Alter, Geschlecht, kardiovasku-
lären Risikofaktoren und der Einnah-
me psychotroper Substanzen relevant.
In der anschließenden Fallstudie hat-
ten in einem Zeitraum von 47 Mona-
ten 804 Patienten, die Antipsychotika
bekommen hatten, einen Myokard-
infarkt. Das Inzidenzverhältnis zwi-
schen behandelten und unbehandel-
ten Perioden ergab für den ersten
Monat einen Wert von 1,78 (95 %-KI
1,26–2,52), der im dritten Monat auf
1,37 (95 %-KI 0,82–2,28) abgenom-
men hatte und danach konstant bei
1,18 lag. Nach einem Therapieab-
bruch bestand keine erhöhte Infarkt-
gefährdung mehr (Inzidenzverhältnis
0,80). Die Autoren halten fest, dass
der pathophysiologische Mechanis-
mus hinter der beobachteten Risiko-
erhöhung für Schlaganfälle und
Myokardinfarkte bislang unbekannt
sei. Ein Effekt der atypischen Neu-
roleptika auf die Thrombozytenfunk-
tion konnte bisher nicht nachge-
wiesen werden. Auch die Entwicklung
eines metabolischen Syndroms wäh-
rend einer Behandlung mit Antipsy-
chotika sei als Ursache unwahrschein-
lich, denn dann sei eine Risikozunah-
me und nicht eine Risikoabnahme zu
erwarten. Eine weitere Erklärung
könnten Interaktionen zwischen
Cholinesteraseinhibitoren und den
Antipsychotika sein.
Fazit
Patienten mit einer Demenz hatten
ein höheres Herzinfarktrisiko, wenn
sie atypische Neuroleptika einnah-
men, so die Autoren. Der Effekt war
in der ersten Therapiephase am
deutlichsten. Besonders im ersten
Behandlungsmonat sollten die
Patienten deshalb sorgfältig über-
wacht werden.
Dr. med. Susanne Krome
Sponsoring: Die Studie wurde von
einem gemeinnützigen Leistungsträ-
ger finanziellunterstützt.
Die Beiträge sind erstmals erschienen in
der Deutschen Medizinischen Wochen-
schrift (Dtsch Med Wochenschr 2012;
137: 1285, 876). Alle Rechte vorbehalten.
In früheren Untersuchungen waren die Mortalität gesteigert und
Schlaganfälle häufiger, wenn Patienten mit einer Demenz zusätzlich
zu Cholinesteraseinhibitoren antipsychotische Medikamente einnah-
men. Ob ebenfalls Myokardinfarkte unter einer Antipsychotikaein-
nahme häufiger auftreten, untersuchten jetzt Pariente et al. in einer
retrospektiven Analyse.
Arch Intern Med 2012; 172: 648–653
Geriatrie – Neurologie
Demenz: Neuroleptika
erhöhen Herzinfarktrisiko
Die Autoren führten eine Metaanalyse
durch, in der sie alle veröffentlichten
randomisierten kontrollierten Studien
mit Dabigatran betrachteten. In diesen
Studien war Dabigatran mit Placebo,
Enoxaparin oder Warfarin verglichen
worden. Die Analyse umfasste insge-
samt sieben Studien mit 30 514
Patienten. Endpunkte der Analyse
waren akute Koronarsyndrome und
Myokardinfarkte. In der Gruppe der
Patienten, die mit Dabigatran behan-
delt worden sind, lag die Rate von
Myokardinfarkten und akuten Koro-
narsyndromen bei 1,19 %. In den Ver-
gleichsgruppen erreichten 0,79 % der
Patienten einen kardialen Endpunkt.
Die Daten änderten sich nicht, wenn
die revidierten RE-LY-Daten zugrunde
gelegt wurden und auch nicht nach
Ausschluss der Studien, die nur sehr
kurze Beobachtungszeiten hatten. Das
Risiko für ein akutes Koronarsyndrom
oder einen Myokardinfarkt unter Dabi-
gatran war um 33 % (Odds Ratio 1,33;
95 %-Konfidenzintervall 1,03–1,72;
p = 0,03) höher als in den Vergleichs-
gruppen. Diese Unterschiede waren
für alle Studien und alle Vergleichsprä-
parate konsistent.
Fazit
Eine Behandlung mit Dabigatran führ-
te in allen Patientengruppen zu einem
um 33 % höheren Risiko für Myokard-
infarkte und akute Koronarsyndrome
gegenüber Placebo, aber auch vergli-
chen mit Enoxaparin und Warfarin, so
die Autoren. Dies sollte bei Risikopa-
tienten bedacht werden.
Dr. med. Christoph Feldmann
Dabigatran ist ein direkter Thrombinhemmer. Die Substanz ist als
eines der neuen oralen Antikoagulanzien für zahlreiche Indikationen
zugelassen, wie z. B. zur Thromboseprophylaxe bei chirurgischen
Patienten oder zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern. In
der Studie RE-LY zur Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern fiel
eine erhöhte Rate an Myokardinfarkten auf. Ob dies eine Nebenwir-
kung von Dabigatran ist, ist bisher unklar und wurde nun von
K. Uchino et al. untersucht.
Arch Intern Med 2012; 172: 397–402
Kardiologie
Dabigatran erhöht Risiko
für Myokardinfarkte
Die multinationale Phase-III-Studie
rekrutierte 282 Patienten zwischen
7 und 70 Jahren mit unzureichend
kontrolliertem allergischen Asthma
bronchiale. In den Schlafräumen der
Patienten wurden in intendiert doppel-
blind-randomisierter Weise Laminar-
Airflow-Geräte installiert; die Hälfte
mit inaktivem Partikelfilter und ohne
Luftkühlung (Placebogruppe). Das Stu-
dienprotokoll definiert als primären
Endpunkt eine signifikante Verbesse-
rung des Mini Asthma Quality of Life
Questionnaire (Mini-AQLQ) bzw. seines
pädiatrischen Äquivalents. Eine Verän-
derung ab 0,5 Punkten ist bei diesem
Test signifikant; Einschlusskriterium
war ein Ausgangswert ≤ 5,5 Punkte.
Weitere Endpunkte umfassten spiro-
metrische Parameter, Werte des Stick-
stoffgehalts in der Ausatmungsluft
(FENO) und spezifische IgE-Werte. Die
statistischen Berechnungen der Studi-
enplanung beziehen sich auf Patienten
≥ 12 Jahre. Hier wurde die statistische
Signifikanz hinsichtlich des primären
Endpunkts knapp verfehlt: Eine Besse-
rung der Lebensqualität erreichten
74 % der Patienten mit aktivem Gerät
und 60 % mit dem Placebogerät (p =
0,059). Bezogen auf die ganze Studien-
population war der Nutzen signifikant
(p = 0,02). Dies gilt auch für die Reduk-
tion der FENO-Werte, die in der Ver-
umgruppe um 7,1 ppb besser ausfiel
(p = 0,03). Lungenfunktionsparameter,
Exazerbationshäufigkeit und Neben-
wirkungen unterschieden sich in bei-
den Gruppen nicht. Die Autoren erklä-
ren die günstigen Effekte mit einer
Verminderung von Aeroallergenen.
Fazit
Der Effekt des Gerätes auf die Lebens-
qualität und Atemwegsentzündung
von Patienten mit unzureichend kon-
trolliertem Asthma bronchiale sei
günstig und eine therapeutische Alter-
native für diese Patientengruppe, so
die Autoren.
Dr. med. Peter Pommer
Sponsoring: Die Studie wurde vom
Hersteller des untersuchten Gerätes
finanziert.
Trotz vieler Therapieoptionen bleibt die Kontrolle des allergischen
Asthma bronchiale in vielen Fällen unvollständig. Nach ermutigen-
den Ergebnissen einer Pilotstudie untersuchten nun R. J. Boyle et al.
in einer doppelblinden randomisierten Mulizenterstudie, ob eine
neuartige Anlage zur Herstellung von Laminar-Airflow-Verhältnissen
im Patientenschlafzimmer die Lebensqualität verbessern kann.
Thorax 2012; 67: 215–221
Pneumologie – Allergologie
Asthma: Laminar-Airflow
bessert Lebensqualität